Vermietungsmarkt Innenstadt

Zeichnet sich eine erste Trendwende ab?

Foto: Ruth Vierbuchen

rv DÜSSELDORF: Im deutschen Vermietungsmarkt für Retail Assets ist zuletzt einiges in Bewegung gekommen. Der Modehandel holt wieder mehr auf und der Lebensmittelhandel treibt seine Expansion in die Stadtzentren etwas langsamer voran. Nach dem endlosen Lockdown im Jahr 2021 konnte sich die Branche im ersten Quartal 2022 wieder etwas erholen.

Dabei gibt der für die Innenstädte so wichtige Mode-Handel, der nach einer Umfrage des Verbands BTE für das Gros der Bundesbürger Hauptgrund für den Stadtbesuch ist, leichten Anlass zur Hoffnung: „Der Modehandel ist wieder deutlich agiler, weil viele das staatliche Schutzschirmverfahren der Pandemiephase genutzt haben, um ihr Portfolio aufzuräumen“, berichtet Dirk Wichner, Head of Retail Leasing bei JLL. Nicht so lukrative Standorte wurden aussortiert und gut sichtbare Flächen in zentralen Lagen gemietet. So eröffnete der Strukturwandel auch Chancen.

Laut Wichner trug vor allem die Tatsache, dass vermehrt Großflächen angemietet wurden, dazu bei, dass die Händler die Mietkosten je qm senken konnten. Dadurch sei es gelungen, sich auf der Kostenseite neu aufzustellen, allerdings müsse sich das  auch auf der Einnahmenseite beweisen, „damit die Rechnung aufgeht“.

Vor diesem Hintergrund haben die Großanmietungen der Textilhändler den deutschen Einzelhandelsvermietungsmarkt in den ersten drei Monaten dieses Jahres den Flächenumsatz gegenüber 2021 um gut 10% auf 109 000 qm steigen lassen. „Besonders Bekleidungshäuser und Young-Fashion-Anbieter sorgten für einen Branchenanteil von 41%, wobei rund drei Viertel des Flächenumsatzes auf Abschlüsse mit über 1 000 qm entfielen“, schreibt der Immobiliendienstleister JLL.

Das ist eine Wende, denn im Schnitt der vergangenen fünf Jahre war der Anteil der früher führenden Branche auf 26% des gesamten Flächenumsatzes gesunken, so dass die Spitzenposition mehrmals an die Sparte Gastronomie / Lebensmittelhandel fiel. Nach Beobachtung von JLL profitierte die starke Modebranche auch von einer Verschnaufpause bei den Supermärkten, die in den ersten drei Monaten nicht mehr so stark expandierten, so dass die Gastronomie / Foodbranche nun auf 20% kommt. Dabei macht der Lebensmittelhandel die Hälfte aus.

„Lebensmittelhändler haben in den vergangenen Jahren wie kaum eine andere Branche in den zentralen Lagen expandiert und sich durch Präsenz gegen den Online-Handel behauptet“, erläutert Wichner. Weltweit hat der deutsche Lebensmittelhandel mit das dichteste Filialnetz, was ihm einen gewissen Schutz gegen den Online-Handel bietet, wenn der nächste Lebensmittelmarkt nicht weit entfernt ist. „Allerdings sind die Standortnetze nun auch sehr stark ausdifferenziert, zugleich bieten sich in den Toplagen derzeit kaum noch Optionen, um weiter in der zuletzt gewohnten Dynamik anzumieten“, so der Experte. Auf den Bereich Gesundheit / Beauty, der auch die expansionsstarken Drogeriemärkte umfasst, entfällt etwa ein Anteil von 10% des Flächenumsatzes.

Nicht ganz so stark wie der Flächenumsatz ist die Zahl der Abschlüsse mit 5% auf 213 Anmietungen gestiegen. Gewohnt stark zeigten sich wieder die zehn größten Einkaufsmetropolen, auf die laut JLL rund die Hälfte des Vermietungsvolumens entfiel. Obwohl gerade die Zentren der großen Metropolen unter den Zwangsschließungen besonders gelitten haben, bleiben sie im Fokus der Expansionsabteilungen, so dass ihr Anteil in den ersten drei Monaten bei rund der Hälfte lag. In den vergangenen beiden Jahren hatte er laut JLL bei gut einem Drittel gelegen.

Die Menschen zieht es laut Wichner spätestens mit den Lockerungen wieder zum Einkaufengehen in die Innenstädte und vor allem, um die wiedergewonnenen Freiheiten zum Ende der Pandemie zu genießen. „Erfolgreich sind deshalb vor allem Händler, die in den vergangenen beiden Jahren ihre Konzepte überdacht und neu ausgerichtet haben“, sagt Wichner. Immerhin haben die Umsatzeinbrüche durch die Shutdowns und die Diskussionen über die Renaissance der Innenstädte viele Händler zur Umorientierung gebracht.

Unter den Metropolen steuert erneut die Bundeshauptstadt Berlin mit 20 die meisten Mietvertragsabschlüsse bei, vor Köln. Auf den Rängen folgen Hamburg und Düsseldorf mit jeweils 13 Abschlüssen vor München mit 12 und Frankfurt mit 11. Deutlich weniger dynamisch waren laut JLL die Städte Stuttgart, Leipzig, Nürnberg und Hannover.

Die Spitzenmieten für ideal geschnittene Kleinflächen in Toplagen haben sich laut JLL nach einer Korrektur 2021 wieder in fast allen Städtekategorien stabilisiert: Demnach bleibt München mit 340 Euro pro qm im Monat an der Spitze, gefolgt von Berlin mit 310 Euro, Frankfurt mit 290 Euro und Düsseldorf mit 275 Euro. Hamburg liegt mit 265 Euro vor Stuttgart mit 260 Euro und Köln mit 235 Euro. Hannover folgt mit 175 Euro, Nürnberg mit 150 Euro und Leipzig mit 110 Euro.

Beim Blick auf das Gesamtjahr 2022 sieht Vermietungsexperte Wichner unter bestimmten Voraussetzungen noch viele Chancen: „Grundsätzlich hat der Markt das Potenzial, um wieder auf Vorpandemieniveau zu landen. Allerdings ist aktuell schwer abzusehen, wie stark die Unsicherheiten durch Krieg, gestörte Lieferketten, Inflation und Energiepreise die Händler und deren Kunden beeinflussen.“