11. Deutscher Logistikimmobilien-Kongress

Was kommt nach dem Rekordjahr 2021?

Logistikimmobilien-Kongress in Hamburg. Foto: Heuer Dialog

Zum elften Mal hat sich die Logistikimmobilien-Branche Ende Juni zum Deutschen Logistik-Immobilien-Kongress getroffen. Mit den Design Offices hatte sich der Veranstalter Heuer Dialog für eine interessante Location entschieden, die mit ihren innovativen und flexiblen Arbeitslandschaften im Hamburger Stadtteil Hammerbrook beeindruckt, einem noch junger Business-Standort mit vielen interessanten Projekten und Neuansiedlungen.

Das Jahr 2021 war zwar wieder ein extrem starkes Jahr für den Logistikimmobilienmarkt, doch sieht sich die erfolgsverwöhnte Branche neuen Herausforderungen gegenüber, die auch das Themenspektrum des zweitägigen Logistikimmobilien-Kongresses mit über 130 Teilnehmern unter Moderatorin von Angela Rüter bestimmt haben.

Zu den Problemfeldern gehört, dass der Ukraine-Krieg und die Folgen der Pandemie in Weltwirtschaft und Politik alles, was bisher als sicher und gefestigt galt, ins Wanken gebracht haben. Die Disruption von Lieferketten forderten die Branche heraus, Logistik neu zu denken. Veränderte Kundenansprüche und Kaufverhalten sowie die letzte Meile, Urbane Logistik, Flächenknappheit und Digitalisierung sind weitere Felder, die die Branche angehen muss.

Wie unsere Welt im Jahr 2030 aussehen könnte, zeigte Trendforscher Nils Müller, Gründer der Trendone GmbH, indem er das Publikum auf eine atemberaubende Reise in die Zukunft von Logistik, Immobilien und Mobilität schickte. Hier ist alles mit allem vernetzt, Künstliche Intelligenz steuert alle Lebensbereiche, Güter sausen per Rohrpost von A nach B, Drohnen und Lufttaxis befördern Menschen, Roboter erledigen die meiste, auch anspruchsvolle Arbeit, alle Energie und auch das Denken sind „grün“ und auf den Erhalt unserer Lebensgrundlagen ausgerichtet.

Zurück auf den Boden brachte anschließend wieder der Vortrag von Prof. Henning Vöpel,Vorstand des Centrums für europäische Politik, BSP Business and Law School. Er verdeutlichte, „dass wir mit Krieg, Inflation und Klimakrise mit hoch komplexen Zusammenhängen neuer Qualität“ konfrontiert seien, lauter schwarze Schwäne, „nachdem wir viel zu lange an die Unverletzlichkeit unserer alten Ordnung geglaubt haben“.

Aus Völpels Sicht „haben wir uns in die Falle manövriert“. Das System Weltwirtschaft stocke an allen Ecken und Enden. Es gebe derzeit mehr Fragen als Antworten: „Was passiert mit dem Euro, der Energieversorgung, der Versorgung mit Gütern? Welche Form der Deglobalisierung kommt auf uns zu? Was sind die sozialen Folgen, wenn der Wohlstand zerrinnt, kommt eine globale Rezession?“

Beim Ordnen dieser Trends kommt der Ökonom zu keinem allzu positiven Ergebnis: „Autarkie ist ökonomisch teuer und politisch gefährlich. Deglobalisierung und Protektionismus führen zu neuer globaler Knappheit, der demografische Wandel zu Arbeitskräftemangel“. Sein Fazit: Die Stagflation wird uns erhalten bleiben.

Geht der Boom immer so weiter?

Mit der Frage, ob der Boom in der Logistik und das stete Wachstum der Branche immer so weiter geht oder ob knappe Rohstoffe, steigende Energiepreise und stockende Lieferketten die Nachfrage nach Produktions- und Logistikflächen in Zukunft beeinträchtigen werden, befasste sich Christopher Raabe, Geschäftsführer und Head of Logistics & Industrial bei der BNP Paribas Real Estate GmbH. Bisher haben die geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen den Vermietungsmarkt für Lager- und Logistikimmobilien wenig beeinträchtigt, stellt er fest. Die Branche hat ihren Rekordkurs im ersten Quartal mit einem Umsatzvolumen von 2,33 Mio. qm fortgesetzt und den langjährigen Schnitt um 60% übertroffen. Raabe: „Das ist ein Ergebnis in bisher unbekannter Dimension.“ Alle Regionen erzielten überdurchschnittliche Ergebnisse.

