Innenstädte im Wandel

In der City fehlen oft Qualität und Erlebnis

Einkaufsmeile Zeil in Frankfurt. Bild: Fotolia

Mit ihrem Jahrhundertprojekt „Altstadtrekonstruktion“ wollte sich die Stadt Frankfurt am Main wieder ein attraktives Herz erschaffen, die Stadt der Banken, Messen und des Metropolflughafens wollte mit diesem „neuen alten“ Quartier mit Altstadtflair und kleinteiligen Geschäften einen Anziehungspunkt für Touristen bauen. Doch mit der Covid-19-Pandemie blieben die Touristen weg und in der Haupteinkaufsmeile Zeil wächst der Leerstand.

Denn im Rahmen des Insolvenzverfahrens schließt Esprit seine Filiale an der Frankfurter Zeil (Bild: Fotolia) und auch Karstadt Sport sowie die Mode-Marke Zara machen zu. Die angekündigte Schließung der großen Karstadt-Filiale konnte durch eine Einigung zwischen Galeria Karstadt Kaufhof und dem Vermieter des Hauses vorerst abgewendet werden. Zunächst einmal für vier Jahre und vier Monate, wie Michael F. Guntersdorf, Dezernent für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt, berichtet. Da es sich hier um große Häuser handelt, werde man die Objekte in dieser Flächenkonstellation nicht eins zu eins neu vermieten können.

Der Eigentümer des Karstadt-Hauses hat dem Vernehmen nach die Pläne für den Abriss des Karstadt-Gebäudes und den Neubau aber schon in der Schublade liegen, ein Projekt, dass sich nun weiter in die Zukunft verschiebt. Die Lage in Frankfurt am Main stand beim 12. Deutschen Handelsimmobilien-Gipfel in Düsseldorf als Beispiel für die Veränderungen, denen sich die einstmals beliebten und frequentierten Innenstadt-Lagen der großen Städte derzeit gegenüber sehen.

Wie Guntersdorf im Gespräch mit der Geschäftsführerin der Heuer Dialog GmbH und Moderatorin, Barbara Rütter, berichtete, hatte der Planungsdezernent der Stadt schon vor der Corona-Krise wichtige Spieler wie Architekten, Stadtplaner und andere Akteure der Stadt zum Round Table Gespräch geladen, weil den Beteiligten schon länger klar war, dass sich die Lage der Einkaufsstraße verschlechtern könnte. In diesem Prozess der Veränderung sieht der Dezernent die Stadt aber nicht als Impulsgeber. Die Impulse müssten von der Wirtschaft kommen: „Ich bin kein Freund von politischer Einmischung.“

Seit der Warenhausbetreiber Galeria Karstadt Kaufhof bedingt durch den Shutdown im Rahmen der Pandemie in die Insolvenz ging und im Rahmen des Sanierungsprogramms eine lange Liste mit Schließungen vorgelegt hat und auch andere namhafte Großbetriebe des Einzelhandels Filialen zumachen, diskutieren Experten darüber, wie der Wandel in Deutschlands Einkaufsstraßen aussehen könnte und welche Handelskonzepte oder Nutzungsarten die Lücken schließen könnten.

Mehr Wohnungen lösen das Problem nicht

Aus Sicht von Guntersdorf sind die Innenstädte aber nicht dadurch zu retten, dass man mehr Wohnungen baut, wie immer wieder in die Diskussion geworfen wird. Das Pendel dürfe hier nicht zu sehr in die andere Richtung schlagen. Zumal der Bau von Wohnungen in innerstädtischen Kerngebieten nicht zulässig ist. Aus seiner Sicht wurde es in Deutschland beim Wiederaufbau nach dem Krieg versäumt, die Städte nach südeuropäischem Vorbild mit einer kleinteiligen Nutzungsmischung aufzubauen.

Stattdessen gibt es hier viele große Geschäfte, die einen großen Warenberg vor sich herschieben. Es fehle die Qualität und das Erlebnis in der City, beklagt Guntersdorf. Gemäß den veränderten Konsumgewohnheiten müsse der Handel heute neu gedacht werden. Es werde andere Formen von Läden geben, ist er sich sicher.

Nachdem der alte Händlergrundsatz „Warendruck erzeugt Umsatz“ – sprich: viel Ware auf der Fläche bedeutet auch viel Umsatz – nicht mehr gilt, wie Norman Lang, Geschäftsführer der Juno Fashion GmbH, betont, befassten sich auch die Diskussionsrunden mit der Frage, wie attraktive Innenstädte und erfolgreiche Einzelhandelskonzepte, die den Geschmack vieler Konsumenten treffen, heute aussehen könnten.

