Das Interview

Wichtig ist der kommunale Mehrwert

Fred-Markus Bohne. Foto: Panattoni

Gespräch mit Fred-Markus Bohne, Managing Partner bei Panattoni über die Bedeutung des kommunalen Dialogs bei Logistikimmobilien und Logistik-Ansiedlungsvorhaben.

Handelsimmobilien Report:Herr Bohne, die Corona-Pandemie hat nicht nur Gesellschaft und Politik hart getroffen, sondern auch die Wirtschaft. Wie sieht die Lage im Logistikimmobilien-Sektor aus?

Fred-Markus Bohne: Der Logistikimmobilienmarkt zeigt sich stabil und kann sogar zusätzliches Wachstum verzeichnen. Im vergangenen Jahr lag der Flächenumsatz bei 6,9 Mio. entwickelter Quadratmeter. Laut CBRE konnte dabei im ersten Halbjahr 2021 ein Wachstum von 9,1% im Vergleich zum 2. Halbjahr 2020 erzielt werden, damit wurden in den ersten sechs Monaten 3,5 Mio. qm Logistikfläche entwickelt – das ist ein neuer Spitzenwert. Rekordverdächtig sind auch die Volumina auf dem Logistikimmobilien-Investmentmarkt. Hier wurde im ersten Halbjahr dieses Jahres nach Feststellung von CBRE ein Transaktionsvolumen von 4,4 Mrd. Euro erzielt, womit das zweitbeste Halbjahr der vergangenen zehn Jahre erreicht wurde. 

HIR:Ist das noch ein gesundes Wachstum oder droht die Gefahr einer Blase?

Bohne: Aus meiner Sicht sind die mancherorts geäußerten Sorgen über eine mögliche Blase unbegründet. Denn hinter Logistik steckt immer ein Bedarf, der dazu führt, dass Unternehmen aus dem Wirtschaftsbereich Flächen benötigen, um die wachsende Nachfrage nach logistischen Dienstleistungen bedienen zu können. Nehmen Sie allein den Boom im eCommerce. Seit Jahren verschiebt sich der Trend zum Bestellen im Internet und die Corona-Krise hat das noch befördert.

Laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (BEVH) verzeichnete der Internethandel im ersten Halbjahr 2021 ein Wachstum von 23,2% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Damit lag der Umsatz bereits in der ersten Jahreshälfte bei 45,2 Mrd. Euro und könnte Ende 2021 erstmals die Marke von 100 Mrd. Euro übertreffen. Dabei erweitern viele Onlineshop-Betreiber ihr Produkt-Portfolio noch um Waren des täglichen Bedarfs. Vor allem das Segment Lebensmittel-Fulfillment gewinnt an Bedeutung. Dies befeuert die Flächennachfrage. CBRE hat jüngst errechnet, dass in Deutschland bis 2025 über 4 Mio. qm weitere Logistikfläche allein durch den eCommerce benötigt werden.

HIR:Corona wirkte also als Wachstumstreiber?

Bohne: Ja, das betrifft zum einen den bereits erwähnten Schub im Internethandel, aber auch den Themenkomplex der Versorgungssicherheit und die Beschaffenheit der Lieferketten. Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie abhängig die heimische Wirtschaft bei Produktion und Handel von internationalen Beschaffungsmärkten ist. Weitere Entwicklungen wie z. B. die Havarie des Frachters Ever Given haben gezeigt, dass es einen Ausbau der heimischen Bevorratungs- und Produktionsstruktur geben muss, um gegen Krisen und Engpässe zukünftig besser gewappnet zu sein.

Dies ist durch den jüngsten Mangel an Rohstoffen weiter befeuert worden. Vielerorts fehlt es den Unternehmen an Holz, Metall oder Edelmetallen wie Lithium. Schon jetzt sind Mikrochips rar, was die Automobilbranche zu kostspieligen Produktionsstopps zwingt. In der Halbleiter-Industrie führt diese Entwicklung dazu, dass die lokale Herstellung ausgebaut wird. Für den erfolgreichen Ausbau der regionalen Bevorratung braucht es allerdings Lager- und Logistikfläche.

