Konjunkturaussichten 2023

Sehr gegensätzliche Signale

rv DÜSSELDORF. Kein Wirtschaftswachstum im ersten Quartal, hohe Inflation, ein schwächelnder Konsum und ein verarbeitendes Gewerbe mit Aufs und Abs prägen die Wirtschaftslage in Deutschland im ersten Quartal 2023.

„Die deutsche Konjunktur ist zu Jahresbeginn gespalten.“ Mit dieser Einschätzung hat der Ifo Konjunkturchef Timo Wollmershäuser auf die Meldung des Statistischen Bundesamtes reagiert, dass die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2023 stagniert hat. Konkret blieb das Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut Statistischem Bundesamt preis-, saison- und kalenderbereinigt – gemessen am vierten Quartal 2022 – unverändert bei 0,0%, nachdem es Ende 2022 um 0,5% gesunken war. Dabei gingen sowohl die privaten als auch die staatlichen Konsumausgaben zurück.

Hoffnung gibt laut Wollmershäuser der Blick auf die Investitionen und den Export. „Auf der einen Seite profitiert die Industrie von nachlassenden Lieferengpässen sowie von gesunkenen Energiepreisen und ist auf einen Wachstumskurs eingeschwenkt. Auf der anderen Seite zehrt die hohe Inflation an der Kaufkraft der privaten Haushalte und lässt den Konsum schrumpfen“, umschreibt der Experte die gegensätzliche Lage und geht davon aus, dass der Aufwärtstrend in der Industrie im Jahresverlauf anhalten dürfte.

Dabei stützt er sich auf das Ifo-Geschäftsklima, das sich bereits den sechsten Monat in Folge verbessert hat und mittlerweile einen positiven Wert aufweist. Die Auftragsbücher seien prall gefüllt, und die allmähliche Belebung der Weltkonjunktur werde die Neuaufträge weiter zunehmen lassen. Damit stehen die Zeichen für eine Ausweitung der Exporte und der Ausrüstungsinvestitionen gut.

Allerdings verzeichnete das Statistische Bundesamt im produzierenden Gewerbe nach vorläufigen Angaben im März mit einem saison- und kalenderbereinigten Rückgang von real -3,4% gegenüber dem Vormonat Februar einen Dämpfer. Insgesamt lag die Produktion im ersten Quartal aber noch um 2,5% über dem Niveau des vierten Quartals 2022, sodass Aussicht auf eine weitere Belebung bestehen könnte.

Allerdings ist auch der reale Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe im März gegenüber Februar saison- und kalenderbereinigt um 10,7% gesunken. Nach Feststellung der Statistiker war das der größte Rückgang seit dem Einbruch im Zuge der Corona-Pandemie im April 2020. Dadurch wurde der Anstieg beim Auftragseingang im ersten Quartal auf 0,2% gedrückt. Die Lage bleibt demnach fragil.

Zumal die Konsumkonjunktur schwächelt. Zwar ist das Konsumklima in den vergangenen sieben Monaten immer weiter gestiegen und die Konjunktur- sowie die Einkommenserwartungen haben sich deutlich erholt. Doch der Indikator bleibt mit -25,7 Punkten laut GfK im Mai immer noch tief im negativen Bereich. „Die Konsumstimmung kommt in Deutschland noch nicht wieder richtig in Schwung und bleibt weiterhin deutlich unter dem Vor-Krisen-Niveau“, bestätigt auch der Handelsverband Deutschland (HDE). Da auch die Anschaffungsneigung schwächelt ist zu erwarten, „dass die Konsumentscheidungen der Verbraucher in den nächsten Monaten von Zurückhaltung geprägt sein werden“, so der Verband. Der private Konsum werde dann als relevanter Treiber einer konjunkturellen Erholung wegfallen: „Die Verbraucher scheinen das Sparen dem Konsum vorzuziehen“.

Auch die Tatsache, dass die Tariflöhne in den vergangenen Wochen deutlich angehoben wurden und Inflationsprämien ausgezahlt wurden, sodass die Einkommen der privaten Haushalte deutlich zulegen, lässt nicht allzu viel Spielraum für Optimismus. Laut Ifo Institut dürfte die Inflation in den nächsten Monaten hartnäckig hoch bleiben. Im April lag sie laut Statistischem Bundesamt bei 7,2%, nachdem sie bereits im Vorjahresmonat sehr hoch war. „Ein Reallohnplus dürfte es daher erst in der zweiten Jahreshälfte geben“, schreibt das Ifo Institut: „Die Stimmung der konsumnahen Dienstleister und Einzelhändler hat sich zwar bis zuletzt verbessert, ist aber mehrheitlich noch negativ.“

In der Bauwirtschaft ändert sich an dem Abwärtstrend, der vor allem durch den schwächelnden Wohnungsbau verursacht wird, vorerst nichts. Hohe Finanzierungs- und Baukosten haben die Neuaufträge laut Ifo einbrechen und die Stornierungen bestehender Aufträge zunehmen lassen. So ist das Geschäftsklima in der Baubranche  so schlecht wie zuletzt nach der Weltfinanzkrise im Jahr 2010. Allerdings hat die Branche in den vergangenen zehn Jahren auch einen unglaublichen Boom erlebt.

Entwarnung ist auch von der Inflationsfront nicht zu erwarten. Denn Wirtschaftsexperten aus aller Welt gehen weiterhin von hohen Inflationsraten aus, wie der Economic Experts Survey, eine vierteljährliche Umfrage des Ifo Instituts und des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik, ergab. So wird die Inflationsrate 2023 weltweit 7% erreichen, 2024 könnte sie bei 5,9% und 2026 bei 5% liegen.

Dabei liegen die Inflationserwartungen in Westeuropa mit 5,3%, in Nordamerika mit 5% und in Südostasien mit 5,1% für 2023 deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. Besonders hoch sind sie in Südasien (22,5%), Südamerika (46,1%), Nordafrika (32,7%) und Ostafrika (29,9%). An der Umfrage im März hatten 1 572 Expertinnen und Experten aus 136 Ländern teilgenommen.