Für ihn ist das ein Beleg, dass die wachsenden Unsicherheiten bisher noch von übergeordneten Trends wie dem wachsenden eCommerce, der Neuorganisation von Lieferketten und größeren Umstrukturierungsprozessen in der Industrie überlagert würden. Dabei spielt die eigentliche Musik außerhalb der Ballungszentren der Big 6 (Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt und München). Denn fast 70% der Flächenumsätze wurden „außerhalb“ getätigt. Die Gründe: Es ist hier mehr Fläche verfügbar und die Ansiedlungsgegebenheiten sind günstiger.

Mit der hohen Nachfrage bei geringer Flächenverfügbarkeit sind auch die Mieten gestiegen. „Seit den letzten beiden Jahren haben wir ein sehr starkes Mietpreiswachstum in den Big Six“, so Raabe. Im ersten Quartal 2022 wurde eine durchschnittliche Spitzenmiete von 6,94 Euro und eine Durchschnittsmiete von 5,62 Euro erzielt. Er glaubt, dass diese Entwicklung noch in den kommenden zwei bis drei Jahren anhalten wird. Es gebe praktisch keinen modernen Leerstand, deshalb werde zunehmend spekulativ gebaut.

Im Logistikinvestmentmarkt sind die Aussichten weniger rosig, auch wenn in den ersten drei Monaten mit 4,8 Mrd. Euro eine neue Bestmarke aufgestellt wurde. „Die Unsicherheit ist groß, vieles liegt auf Eis, eine Bodenbildung sehen wir frühestens im zweiten Halbjahr voraus“, so Raabe weiter. Die größte Herausforderung ist mit Blick auf die stark gestiegenen und volatilen Zinsen das Finanzierungsumfeld. Raabe: „Wir rechnen mit all-in-Rates von 3,5 bis 4%, was massive Auswirkungen auf die Preisbildung haben wird“.

Es wird Korrekturen geben

Bedeutet dies das Ende des Booms? Es werde auf Grund der hohen Zinsen und Inflation, steigenden Grundstücks-, Baukosten und Mieten Korrekturen geben, so der Experte: „Aber es gibt nach wie vor ein unfassbar hohes anlagesuchendes Kapital, das auch in Logistikimmobilien fließen wird“. Diese als krisenresistent geltende Anlageklasse macht ein Viertel des Transaktionsvolumens mit Gewerbeimmobilien aus.

Zu den bedeutenden Treibern der Branche gehört nach wie vor der eCommerce. Und neben den spürbaren Auswirkungen der Pandemie setzen zudem Ereignisse wie die Blockade des Suezkanals durch die Evergrande und die Rückverlagerung von Produktionen nach Deutschland und in europäische Nachbarländer wichtige Impulse. „Besonders in Regionen mit vielen Industrieunternehmen werden Lagerflächen für sensible Teile vor der Haustür benötigt, was die Flächennachfrage in starken Regionen befeuert“, ist Raabe überzeugt.

Parallel steigt nach seiner Erkenntnis das Qualitätsbewusstsein: „Made in Germany bekommt wieder Gewicht, es gibt Bestrebungen, auch Textiler wieder in Europa anzusiedeln“. Unklar sei aber, ob der Kunde bereit sei, dafür zu zahlen. Ein weiteres zentrales Thema, das die Branche beschäftigt, sind die deutlich höheren Anforderungen an die Logistikflächen und Innovationen, die viele Branchen heute stellen. „Auch der gesamte Bereich Nachhaltigkeit ist ein wachsendes Thema, dem wir uns stellen müssen“, so Raabe.

Die Diskussionsrunde „Der Markt läuft heiß, droht eine Überhitzung?“ war sich ebenfalls einig, dass dem Logistikimmobilienmarkt eine Findungsphase bevorsteht, und die Kapitalmärkte durch Anpassungsprozesse gehen müssen. Bei gegebener Rendite seien die Finanzierungskosten der limitierende Faktor. Beim Verkauf würden höhere Preise aufgerufen, ist sich Stephanie Habacker-Arndt, geschäftsführende Gesellschafterin der Habacker Holding, sicher.

