Schuheinzelhandel

Nach dem Einbruch folgt die Hoffnung

Viel Hoffnung nach dem Ende des Shutdowns. Foto: Gallery Shoes

rv DÜSSELDORF. Seit den Lockerungen im Juni sieht der stationäre Schuheinzelhandel wieder Licht am Horizont. Und hofft dabei auf das Versprechen der Politiker, dass es keine erneuten Zwangsschließungen geben wird – und dass die Infektionszahlen nicht zu sehr steigen. Dann könnte es den meisten Händlern gelingen, die stattlichen Umsatzverluste in den ersten fünf Monaten wieder auszugleichen.

Denn der Shutdown bis Ende Mai hat nach den Worten von Brigitte Wischnewski, Präsidentin des BDSE Handelsverbands Schuhe, tiefe Löcher in die Kassen vieler stationärer Schuhfachhändler gerissen. Nachdem die Branche schon 2020 durch die Zwangsschließungen von Mitte März bis in den Mai hinein und vom 16. bis zum 31. Dezember nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes ein Umsatzminus von 21% verkraften musste, lagen die Erlöse im ersten Halbjahr 2021 nochmals um 21,5% unter dem schwachen Vorjahresniveau.

Wie Wischnewski bei der Pressekonferenz zur Messe Gallery Shoes & Fashion (29. bis 31.8.) in Düsseldorf auf Basis der amtlichen Umsatzstatistik feststellt, erzielte der Schuhhandel damit – nach dem Bekleidungshandel – das zweitschlechteste Umsatzergebnis aller beim Statistischen Bundesamt ausgewerteten Einzelhandelsbranchen. Noch düsterer sieht der Vergleich mit dem ersten Halbjahr des Vor-Corona-Jahres 2019 aus. Nach Berechnung des BDSE lag der Umsatzrückgang bei fast 44%. Im Gesamtjahr 2020 büßten die Fachgeschäfte nach den Berechnungen des Verbands ein Umsatzvolumen von 1,7 Mrd. Euro ein, sodass sich der Jahresumsatz von zuletzt 8 Mrd. Euro (2019) auf 6,3 Mrd. Euro Ende 2020 verminderte.

Dies zeigt, wie wichtig es für die Fachhändler ist, die Umsatzverluste auszugleichen und zumindest das Niveau des Vorjahres zu halten. Zumal die Online-Konkurrenz in den Zeiten des Zwangsschließungen überproportional profitieren konnten. Laut Wischnewski erreicht der Online-Handel nun einen Marktanteil von etwa 35%, so dass etwa jeder dritte Schuh über den Online-Handel gekauft wird.

Einziger Trost für die stationären Einzelhändler mit Multichannel-Strategie: Sie konnten gleichfalls von diesem wachsenden Online-Verkauf profitieren. Viele haben in ihren Filialen auch plakativ für den Online-Verkauf geworben. Die übrigen Geschäfte ohne Online-Verkauf konnten dagegen – abgesehen von kurzen und regional unterschiedlichen Öffnungsphasen – im Frühjahr nur mit vorheriger Terminvereinbarung verkaufen.

Hoffnung schöpfen die Schuhfachhändler nach den Worten der BDSE-Präsidentin Wischnewski (Foto), nachdem die Branche die Lockerungen im Juni wie einen Befreiungsschlag empfunden haben: „Der Nachholbedarf bei den Kunden war groß, so dass im Juni ein zweistelliges Umsatzplus erzielt werden konnte, was dem Schuhhandel - insbesondere mit Blick auf Liquidität und die Höhe der Warenbestände – die erhoffte Erleichterung verschaffte“. Das eher kühle Wetter in diesem Sommer dürfte dazu beigetragen haben, die Bestände an Frühjahrsware abzubauen.

Im Juli und in der ersten Augusthälfte fiel das Umsatzplus nicht mehr ganz so hoch aus wie im Juni, doch sehen die Handelsunternehmen wieder Licht am Horizont und haben Planungssicherheit, wobei sie dabei vor allem auf die Ankündigungen der Politik vertrauen, dass es im Einzelhandel keinen erneuten Lockdown geben wird. Ob dieses Versprechen eingehalten werden kann, dürfte auch von den Impffortschritten in Deutschland abhängen und dem Verlauf der Pandemie.

