Lozuka Connect

Lokale Marktplätze profitieren von der Regionalität

Lozuka.Connect bei der IHK in Siegen. Foto: Lozuka

Deutschlands Innenstädte stehen vor großen Herausforderungen. Das gilt vor allem für die Mittel- und Kleinstädte, in denen die Digitalisierung, aber auch die Probleme im inhabergeführten Facheinzelhandel inzwischen deutliche Spuren in Form von Leerstand hinterlassen. In Siegen bietet der lokale Online-Marktplatz den regionalen  Einzelhändlern seit Herbst 2016 deshalb Zugang zum Online-Handel.

Der Kreis Siegen Wittgenstein ist nach den Worten von Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen, ein klassischer Industriestandort mit niedriger Arbeitslosigkeit und wachsender Beschäftigtenzahl, die von 144 000 (2005) auf zuletzt etwa 180 000 gestiegen ist: „Aber im Handel hatten wir epochale Umwälzungen“, konstatiert er mit Blick auf die Veränderungen durch die Digitalisierung. „Wer das Online-Thema nicht aufnimmt, der ist in drei bis fünf Jahren nicht mehr da“, fürchtet er.

Die IHK Siegen hat sich laut Gräbener bereits vor Jahren entschieden, die Umwandlung im heimischen Einzelhandel selbst zu organisieren und finanziell zu unterstützen, statt auf Förderprojekte und Fördergelder zu warten. So wurde der Personalstab für Handelsfragen in der Kammer deutlich verstärkt und das Budget für Strukturprojekte für die nächsten vier Jahre um 2 Mio. Euro aufgestockt. 30% des Budgets fließen in den Einzelhandel.

Im Kern geht es bei den Projekten darum, auf die Einzelhändler, die beim Thema Digitalisierung noch nicht mitmachen, zuzugehen und ihnen kostenlose Hilfestellung zu geben, etwa im Rahmen von Seminaren, damit sie in punkto Online-Verkauf den Anschluss nicht verlieren. Denn der Einzelhandel muss heute auch auf eine digitale Strategie setzen, wenn er mit seinem stationären Geschäft erfolgreich sein will.

Eines der Projekte, das die IHK Siegen mit angestoßen hat, ist der lokale Marktplatz Lozuka (abgeleitet aus: lokal, zuhause, kaufen), der am 3. September 2016 zum Stadtfest in Siegen an den Start gegangen war. Damit wollen die beiden Lozuka-Geschäftsführer Patrick Schulte und Timo Eckel dem Einzelhandel in der Region eine Online-Plattform bieten, „um den großen Spielern Paroli zu bieten“.

Da es für lokale Plattformen damals noch keine Blaupausen gab, war die Startphase, die mit sechs bis sieben Bestellungen am ersten Tag begann, vor allem von Pionierarbeit geprägt. Lozuka Siegen gehört zu den wenigen regionalen Online-Marktplätzen, die es in Deutschland bislang gibt, wobei die beiden Geschäftsführer ausdrücklich auf eine private Finanzierung setzen. Die Zahl der angeschlossenen Einzelhändler liegt bei 30 regionalen Anbietern. Lozuka koordiniert die Bestellungen der Kunden und die Logistik für der Auslieferung.

Verschiedene Händler in einem Korb

Das Besondere an der Siegener Plattform ist, dass die Kunden bei unterschiedlichen Einzelhändlern aus den Branchen Lebensmittel, Spielwaren, Garten-Center, Hundefutter und Stoffe gleichzeitig bestellen können. Die Waren werden von Lozuka bei den Händlern abgeholt und in einem Warenkorb geliefert. Die Lozuka-Mitarbeiter fahren zweimal täglich von den Händlern zu den Kunden. Dabei ist es für Schulte wichtig, dass sich die Fahrerinnen und Fahrer bei der Zustellung auch Zeit für ein kurzes Gespräch nehmen, da sie die Sympathie der stationären Einzelhändler transportieren.

Zu den Erkenntnissen nach drei Jahren Lozuka-Plattform gehört, dass lokale Markplätze auf ihre regionale Ausrichtung bauen können. Denn nach einer Feldstudie auf Grundlage von Expertenbefragungen und der Befragung von weiblichen Verbrauchern in der Altersgruppe zwischen 18 und 40 Jahren, die im Haushalt meist über das Budget und den Einkauf entscheiden, wollen die Menschen bei Lebensmitteln mehr Qualität (99%) und diese wird meist mit Regionalität (78%) in Verbindung gebracht, wie Gritt Wenzel und Julia Frai von der FOM Hochschule in Frankfurt a.M. beim Symposium Lozuka.connect bei der IHK Siegen, aus ihrer Studie berichten.

Weitere Treiber dieses Trends zu regionalen Produkten sind der bessere Geschmack, den man regionalen Erzeugnissen zuschreibt, die kurzen Transportwege, das Thema Nachhaltigkeit und auch die Unterstützung regionaler Erzeuger. Laut Befragung wünschen sich viele Verbraucher deshalb auch eine „verbindliche Kennzeichnung von Regionalität“ - sprich: ein einheitliches Siegel, das diese Regionalität verbürgt. Welche Bedeutung ein solches Siegel für das Gros der Bürger letztlich hat, muss laut Wenzel und Frai aber noch in einer weiteren Untersuchung ermittelt werden.