Dabei stehen die Immobilieneigentümer in dieser schwierigen Zeit vor dem Problem, dass die Mieten nach unten gehen, während die Baukosten für die Umstrukturierung der Gebäude hoch sind, wie Jörg Wege, Head of Strategic Development M & A bei der MEC Centermanagement in der Diskussionsrunde unter Moderation von Johannes Grooterhorst, Rechtsanwalt bei Eversheds Sutherland (Germany) LLP zu bedenken gibt. Das macht den Wandel für die Eigentümer nicht leichter.

Einig waren sich die Teilnehmer, dass Büros in der Innenstadt zweifellos eine größere Rolle spielen werden und auch andere Nutzungen wie Kunst, Kultur, Kinos oder Café-Konzepte für junge Leute, die sich nach den Worten von Martin Bressam, CEO der Brick Spaces GmbH, von den heutigen Innenstädten mit immer den gleichen Geschäften nicht mehr angezogen fühlen. „Das Stadtbild muss sich ändern“, ist er überzeugt und

schließt in diese Forderung auch neue Konzepte mit ein. Laut Jörn Wege sind auch attraktive öffentliche Plätze für die jungen Menschen wichtig.

Dabei räumte Stephan Jung, Inhaber der InoventiQ Group, der lange auch auf Investoren-Seite gearbeitet hat, auch mit Blick auf Shopping-Center ein, dass Investoren in der Vergangenheit das Thema „Erlebnis“ immer sehr kritisch gesehen haben. Erst seit die alten Konzepte nicht mehr funktionieren, dürfte sich die Einstellung ändern. Aus Sicht von Jung muss viel mehr ausprobiert werden. „Wir müssen auch den Mut haben, mehr Risiko einzugehen“, mahnt er. Aus seiner Sicht müssen die Städte heute gemanagt und nicht nur verwaltet werden.

Zu den Mutigen, die mit einem ganz neuen Konzept an den Markt gegangen sind, gehört auch Martin Bressam mit seinem Full Service Retail Konzept, das sich als „größter Marktplatz für Pop-up-Stores“ sieht und Markenanbietern Flächen mit allem „drum und dran“ vermittelt. Die Markenanbieter liefern die Ware, die Bressam gegen Provision verkauft. Ziel ist es, künftigen Händlern zu helfen, sich mit einem stationären Geschäft in der Stadt zu präsentieren.

Mehr Mut zum Risiko

Julian Franke und Norman Lang, beide mit langjährigen Erfahrung im traditionellen Mode-Geschäft, haben vor drei Jahren die Full-Service Fashion Agentur Juno Fashion GmbH mit dem Ziel gegründet, Influencern dabei zu helfen, ihre eigenen Marken auf den Markt zu bringen. Sie bieten von der Beratung über das Design und die Kollektionsidee, Produktion und Qualitäts-Kontrolle, Import, Logistik, den Online-Shop und das Marketing alles aus einer Hand. Der Verkauf erfolgt zwar überwiegend online, um die Reichweite zu erhöhen, ist aber auch der Verkauf in stationären Geschäften geplant. Dabei kann sich Lang vorstellen, dass aus solchen Marken mittelfristig Händlermarken werden, die sich in den Innenstädten ansiedeln.

Unter der Headline „Der Handel ist wieder im Geschäft - Erlebe Wigner“ präsentierte Ellen Wigner, Mitglied der Geschäftsleitung des Department Stores „erlebe wigner!“ ihr Konzept. Dabei ist der Name Programm, denn das Unternehmen will mit seinem breiten Angebot aus Handel, Gastronomie, Veranstaltungen und ausgefallenen Events - alles aus einer Hand - alle Sinne der Kunden ansprechen und – was heute nicht leicht ist - drei Generationen gleichermaßen erreichen. Mit Blick auf die junge Internet-Generation achtet Wigner beispielsweise darauf, dass das Essen „instagramable“ ist, also via Foto verschickt werden kann.

Des Weiteren gibt es Fashion-Abende für Frauen und Männer, Workshops über Schuhpflege oder zum Basteln und Kunst mit Niveau. Laut Wigner ist es wichtig, mit den Kunden in Interaktion zu treten. Dafür werden auch die Mitarbeiter seit Jahren systematisch trainiert. „Für uns bietet das Erlebnis den Rahmen für den Verkauf“, erläutert Wigner das Konzept für die „Gäste“, mit dem der Department Store seit Jahren sehr erfolgreich ist.