Investmentmarkt Europa 2023

Ist der Boden inzwischen erreicht?

Großbritannien hat sich den Spitzenplatz zurückgeholt. Bild: Fotolia

Das Jahr 2023 war für den europäischen Investmentmarkt für Retail Assets kein leichtes Jahr – auch wenn der Einbruch beim Transaktionsvolumen nicht so stark ausfiel wie beim Gewerbeimmobilienmarkt insgesamt und der Boden beim Investmentmarkt erreicht sein dürfte. Das lässt für 2024 hoffen.

Die hohe Inflationsrate hat das Verbrauchervertrauen 2023 europaweit unter den langjährigen Durchschnitt gedrückt und so die Kaufbereitschaft gedämpft, wie der Immobilienberater Savills in seinem Bericht über den europäischen Einzelhandelsmarkt 2023 schreibt. Die Verbraucher haben bei den täglichen Ausgaben gespart und preisgünstige Anbieter bevorzugt. Vor diesem Hintergrund geht der Immobilienberater auf der Grundlage vorläufiger Zahlen davon aus, dass der Einzelhandelsumsatz in den betrachteten europäischen Ländern 2023 real um -0,1% geschrumpft ist.

Dabei hatte auch der Mode-Handel – vor allem das mittlere Preissegment – unter der Kaufzurückhaltung zu leiden. Dagegen waren das preiswerte Segment und die höherwertigen Luxus-Marken, deren Kunden krisenresilient sind, nicht betroffen. So meldete der Fast-Fashion-Anbieter Primark laut Savills zum Ende des Geschäftsjahres 2022/2023 (30.9.) ein Umsatzplus von 17% und die Inditex-Marke Zara verzeichnete im ersten Halbjahr 2023 gemessen am Vorjahreszeitraum ein Umsatzwachstum von 13%.

Mit Blick auf den robusten europäischen Arbeitsmarkt – die Arbeitslosigkeit dürfte mit 6% laut Savills den niedrigsten Wert seit der Finanzkrise erreicht haben – die wieder zunehmende Frequenz in den Einkaufslagen und die Rückkehr der Touristen in die Metropolen Europas rechnet der Berater in diesem Jahr mit einer Belebung des Geschäfts und einem Umsatzanstieg von 3,7% im europäischen Einzelhandel insgesamt – genauso wie im Mode-Handel.

Das sind günstige Aussichten für die Stabilisierung des Vermietungsmarkts 2024 und damit auch für die Stabilisierung des europäischen Investmentmarkts für Retail Assets. In einem von den aktuellen Unsicherheiten der Preisfindungsphase belasteten europäischen Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien, der nach Feststellung von BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) 2023 im Jahresvergleich mit einem Transaktionsvolumen von 133,2 Mrd. Euro einen Einbruch von 51% erlebte, konnte sich das Handelsimmobilien-Segment mit einem Minus von „nur“ 40% auf 26,2 Mrd. Euro noch recht gut schlagen.

Lediglich das Hotel-Segment mit einem Rückgang von „nur“ 26% auf knapp 12 Mrd. Euro kam noch besser weg. Büros verloren dagegen 59% auf 38,6 Mrd. Euro und Logistikimmobilien 48% auf knapp 32 Mrd. Euro. Den Handelsimmobilien gelang es damit, ihren Anteil am Transaktionsvolumen wieder um vier Prozentpunkte auf 20% zu erhöhen. Diesen Anteil hatte die Asset-Klasse laut BNPPRE zuletzt 2018 erreicht. In besseren Zeiten lag der Anteil sogar bei 25%. Der Blick auf die Zeitreihe zeigt jedoch, dass das vierte Quartal 2023 mit einem Investitionsvolumen von etwas über 5 Mrd. Euro das schwächste Quartal der vergangenen zehn Jahre war. Der Zehn-Jahres-Quartalsschnitt liegt mit etwa 12,5 Mrd. Euro deutlich höher.

Dabei hat Großbritannien – wie sich bereits nach den ersten neun Monaten des Vorjahres sehr deutlich abzeichnete – mit einem Transaktionsvolumen von 6,6 Mrd. Euro wieder den Spitzenplatz in der europäischen Rangliste erobert, vor Deutschland auf Platz zwei mit 5,7 Mrd. Euro, Frankreich mit 3,0 Mrd. Euro und Spanien mit 1,1 Mrd. Euro. Auf „andere“, wozu auch einige skandinavische Länder und Polen gehören, entfielen insgesamt 6,4 Mrd. Euro.