Gerhard Molt,Partner und Head of Real Estate bei Eversheds Sutherland (Germany) erwartet im Investmentbereich Korrekturen. Der Käufermarkt sortiere sich neu: „Da weiß man noch nicht, wo die Reise hingeht.“ Die Klemme zwischen steigenden Kosten und Finanzierungskosten werde ein langfristiges Thema bleiben. Dennoch wird laut Molt weiter gebaut: „Es gibt viele Nutzer, die selber bauen und viele Investoren, die genügend Cash eingesammelt haben“.

Wie gewinnt man die Politik für eine Logistikansiedlung?

Francisco Bähr, geschäftsführender Gesellschafter der Four Parx Holding und Bauherr der ersten doppelstöckigen und nachhaltig gebauten Gewerbe- und Logistikimmobilie Mach2 (Foto: Four Parx)in Hamburg, die abends besichtigt wurde, belebte am Nachmittag das müde gewordene Auditorium mit seinem launigen Vortrag „Oje, keine Logistikimmobilie“. Dabei legte er detailliert dar, wie man Politik und Bürger für eine Ansiedlung gewinnen kann.

„Ein Bürgermeister sagte einmal, bevor ich eine Logistikimmobilie baue, baue ich ein Freudenhaus“, ordnetet Bähr, der 30 Jahren Erfahrung in der Projektentwicklung hat, das Standing der Branche ein. Die Gründe seien nachvollziehbar: Viel Verkehr, Lärm, großer Flächenverbrauch, wenige Mitarbeiter, hässliche Gebäude. Da in Zeiten der Flächenknappheit alles noch schwieriger geworden ist, muss man dem Negativimage laut Bähr entgegentreten, was bei einer spekulativ errichtete Logistikimmobilie mit unbekanntem Nutzer besonders schwierig ist. Anders als Büros und Wohnungen muss man Logistik erklären. Transparenz und Kommunikation sind deshalb die Schlüssel.

Bährs Empfehlungen: „Gehen Sie aktiv auf die Verantwortlichen zu und beziehen Sie auch die Bürgerschaft ein, damit vermeiden Sie Bürgerinitiativen. Bereiten Sie sich für den ersten Auftritt sehr gut vor, zeigen sie ehrlich, wie das Gebäude aussieht, wie es sich in die Umgebung einfügt, welche Verkehre zu welcher Uhrzeit anfallen und wie man sie steuern kann, damit es nicht zu Konflikten kommt.“

Punkten kann die Branche nach seinen Worten jedoch mit dem Gewerbesteueraufkommen, dem positiven Image von Investor und Mieter, einer langen Haltedauer und vor allem mit ESG-Kriterien wie einem nachhaltigen Energiekonzept und der E-Mobilitätsausrichtung des Gebäudes. Investoren empfiehlt er zudem zu prüfen, wo sie der Stadt entgegenkommen können, etwa indem sie sich an Infrastrukturkosten oder an einem Kindergarten beteiligen, Straßen ertüchtigen oder Lärmwände errichten. Auch das Interesse an sozialen Themen schafft ein positives Image, zumal die künftigen Mitarbeiter meist Bewohner des Ortes sind. „In ganz großen Projekten haben wir in der frühen Phase Kommunikationsberater eingesetzt, um herauszufinden, was den Bürgern wichtig ist, etwa gemeinsame Sportplatznutzung oder Freizeitflächen“. Naturgemäß ist das Thema Arbeitsplätze und deren Qualität laut Bähr besonders wichtig. Dazu gehört auch, wie das Unternehmen mit Mitarbeitern umgeht, mit Menschen mit Behinderung oder Migranten. Gibt es eine Kantine, Pausenflächen, einen Shuttleservice zum Arbeitsplatz? Wie sieht die Arbeitsumgebung aus? Beispiele wie Tönnies, Birkenstock und Amazon hätten für ein schlechtes Branchenbild gesorgt, das korrigiert werden müsse.

Ein Kapitel für sich sind die Gebäude, meist reizlose graue Kästen, unter dem Zwang der Wirtschaftlichkeit gebaut. „Wir müssen lernen, auch Logistikgebäude und deren Umfeld optisch ansprechender zu gestalten“, mahnt Bähr. Für Fassade und Dach sollten eine Begrünung geprüft werden und auch das Grundstück sollte mit Hecken und großen Bäumen hochwertiger gestaltet werden. „Nistplätze für Vögel, Insektenhotels, Fledermäuse, Eidechsenhabitate oder Bienenhotels sind gut für die Umwelt, aber auch gut für das Image“.