Vermietungsmarkt Logistik

Übergeordnete Trends beflügeln das Wachstum

Hier entsteht das Amazon-Logistikzentrum Kaiserslautern. Foto: Amazon

Die geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen haben den Vermietungsmarkt für Lager- und Logistikimmobilien bislang nicht beeinträchtigt. Nach einem Vermietungsrekord mit 2,55 Mio. qm im 4. Quartal 2021, setzte die Branche ihren Rekordkurs im ersten Quartal dieses Jahres mit einem Flächenvolumen, das JLL mit 2,3 Mio. qm beziffert und BNP Paribas Real Estate sogar mit 2,33 Mio. qm, fort.

Damit wurde der langjährige Durchschnitt laut BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) immerhin um 60% übertroffen und das Vorjahresquartal mit 1,9 Mio. qm laut JLL um 22%. Für Christopher Raabe, Geschäftsführer und Head of Logistics & Industrial der BNP Paribas Real Estate GmbH, ist diese ungebrochen günstige Entwicklung ein „deutlicher Beleg dafür, dass die wachsenden geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten bisher noch von übergeordneten Trends, wie beispielsweise der wachsenden Bedeutung des eCommerce, der Neuorganisation von Lieferketten oder größeren Umstrukturierungsprozessen in der Industrie überlagert werden“.

Diese Erkenntnis findet offenbar auch in der Politik ihren Niederschlag. So berichtet Sarina Schekahn, Head of Industrial Leasing bei JLLGermany, dassdie Herausforderungen durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine und die damit verknüpften Unsicherheiten für die Lieferketten inzwischen auch bei den politischen Entscheidungsträgern angekommen sind, was für die Branche neue Chancen eröffnen könnte: „Nearshoring, die Rückverlagerung von Produktionen, nach Deutschland und benachbarte Länder ist ein zentrales Thema der kommunalen Raumplanung“, berichtet sie: „Wir erkennen, dass Gemeinden mittlerweile viel offener dafür sind, benötigte Flächen für Produktion und wertschöpfende Prozesse und mitarbeiterintensive Geschäftsmodelle zur Verfügung zu stellen, wenn das Brownfield-Potenzial ausgeschöpft ist.“

Allerdings heißt das nicht, dass die Marktakteure, insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen, die Risiken aus den Augen verlieren. Laut Schekahn haben diese mittelständischen Unternehmen langfristige Standortentscheidungen um einige Monate aufgeschoben, um die Lage genauer zu sondieren. Denn Themen wie Lieferschwierigkeiten, Arbeitskräftemangel und hohe Inflationsraten belasten die Entscheidungen erheblich.

Vor allem Großabschlüsse trugen zum guten Ergebnis bei

Einig sind sich die Immobilienberater darin, dass vor allem eine Reihe von Großabschlüssen zu dem guten Vermietungsergebnis im ersten Quartal beigetragen haben, wobei Eigennutzer eine maßgebliche Rolle spielten. Ins Auge springt hier der Tesla-Neubau in Grünheide, der mit 327 000 qm der Metropolregion Berlin zugerechnet wird. Nachdem nun die endgültige Baugenehmigung vorliegt, konnte das Werk laut BNPPRE im ersten Quartal in den Vermietungsumsatz einfließen. Tesla fällt in die Kategorie „Eigennutzer“.

Daneben gehört beispielsweise noch der Bau einer rund 116 000 qm großen Produktionsanlage des Bauelemente-Herstellers Nokera in Möckern bei Magdeburg dazu. Laut BNPPRE lag der Anteil der Eigennutzer im ersten Quartal bei 41%. JLL beziffert die Fläche mit 990 000 qm. Der Anteil der Neubauflächen am Gesamtumsatz erreichte mit 64% ebenfalls ein hohes Niveau. „Hierbei handelt es sich um einen Trend, der bereits seit einigen Jahren zu erkennen und nicht zuletzt auf den Angebotsmangel im Bestand in vielen Regionen zurückzuführen ist“, schreibt BNPPRE. Zudem würden viele Branchen inzwischen deutlich höhere Anforderungen an die Logistikflächen stellen. Auch Nachhaltigkeit ist hier ein Thema.

