Stationärer Schuheinzelhandel

Nach dem Shutdown bleibt eine tiefe Kerbe

Anfassen und begutachten während der Präsenz-Messe. Foto: Igedo

rv DÜSSELDORF. Im Nachhinein betrachtet bot das Jahr 2019 dem deutschen Schuheinzelhandel eine kleine Verschnaufpause. Nach dem Hitzesommer 2018 mit einem Umsatzrückgang von 3% auf 11,5 Mrd. Euro verzeichnete die Branche im Vorjahr einen Umsatzzuwachs von 3% auf 11,8 Mrd. Euro und konnte so die Delle aus dem Vorjahr wieder ausgleichen. Durch den Shutdown im Frühjahr, den Ausfall des Ostergeschäfts und den Wegfall vieler Veranstaltungen wird das Jahr 2020 für die Branche zur echten Herausforderung. Ein kleines Stück Normalität bot die Tatsache, dass nach der Messe im März die Gallery Shoes auch im Sommer (30.8. – 1.9.) wieder als „Präsenzmesse“ ausgerichtet wurde.

Bis zum Frühjahrstermin der Gallery Shoes Anfang März auf dem Areal Böhler in Düsseldorf waren nach den Worten von Brigitte Wischnewski, Präsidentin (Foto) des BDSE Handelsverbands Schuhe, noch kaum größere Auswirkungen auf den Umsatz des Schuheinzelhandels zu spüren. Das hat sich nach den angeordneten Zwangsschließungen zum Frühjahrs- und Ostergeschäft geändert. In den vom Shutdown betroffenen Monaten März und April brachen die Umsätze um 55% bzw. um 70% ein, ausgerechnet in den üblicherweise besonders umsatzstarken Monaten des Jahres, wie die BDSE-Präsidentin bei der Pressekonferenz zur Messe GalleryFashion & Shoes in Düsseldorf berichtete.

Zur Halbjahresbilanz steht nach den Zahlen des BDSE für den Schuheinzelhandel ein Umsatzrückgang von 30% auf 2,5 Mrd. Euro zu Buche – nach 3,6 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum. Nach den ersten sieben Monaten verzeichnet der Verband für die stationären Schuhhändler gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Umsatzrückgang von 1,2 Mrd. Euro. „Neben den Bekleidungsgeschäften waren die Schuhhäuser jene Handelsunternehmen, deren Umsätze von der staatlich verordneten Ladenschließung am stärksten betroffen waren“, stellt die BDSE-Präsidentin fest.

Da die schwere Rezession für die Branche noch nicht ausgestanden ist, sind aus Sicht von Wischnewski die Auswirkungen der Krise auf den Schuheinzelhandel noch nicht in Gänze abzuschätzen. Deshalb stellt sich die BDSE-Präsidentin auch auf ein herausforderndes zweites Halbjahr 2020 ein, wobei der Start im Juli aus ihrer Sicht im Großen und Ganzen „durchaus ermutigend“ verlaufen ist – allerdings bei bescheidenen Ansprüchen. Denn der Umsatzrückgang hat sich bis Ende Juli im Durchschnitt auf -10% verbessert – nach -18% im Mai und -15% im Juni.

Allerdings verlief die Entwicklung je nach Standort recht unterschiedlich, wobei sich auch in dieser Branche zeigt, dass die großen Einkaufsstädte und Metropolen immer noch unter den Folgen der Beschränkungen und den Vorsichtsmaßnahmen der Bürger leiden. Die Kunden, die vor Corona aus der weiteren Umgebung in die Einkaufsmeilen gereist sind, halten sich offenbar immer noch zurück. So verzeichnen laut BDSE viele umsatzstarke Schuhhändler in den größeren Städten und Metropolen gegenüber dem Vorjahresmonat immer noch zweistellige Umsatzrückgänge.

Kleinere Schuhgeschäfte kommen besser weg

In kleineren Schuhfachgeschäften liegt das Minus dagegen „nur noch“ im einstelligen Bereich. Manche haben sogar wieder den Vorjahresumsatz erreicht. Laut BDSE stehen bei vielen Kunden in der aktuellen Lage die Bedarfskäufe im Vordergrund, während sie sich bei Lust- und Impulskäufen zurückhalten. Besonders gefragt waren nach der Wiedereröffnung der Schuhläden Kinderschuhe, aber auch Sportschuhe und Sneaker.