Einige große Transaktionen belebten den Markt in Großbritannien

Mit einem Anteil von 15% am gesamten Transaktionsvolumen des Landes erreichten Retail Assets in Großbritannien laut BNPPRE damit den höchsten Anteil seit 2017. Vor allem einige große Transaktionen im ersten Quartal wie die Übernahme des Sainsburys Reversion Supermarket Portfolio für 627 Mio. £, des Fenwick Stores in der Bond Street in London für 428 Mio. £ und die Übernahme eines Portfolios aus Morrisons-Märkten, das Pimco von M&G erworben hat, trug laut BNPPRE zu dieser Dynamik bei.

In Deutschland lagen Handelsimmobilien mit einem Anteil von 24% fast gleichauf mit Büroimmobilien und Logistik, die jeweils 26% erreichten. In Frankreich erreichten Retail Assets mit 21% den zweithöchsten Anteil am Transaktionsvolumen. Der Blick auf die 15 untersuchten europäischen Länder zeigte beim Transaktionsvolumen einen teilweise deutlichen Abwärtstrend – am deutlichsten mit -81% in Dänemark, mit -76% in Norwegen und mit -71% in Polen. Ausnahmen bilden Portugal mit einem Plus von 141% – allerdings von einem sehr niedrigen Niveau aus kommend auf 600 000 Euro oder Österreich mit einem Plus von 87% auf 700 000 Euro. Auch Belgien (29%), die Tschechische Republik (22%) und Irland (13%) verzeichneten ein Plus, allerdings gleichfalls auf einer sehr niedrigen Basis.

Insgesamt zeigten vor allem die skandinavischen Länder laut BNPPRE sehr deutliche Rückgänge beim Transaktionsvolumen, vor allem weil die Preisfindungsphase hier sehr zäh verläuft und 2023 viele Refinanzierungen zu höheren Zinsen fällig wurden, ein Prozess, der auch 2024 noch anhalten dürfte. Dass auch Spanien mit -74% einen der größten Einbrüche im Investmentmarkt für Handelsimmobilien verzeichnete, lag an dem außerordentlich hohe Transaktionsgeschehen im Jahr 2022.

Das meiste Geld investierten die europäischen Anleger im vergangenen Jahr mit einem Anteil von 49% in Fachmärkte und Fachmarktzentren (Retail Warehousing) auch wenn das Transaktionsvolumen zum Jahresende um 28% unter dem Vorjahreswert lag. Besonders hoch war der Anteil in Deutschland, Großbritannien, Italien und Polen. In Frankreich und Spanien dominierten mit einem kleinen Vorsprung Highstreet-Immobilien. Das liegt laut Savills nicht zuletzt auch daran, dass in den profitabelsten Fachmarktzentren (Retail Parks) Lebensmittelmärkte/Nahversorger als Ankermieter fungieren und am Lebensmittelkauf auch in schwierigen Zeiten kein Weg vorbeiführt und der Online-Handel in diesem Segment kaum Fuß fassen konnte. So sieht der Berater weiterhin Druck auf die Mieten.

Im Zuge der Wertkorrekturen sind die Spitzenrenditen 2023 auch im Segment Retail Warehousing weiter gestiegen. Am höchsten waren sie im dritten Quartal laut BNPPRE in Italien mit 7%, gefolgt von Polen mit 6,5%, Großbritannien und Frankreich mit jeweils 5,75% sowie Spanien mit 5,5% und am niedrigsten in Deutschland mit 4,7%. Hier hatte die Spitzenrendite im vierten Quartal 2022 noch bei 4,2% gelegen. Dabei zeigt der stetige Anstieg der Spitzenrenditen, dass sich – zumindest in einigen Fällen – Verkäufer und Käufer bei ihrer Preisvorstellung annähern. Das niedrige Transaktionsvolumen zeigt indessen, dass sich das Gros der Marktakteure noch nicht bewegt hat.