Dass viele Konsumenten die Regionalität stärken wollen, belegte auch die Befragung der Universität Siegen, die Professor Jörg Niehaves unter der Headline „Trends & Fakten zum digitalen Einzelhandel“ vorstellte. So ergab die dritte Befragung unter den Lozuka-Nutzern, dass 56% der Kunden mit dem Kauf auch die Region stärken wollen. Bei Mehrfach-Käufern liegt der Anteil sogar bei 59%. Dieser Trend wird auch dadurch unterstrichen, dass unter den Lozuka-Händlern vor allem die Spezialanbieter aus dem Lebensmittelsegment gefragt sind.

Lozuka genießt bei den Kunden viel Vertrauen

Zwei Faktoren springen laut Studie damit besonders ins Auge: die Identifikation der Käufer mit dem Siegerland und das Vertrauen, das der Plattform entgegengebracht wird. „Vertrauen ist beim Online-Kauf extrem wichtig“, betont Professor Niehaves. Den Lozuka-Händlern bringen 90% der Käufer Vertrauen entgegen. Und 87% der befragten Kunden wollen auch weiterhin über die Plattform einkaufen. Das Interesse wird auch zweifellos dadurch unterstützt, dass die Nutzung des Marktplatzes als einfach und verständlich gilt. Insgesamt beurteilen die Kunden den lokalen Marktplatz im Kreis Siegen-Wittgenstein als „sicher, bequem, preiswert und auf besonderen Service und persönliche Betreuung ausgerichtet“. Und auch bei Nicht-Kunden gilt Lozuka als sicher.

Marktplatz-Händlerin Martina Konrad, die in ihrem Shop Spice Art Gewürze und individuell zusammen gestellte Gewürzmischungen anbietet, hat durch die Plattform viele Neukunden gewonnen, die kontinuierlich bestellen. Stationär ist sie ansonsten nur mit einem Stand auf dem Kreuztaler Markt vertreten. Auch bei der Metzgerei Binninger sind es Neukunden, die online einkaufen und manche kommen nach geraumer Zeit auch persönlich in den Laden. Um das Online-Geschäft zu erleichtern, bietet die Metzgerei in der Grill-Saison speziell zusammengestellte Produkt-Pakete. Weiter entwickelt haben sich in der Metzgerei auch die Mitarbeiter/innen, die inzwischen alle mit dem digitalen Bestellprozess vertraut sind. Dass Lieferungen wieder zurückgebracht werden, weil die Ware nicht zugestellt werden konnte, kommt laut Lozuka-Mitarbeiterin Paula Böhmer nicht vor.

Neben den Spezialanbietern haben sich auch drei Rewe-Händler dem örtlichen Marktplatz angeschlossen, zwei davon mit Teil-Sortimenten und einer mit dem allgemeinen Angebot. Laut Lozuka-Geschäftsführer Schulte können sich auch Filialisten wie Rossmann oder dm der Plattform anschließen, wenn sie vor Ort einen Markt betreiben.

Dass lokale/regionale Online-Marktplätze heute fest zum Einzelhandel gehören, davon zeigte sich auch Andreas Haderlein, Leiter von Cima Digital, in seinem Vortrag überzeugt. Dabei kann der Experte, der auch beim Aufbau der bekannten Online-City Wuppertal mitgewirkt hat, berichten, dass Deutschland bei der Digitalisierung des inhabergeführten Einzelhandels tatsächlich Vorreiter ist: „Ich habe schon viele Anrufe aus dem Ausland bekommen“, so Haderlein. Mit Blick auf die Tatsache, dass der Einkauf heute meist online vorbereitet und dann anschließend „stationär mit hohem Anspruch an den Service abgeschlossen wird“, ist die Online-Präsenz heute unabdingbar. Vor allem die digitale Produktsuche trägt laut Haderlein massiv zum Wandel beim Konsumverhalten bei.

Online-Marktplätze sind ein fester Bestandteil des Handels

Da die Eröffnung eines Online-Shops nach seiner Erkenntnis aber gleichbedeutend ist mit der Eröffnung einer neuen Filiale, empfiehlt er die weniger aufwendige Teilnahme an einem Online-Marktplatz. Deshalb ist es aus seiner Sicht strategisch wichtig, dass sich mit Lozuka ein regionales Unternehmen um die Siegener Region kümmert. Zumal auch die großen Plattformen internationaler Internet-Player den lokalen Aspekt immer mehr in den Fokus rücken und etwa 25 bis 30% aller Suchanfragen etwa bei Google das lokale Umfeld betreffen. Eine wichtige Voraussetzung für einen lokalen Marktplatz ist aus seiner Sicht ein Online-Präsenz-Check am Anfang jeder Initiative, um vergleichen zu können, wie die Online-Sichtbarkeit im Laufe der Zeit gewachsen ist. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Abbildung der Warenverfügbarkeit.

Unter der Headline: „Handelsstandorte vitalisieren . . .was läuft, was fehlt, was braucht’s“ wies Boris Hedde, Geschäftsführer des IFH Köln darauf hin, dass vieles heute nur aus der Perspektive des Handels gemacht wir. Es sei aber wichtig, die Perspektive der Besucher einzunehmen, die an einer Stadt vor allem das Einzelhandelsangebot und das Ambiente/die Architektur schätzen. Städten, die nicht gerade mit einer attraktiven Altstadt gesegnet sind, empfiehlt er zunächst eine Standortanalyse zu machen, die Besonderheiten herauszuarbeiten und darauf aufbauend ein Konzept zu entwickeln, um mit anderen Magneten wie Gastronomie, Sehenswürdigkeiten oder Events zu punkten. Entscheidend ist dabei immer die Sicht des Kunden.