Die Maskenpflicht mindert für viele das Einkaufserlebnis. Das spiegelt sich in der Tatsache wider, dass die Besucherzahlen an den meisten Standorten immer noch unter dem Vorjahresniveau bleiben. Im August kam die große Hitze hinzu, die das Anprobieren von Schuhen erschwerte. Und in typischen norddeutschen und süddeutschen Urlaubsregionen kam hinzu, dass die Schulferien, die viele im Inland verbracht haben, zu Ende gingen und die Frequenz in den Einkaufslagen wieder schrumpfte.

Das große Fragezeichen, das auch für den BDSE hinter der Gesamtjahresprognose 2020 steht, ist die Sorge, dass es im Herbst, wenn die Erkältungs- und Grippe-Saison beginnt, auch zu einer zweiten Corona-Infektionswelle kommen könnte und erneut Beschränkungen angeordnet werden. Sofern es zu keiner zweiten Welle kommt, geht der Verband von einer weiteren Erholung der Geschäftsentwicklung aus.

Verband hofft auf eine weitere Erholung

Allerdings gilt auch: die Kerbe, die der Lockdown geschlagen hat, ist tief und dürfte bis zum Jahresende kaum auszugleichen sein. Denn auch der Schuhhandel dürfte spüren, dass viele Veranstaltungen ausfallen und viele Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten, die Anlässe für den Kauf neuer Schuhe also überschaubar sind. So registrierte die Branche nach der Wiedereröffnung der Geschäfte denn auch, dass Anlass- und Business-Schuhe, Pumps und Slings schwerer verkäuflich sind. Insgesamt rechnet der BDSE für den stationären Schuheinzelhandel aus heutiger Sicht mit einem Umsatzrückgang von 20 bis 25% in diesem Jahr.

Vor diesem Hintergrund bestellen die Schuheinzelhändler bei der aktuellen Orderrunde mit besonderer Vorsicht, da auch die Restbestände an Übergangsware höher sind als üblich. „Die nicht verkaufte Ware wird in die nächste Saison genommen, und die Einkaufsbudgets werden entsprechend angepasst“, berichtet die BDSE-Präsidentin: Viele wollten sich durch eine niedrigere Order mehr Spielraum für Nachkäufe sichern. Um die Sortimente für die nächste Saison aufzufrischen, wünscht sich der Schuhhandel von den Herstellern „innovative Styles und Farben“, um neue Kaufanreize zu schaffen. Die Präsenzmesse Gallery Fashion & Shoes bietet hier die Möglichkeit, die Kollektionen physisch zu sichten.

Dass der Shutdown und die Beschränkungen beim stationären Einkauf die Online-Bestellungen - auch bei den Multichannel-Anbietern – befördern, hat auch die Schuhbranche registriert. Laut BDSE hält das Wachstum beim Online-Versand bis heute an. Viele Online-Neulinge seien dem Netz treu geblieben. „So hat der Shutdown die Kanalverschiebung von offline zu online beschleunigt“, sagt Wischnewski. Der stationäre Handel konnte dadurch aber nur einen Teil seiner Ausfälle kompensieren.

Konjunkturpakete der Bundesregierung wie die Senkung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte für das zweite Halbjahr 2020 oder der Kinderbonus haben nach Beobachtung des BDSE das Geschäft des Schuhhandels nicht angekurbelt: „Das war allerdings auch nicht zu erwarten, da der Umsatzsteuereffekt angesichts der üblichen Preisnachlässe gegen Ende einer Verkaufssaison von 20, 30 oder mehr Prozent keinen Kunden wirklich zum Kauf motiviert“, erläutert die Präsidentin. Auch die Liquiditäts- und Überbrückungshilfen des Staates seien nur teilweise dort ankommen, wo sie dringend benötigt wurden, da viele Schuhhäuser auf Grund der Förderkriterien durchs Raster fielen.