Laut JLL wurden im ersten Quartal in den deutschen Top 5 Städten 150 000 qm neue Lagerflächen gebaut, zum Zeitpunkt der Fertigstellung seien nur noch 24% davon unvermietet gewesen. Und auch von den 1,5 Mio. qm, die derzeit gebaut werden, sind nur noch 22% verfügbar. Am meisten wird in der Region Hamburg gebaut, doch auch hier sind bereits 93% der entstehenden 570 000 qm vergeben – an Eigennutzer oder an Mieter. Mit Blick auf die Flächenknappheit fokussieren sich laut Sarina Schekahn Entwickler und Investoren verstärkt auf Brachflächen, die sogenannten Brownfields, da hier bereits die notwendigen Rahmenbedingungen gegeben sind, um die Flächen schnell auf den Markt zu bringen.

Insgesamt wurde im ersten Quartal 2022 in den großen deutschen Logistikregionen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart laut BNPPRE ein Flächenumsatz von gut 1 Mio. qm erzielt, ein Wert, der um 62% über dem langjährigen Durchschnitt liegt. Ohne das neue Tesla-Werk in Grünheide hätte das Flächenvolumen mit 689 000 qm allerdings um 12% unter Vorjahresniveau gelegen. Außer in Berlin, Stuttgart und Düsseldorf verzeichneten alle Top-Regionen Flächenrückgänge – zweifellos, weil die Nachfrage nicht bedient werden konnte. Entsprechend verlagerte sich die Flächensuche auf die Regionen außerhalb der großen Logistik-Hubs. Hier analysiert BNPPRE zwölf Regionen, in denen ein Flächenvolumen von 1,3 Mio. qm realisiert wurde, womit eine neue Bestmarke erreicht und der langjährige Schnitt um 47% übertroffen wurde. Allerdings gibt es auch hier regionale Unterschiede. Im ersten Quartal verzeichnete vor allem das Ruhrgebiet mit 119 000 qm ein Plus von 177%.

Experten rechnen 2022 wieder mit Rekordwerten

Auf Handels- und eCommerce-Unternehmen entfielen laut JLL etwa 486 000 qm, wobei der größte Eigennutzerabschluss in diesem Segment auf den Online-Händler Amazon entfällt, der in Kaiserslautern ein 189 000 qm großes Logistikzentrum baut. Auf reine eCommerce-Unternehmen entfielen 354 000 qm.

Dass in diesem Umfeld die Mieten steigen, liegt auf der Hand. Laut BNPPRE haben sie im Durchschnitt betrachtet in den Agglomerationen um 4% zugelegt, wobei die stärkste Zunahme mit 60 Cent in Düsseldorf auf 6,70 Euro je qm registriert wurde. Die teuersten Regionen sind Berlin und München mit durchschnittlich 7,50 Euro (+4%), vor Frankfurt mit 7,20 Euro (+3%), Stuttgart mit 7,10 Euro (+1%), Hamburg mit 6,75 Euro (+7%), Köln mit 6,00 Euro (+3%) und Leipzig mit 4,65 Euro (+1%).

Beim Blick in die Zukunft geht Bastian Hafner, Head of Logistics & Industrial Advisory bei BNPPRE, davon aus, dass die eingetrübten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den nächsten Monaten nicht spurlos an den Nutzermärkten vorbeigehen. In dieser Ungewissheit könnte aber beispielsweise die Umstrukturierung vieler Lieferketten beschleunigt werden, was wiederum neue Nachfrageimpulse auslösen könnte. Hafner erwartet für 2022 ein Flächenvolumen von über 6,5 Mio. qm sowie weiter steigende Mieten durch steigende Baukosten. Aus Sicht von Sarina Schekahn deutet alles darauf hin, dass, getragen von diesem dynamischen Jahresauftakt, die Umsatzprognose von rund 7 Mio. qm für das Gesamtjahr nach oben korrigiert werden müsse.