Kundenfrequenz noch nicht wie gewünscht

Beim Blick auf die aktuelle Lage konstatiert Wischnewski, dass die Kundenfrequenzen in den Einkaufslagen noch zu wünschen übriglassen – vor allem in den Einkaufszentren und in den großen Metropolen, in denen immer noch die internationalen Touristen und die Messebesucher fehlen, die vor allem für die Schuhfachhändler des höheren Genres von Bedeutung sind. Daran dürfte sich während der Herbst- und Wintermonate aber erstmal wenig ändern. Nach Feststellung des BDSE hängt die Geschäftsentwicklung der einzelnen Schuhhäuser maßgeblich von ihrem Standort, der Lage und dem Geschäftsmodell ab, was sich in den Durchschnittszahlen nicht widerspiegelt. Dadurch werde die aktuelle Situation der einzelnen Händler nur unzureichend wiedergegeben.

Nach den schwierigen Monaten zu Jahresbeginn blickt die Branche laut Verband mit vorsichtigem Optimismus auf die nächsten Wochen. Dabei gibt die Tatsache, dass die Verbraucher nach der Wiedereröffnung der Geschäfte verstärkt stationär einkaufen, so dass die Online-Wachstumsraten abflachen, zusätzlich Hoffnung – auch wenn sich der Online-Marktanteil auf deutlich höheren Niveau einpendeln wird als vor Corona.

Da die Stimmung der Konsumenten und die Kaufkraft gut sind und offenbar auch die Lust auf Mode groß ist, erwartet der Verband in den nächsten Monaten eine positive Geschäftsentwicklung. Denn sowohl die Kaufrate als auch die Einkaufsbeträge sind seit Aufhebung der Zwangsmaßnahmen laut Wischnewski erfreulich gestiegen, was aus ihrer Sicht dafür spricht, dass der stationäre Schuhhandel für viele sehr attraktiv ist. So geht der BDSE davon aus, „dass es den Schuhgeschäften gelingt, einen größeren Teil der in den ersten fünf Monaten erzielten Umsatzverluste bis zum Jahresende wieder auszugleichen und die noch vorhandenen Überläger deutlich abzubauen“.

Wie sehr das Gros der Schuhhändler nach den schwierigen Jahren 2020 und 2021 noch verunsichert ist, wissen die Schuhhersteller zu berichten. Denn die Furcht vor weiteren Zwangsschließungen hat den Fachhandel aus Sicht des Bundesverbands der Schuh- und Lederwarenindustrie (HDSL), veranlasst, sein Odervolumen zu reduzieren. So berichtet knapp die Hälfte der Schuhhersteller in der aktuellen HDS/L Konjunkturumfrage von einer schlechten Auftragslage und einer schlechten Umsatzentwicklung in den vergangenen drei Monaten. Dazu dürfte aber auch beigetragen haben, dass viele Händler noch große Lagerbestände abbauen müssen.

Doch letztlich überwiegt auch bei den Herstellern der Optimismus, denn zwei Drittel gehen davon aus, dass die Umsatzentwicklung im zweiten Halbjahr 2021 besser ist, als im Vorjahreszeitraum – sofern sich die Lage in den nächsten Monaten nicht verschlechtert. Dabei sehen genauso viele auch Chancen im Auslandsgeschäft. Allerdings sind die Risiken, die Corona mit sich bringt, unübersehbar. Dazu gehören für 80% der Befragten die Entwicklung der Rohstoffpreise, für zwei Drittel sind es die Logistik und der Fachkräftemangel.

Mit dem Erreichen des Vor-Corona-Niveaus rechnet die Branche aber frühestens 2022. Im ersten Halbjahr dieses Jahres erzielten die deutschen Schuhhersteller ab 50 Beschäftigten aber bereits ein Umsatzwachstum von 12,5% auf 1,44 Mrd. Euro – nach 1,28 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum.