17. Deutscher Handelsimmobilien Kongress

Jede Mischnutzung muss zum Standort passen

Preisträger der "Store of the Year Awards". Foto: Managementforum

HIR BERLIN.Zu einem bunten Themenmix trafen sich am 29. und 30. Januar Marktteilnehmer und Experten aus Einzelhandel und Immobilienbranche zum 17. Mal auf dem Deutschen Handelsimmobilien-Kongress in Berlin. Im Fokus standen der Wandel bei stationären Traditionsformaten, vor allem aber der Trend zur gemischt genutzten Handelsimmobilie.

Mixed-use – was bei einigen Investoren wegen der hohen Entwicklungskosten und des komplexen Managements der Immobilien oft für Unbehagen sorgt, hat in der Geschichte der europäischen Städte schon eine lange Tradition und war Grundlage der Zentren-Entwicklung, wie Roland Schäfer, Vizepräsident des Deutschen Städte und Gemeindebundes (DStGB), die Zuhörer aufklärte. Um die Marktplätze, Rathäuser und Kirchen der Innenstädte herum entstand ein kleinteiliger Mix aus Handwerk, Handel, Gewerbe, das das rege Treiben urbaner Räume begründete. Die heutigen Monokulturen in vielen modernen Städten, das könnte man daraus folgern, seien daher nicht immer vorteilhaft.

Stellt sich die Frage: wann und wo genau sind Mischimmobilien sinnvoll, und vor allem: für wen? Joachim Stumpf (Foto oben), Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, griff den Faden auf und erklärte aus der Perspektive von Handelsunternehmen, Investoren und Projektentwicklern welche Vorzüge aber auch welche Stolpersteine bei der Weiterentwicklung von Handelsprojekten zu Multi-Use-Objekte lauern können. Demnach seinen Mischimmobilien unter anderem wegen günstiger Kopplungseffekt oft besser an die Handelswelt angepasst als sortenreine Objekte. „Gerade Mischobjekte sind jedoch – je nachdem, welche Mischung man genau wählt – extrem individuell. Standardlösungen sind daher nicht in Sicht und wären auch nicht zu empfehlen. Jede Mischnutzung muss speziell zu ihrem Standort und dem Wettbewerbsumfeld passen“, so der Experte.

Je komplexer die Mischnutzung, so die Erkenntnis, desto mehr Arbeit müsse in die Positionierung gesteckt werden. „Multi-use“ verlange immer auch eine Doppelkompetenz: Zum einen müsse der Wettbewerb am Mikro- und Makrostandort genau betrachtet werden, um herauszufinden, welche Erlebnisse den Menschen bereits woanders geboten werden, und wie man sich selbst hervorheben kann. Zum anderen sei ein stark engagiertes und gut vernetztes Vermietungsteam nötig, da die Entscheidungswege gerade im Handel immer länger, die Bereitschaft der Mieter zu Kompromissen jedoch immer kleiner würden.

Ein Praxisbeispiel dazu lieferten Norbert Wögler, Leiter Projektentwicklung bei der Isaria Wohnbau AG und Lars Jähnichen, Geschäftsführer der IPH Handelsimmobilien mit der Quartiersentwicklung „ZAM“ (bayerische Variante des Worts „zusammen“) in München-Freiham vor. Anwohner und Besucher werden in dem Neubaugebiet vor allem einen offenen urbanen Marktplatz mit Geschäften, Gastronomie- und Freizeitangeboten vorfinden, der dem Leitgedanken des „offenen Einkaufs“ folgt, gleichzeitig aber die gleiche Warenvielfalt und Warenverfügbarkeit wie ein klassisches Shopping-Center bietet.

Multi-Use verlangt immer Doppelkompetenz

Allerdings kommt das „Center“ in einem ungewöhnlichen „Gewand“ daher, und das sieht so aus: Verwaltet wird der Standort zwar zentral wie bei einem klassischen Einkaufszentrum – es wird ein gemeinsames Vermietungs- und Center-Management geben, und auch die Vielfalt des Warenangebots wird vergleichbar sein. Hier hören die meisten Gemeinsamkeiten allerdings auf.

Denn städtebaulich wird sich das „ZAM“ nicht an klassischen Center-Bauweisen, sondern an innerstädtischen Vorbildern orientieren. Genauso wie in gewachsenen Innenstädten üblich, werden in Freiham viele der Geschäfte an Plätzen stehen, die den Anwohnern mit Wasserspielen und viel Gastronomie großzügigen Raum zum Verweilen geben. Zur Offenheit passt auch, dass sich die Geschäfte gleichmäßig auf mehrere Gebäude verteilen und sich nicht unter einem einzigen Dach versammeln. Die Ein- und Ausgänge führen nicht in ein gemeinsames Foyer, sondern ins Freie.

Arkadengänge entlang der hohen zweigeschossigen Außenfassaden – seit der Antike Symbol des freien Handels im römischen Forum beziehungsweise der griechischen Agora – schützen die Menschen nicht nur vor dem Wetter. Sie haben vor allem eine wichtige „Schaufensterfunktion“ für die Mieter und Hersteller, die die Möglichkeit haben, ihre Produkte prominent und gut einsehbar zur Schau zu stellen.

Apropos zur Schau stellen: Zum Abschluss des ersten Kongresstages wurden auch in diesem Jahr wieder die innovativsten Shop-Konzepte in den Kategorien Food, Fashion, Out of Line und anderen Bereichen mit dem „Stores of the year Award“ ausgezeichnet. Die HDE-Auszeichnung für gelungene Ladenkonzepte ging unter anderem an Zott Genusswelt & Outlet in der Kategorie „Food“ an Vaund (Concept Store), Frey Modeerlebnis (Fashion), Möbel Rieger (Home) und der Douglas Flagship-Store Unter den Linden in Berlin (Out of line). Über einen Sonderpreis durfte sich der Bonprix Fashion Connect Store in Hamburg freuen.

Das Modehaus Frey beispielsweise zeigt Sicht der Jury, „wie mit exzellenter Beratung und der bewussten Fokussierung auf den Wohlfühlfaktor auf 8 000 qm Kundenbindung weit über die Grenzen der 18 000 Einwohnerstadt Marktredwitz gelingt.“ Und der Douglas Flagship-Store macht deutlich, wie aus der Digitalisierung im Einzelhandel heute ein echter Mehrwert für die Kunden werden kann. Das reicht hier von Virtual Reality Anwendungen bis zur Douglas Beauty School mit namhaften Make-Up Artists und natürlich Influencern. Auch der ausgezeichnete Bonprix fashion connect Store in Hamburg verbindet digitale Einkaufsgewohnheiten mit den Vorteilen des stationären Einkaufs.