In vielen Ländern ging es beim Transaktionsvolumen bergab

Mit deutlichem Abstand und einem Anteil von 28% an den Investments folgten im vierten Quartal 2023 innerstädtische Geschäftshäuser. Hier lag das Transaktionsvolumen sogar um 50% unter dem Vorjahresniveau. In diesem Segment erwartet Savills, dass der Leerstand in den europäischen Prime Highstreets sinken wird und die Mieten weiter steigen – vor allem in den Märkten jenseits von Deutschland und den skandinavischen Ländern. Hierzulande waren die Mieten in den Top 10 laut JLL entweder stabil geblieben oder mehr oder weniger stark zurückgegangen.

Wie angesichts der deutlichen Anhebung der Leitzinsen in Europa durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank von England in Großbritannien nicht anders zu erwarten war, sind die Spitzenrenditen für innerstädtische Geschäftshäuser in Europas Metropolen im vergangenen Jahr deutlich gestiegen – am größten war der Anstieg mit 100 Basispunkten laut BNPPRE auf 6% in Warschau. Die höchsten absoluten Werte wurden in Bucharest (8%), in den Baltischen Staaten mit 7,25% sowie im Norden von Großbritannien wie Edinburgh, Leeds und Manchester mit je 7,5% gemessen. London blieb dagegen als einzige europäische Metropole mit 3% stabil.

In Paris ging es um 75 Basispunkte auf 3,75% nach oben, in Berlin um 70 Basispunkte auf 3,70% und in Stockholm um 80 Basispunkte auf 4,95%. München und Madrid verzeichneten mit einem Anstieg um 45 Basispunkte auf 3,45% bzw. um 25 Basispunkte auf 3,75% dagegen schon fast einen moderaten Anstieg.

Shopping-Center bilden das Rücklicht

Mit einem Anteil von 23% und einem Rückgang des Transaktionsvolumens um 55% gegenüber dem vierten Quartal 2022 bildet das Segment Shopping-Center 2023 das Schlusslicht. Savills registriert hier eine Zweiteilung des Marktes, der an vielen Stellen mit Leerstand konfrontiert sei. Auf der einen Seite Prime Objekte, die sich als recht widerstandsfähig erweisen, auf der anderen Seite die Secondary Objekte – also Center in B-Lagen – die mit Problemen zu kämpfen haben. Dabei beobachten die Berater, dass sich die Schere weiter öffnet. Beim Blick in die Zukunft erwarten sie, dass sich die Leerstandsproblematik bei Prime Objekten zunächst noch etwas verstärkt, bevor sich die Lage Ende 2024 verbessern dürfte.

Bei den Centern in B-Lagen könnte die Problematik 2024 fortdauern, wodurch auch die Entwicklung der Mieten negativ beeinflusst wird. Bei Prime Objekten erwarten die Experten im laufenden Jahr bei den Mieten eher eine Seitwärtsbewegung auf niedrigem Niveau, rechnen 2025 aber mit einem Aufwärtstrend. Die Einstellung der Investoren zu guten Objekten in dieser Anlageklasse dürfte sich laut Savills 2024 verbessern, vor allem bei Objekten mit Redevelopment-Bedarf.

Die Preise haben sich in diesem Segment bereits stark angepasst, wie der Blick auf die Spitzenrenditen von Einkaufzentren zeigt. Den höchsten Wert erreichten sie im dritten Quartal laut BNPPRE mit 8,25% in Großbritannien, gefolgt von Italien mit 7,5%, Spanien mit 6,25%, Polen mit 6%, Deutschland mit 5,5% und schließlich Frankreich mit 5,0%. Hier hat sich im vergangenen Jahr bereits viel bewegt.

Beim Blick auf das Jahr 2024 erwarten die Experten von Savills, dass die inzwischen recht hohen Renditen im Segment Retail Assets in Europa und die fortgeschrittenen Preiskorrekturen – vor allem im Vergleich zu anderen Anlage-Klassen – das Interesse der Investoren wecken, wobei widerstandsfähige Anlage-Klassen wie Fachmarktzentren und Supermärkte im Fokus stehen dürften. Bei den Spitzenrenditen erwarten sie eine Stabilisierung und gehen davon aus, dass im Investmentmarkt der Boden erreicht ist, so dass in den nächsten zwölf Monaten mit einer Marktbelebung zu rechnen sein dürfte.