HIR:Trotz der steigenden Bedeutung von Logistik und Logistikfläche nehmen die Herausforderungen für Projektentwickler in Form von kommunalem Widerstand und Bürgerinitiativen zu. Warum?

Bohne: Die Zunahme von kommunalem Protest beobachten wir schon länger, auch bei Ansiedlungen aus der Industrie und bei Infrastruktur-Projekten. Doch gerade Logistikimmobilien haben in den Kommunen oft nicht das Image, das ihrer wichtigen Rolle innerhalb der Waren- und Lieferketten gerecht wird. Vor allem während der Virus-Krise hat sich gezeigt, wie essenziell Logistik für die Versorgung von Handel und Bevölkerung ist. Ohne die nötige Logistikfläche ist das nicht möglich. Aus meiner Sicht gibt es Versäumnisse auf beiden Seiten. Einerseits braucht es eine objektivierte Diskussion rund um Logistikimmobilien und Ansiedlungsvorhaben, wie sie die Initiative Logistikimmobilien (Logix) fördert, die auch Panattoni unterstützt. Gleichzeitig müsste die Branche auch die kommunale Perspektive mehr berücksichtigen.

HIR:Inwiefern?

Bohne: Anfang 2021 veröffentlichte der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) die Studie „Logistik in der Kommune“, die auf einer mit der Logix Initiative durchgeführten Umfrage unter Gemeinden beruht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Kommunen der systemrelevanten Bedeutung von Logistik bewusst sind, von Wirtschaftsvertretern künftig aber mehr Dialogbereitschaft und Transparenz fordern. Dieser Aspekt rangierte sehr weit oben auf der Liste der Erfolgsfaktoren für gelungene Ansiedlungsvorhaben. Bei Panattoni fühlen wir uns durch die DStGB-Studie in unserem Vorhaben bestätigt, bei Projekten stets auf die Gegebenheiten vor Ort zu achten, um mit den Projekten einen kommunalen Mehrwert zu schaffen.

HIR:Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Bohne: Ja. Bei der Errichtung des Panattoni Park Berlin Süd in Rangsdorf haben wir  130 000 qm Logistikfläche auf einem 28 ha großen Grundstück über mehrere Jahre hinweg mit dem Eigentümer entwickelt und die Baurechtschaffung begleitet. Dabei haben wir umfangreiche Infrastruktur-, Verkehrs-, Umwelt- und Artenschutzmaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte die Renaturierung von Parks, die Umgestaltung eines 3 000 qm großen Gutsparks nahe der örtlichen Grundschule, die artgerechte Umsiedlung einer Eidechsenart sowie das Setzen von Lerchenfenstern. Zudem haben wir den Mitausbau des örtlichen Industriegebiets unterstützt, womit die Kommune eine Sogwirkung auf die Ansiedlung weiterer Klein- und Gewerbebetriebe aus der Region erzielen konnte, was die lokale Wirtschaft weiter gestärkt hat.

HIR:Können nachhaltige Immobilien Kommunen überzeugen und Argumente für Ansiedlungsvorhaben stärken?

Bohne: Auf jeden Fall. Beim City Dock in Kirchheim ist die Nachhaltigkeits-Komponente ein wichtiger Teil des Ansiedlungskonzepts, bei dem wir nicht nur eine Immobilie realisieren, sondern mit der Gemeinde und der Wirtschaftsförderung einen neuen städtebaulichen Akzent setzen wollen. Ähnliche Erfahrungen haben wir bei der Errichtung des Logistik Park Mannheim Ost in Ladenburg gemacht, dem zum damaligen Zeitpunkt größten Revitalisierungsvorhaben eines ehemaligen Industriegeländes im Rhein-Necker-Gebiet. Dies war ein komplexes Brownfield-Projekt, das wir ebenfalls in enger Zusammenarbeit mit der Kommune verwirklichen konnten. Die Immobilie ist seit Sommer an den Duisburger Schifffahrts- und Speditionskontor Neska vermietet und erfüllt hohe Nachhaltigkeitsstandards unter anderem durch eine klimafreundliche Energieversorgung aber auch durch die Nutzung der Bestandsflächen.