Investmentmarkt Europa

Harte Bremsspuren nach einem Superstart

Shopping-Center konnten deutlich zulegen. Foto: DES

Der sorgenvolle Blick, mit dem die europäischen Investoren zur Jahresmitte 2022 auf die weitere Entwicklung des Investmentmarkts für Handelsimmobilien blickten, war berechtigt. Nach einem fulminanten Start im ersten Halbjahr, in dem es Retail Assets gelang, besser zu performen als alle anderen Segmente, zeigte die steigende Inflation in der zweiten Jahreshälfte mit ihrer negativen Wirkung auf die Kaufkraft der Bevölkerung auch Spuren beim Transaktionsvolumen.

So registrierte der Immobilienberater BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) in seinem Report über den europäischen Handelsimmobilien-Markt beim Transaktionsvolumen im vierten Quartal 2022 – gegenüber dem Vorjahresquartal – einen Einbruch von 42%. Dabei war die Branche zunächst sehr gut ins Jahr 2022 gestartet, nachdem die Restriktionen zur Pandemie-Bekämpfung europaweit immer weiter gelockert wurden und wieder mehr Besucher aus dem In- und Ausland in die Innenstädte zurückkehrten. In den ersten fünf Monaten stieg die Zahl der internationalen Touristen laut UN World Tourism Organization um 350%.

In diesem Umfeld erhöhte sich das Transaktionsvolumen im europäischen Markt für Retail Assets in der ersten Jahreshälfte um 23% auf 19,7 Mrd. Euro. Das waren sogar 10% mehr als im ersten Halbjahr 2019. Dagegen verzeichneten die europäischen Büromärkte im ersten Halbjahr beim Transaktionsvolumen ein Minus von 20%, die Logistikbranche von 19% und die Hotelbranche von 11%. So erhöhte sich der Anteil der Retail Assets am europäischen Transaktionsvolumen mit Gewerbeimmobilien auf 16%, nach 14% im Jahr 2021.

Erste Schwächetendenzen im Investmentmarkt zeigten sich im dritten Quartal, als deutlich wurde, dass die hohe Inflation gekommen war, um zu bleiben und die Europäische Zentralbank (EZB) seit Juli die Leitzinsen kontinuierlich weiter anhebt und die Inflationsbekämpfung zum obersten Ziel erklärt hat. Nach dem schwachen vierten Quartal summierte sich das Transaktionsvolumen mit Retail Assets 2022 auf 40,1 Mrd. Euro – was einem Plus von 2,3% entspricht – und blieb damit über dem Wert von 39 Mrd. Euro 2021 und gleichauf mit dem Volumen von 2020. Auf Geschäftshäuser entfielen dabei 13,634 Mrd. Euro (34%), auf Shopping-Center 11,228 Mrd. Euro (28%) und auf Fachmarktzentren 15,238 Mrd. Euro (38%).

Das Investmentjahr 2022 wurde nach Feststellung von BNP Paribas Real Estate geprägt von einem „Inflationsschock“ und einem „Anleihe-Crash“. Viele Marken kämpften mit steigenden Kosten und der Notwendigkeit, die Preise zur Sicherung ihrer Margen zu erhöhen, was in einem wettbewerbsintensiven Umfeld zur Herausforderung wird. Marken aus dem „konsumigen“ Bereich wie ZARA, Uniqlo oder Mango gelang es, die Preise um durchschnittlich 8% zu erhöhen.

Viele Marken kämpfen mit steigenden Kosten

Dass der europäische Einzelhandel die Inflationswelle und die geopolitischen Verwerfungen relativ gut überstanden hat, führt BNPPRE vor allem auf die starke Erholung des internationalen Tourismus und die Rückkehr der meisten Konsumenten in die europäischen Städte zurück. Laut Report erhöhte sich die Frequenz gegenüber 2021 in der Kaufinger Straße in München um 65%, in den Champs Elysées in Paris um 67%, in der Kölner Schildergasse um 52%, in der Regent Street in London um 12%, in der Via del Corso in Rom um 36%, in der Kalverstraat in Amsterdam um 56% und in der Avenida Del Portal del Angel in Barcelona um 29%. Nur in der Corso Vittorio Emanuele Secondo in Mailand stieg die Frequenz um 1%. Marken wie ZARA, Fast Retailing und SMCP berichteten entsprechend über eine solide Umsatzentwicklung.

Dieser Schub bei der Frequenz half den Unternehmen ihre Umsätze zu stabilisieren und bei ihren Expansionsplänen sowie dem Roll out von Stores – vor allem den Discountern, die vom Kaufkraftverlust durch die Inflation profitieren. Allerdings: Bei der Frequenz bleibt gegenüber 2019 noch Luft nach oben.

Auf der anderen Seite bleiben die Luxuseinkaufslagen attraktiv, weil sich Luxusmarken auch in diesem schwierigen Umfeld gut behaupten können. Denn ihre kaufkraftstarke Kundschaft ist nicht so Preissensibel wie die Durchschnitts-Konsumenten. Die Inflation könnte sogar die Attraktivität von Luxus-Gütern steigern, weil sie deren exklusives Image befördert.

Mit einem Transaktionsvolumen von 9,4 Mrd. Euro und einem Plus von 7% gegenüber dem Vorjahreswert führte der deutsche Investmentmarkt für Handelsimmobilien die europäische Rangliste auch 2022 wieder an. Ins Auge springt dabei, dass hier der Shopping-Center Markt durch die Beteiligung des Finanzinvestors Oaktree Capital und der Cura Vermögensverwaltung der Familie Otto an der Deutschen Euroshop AG wieder an Bedeutung gewonnen hat. Der Anteil am Transaktionsvolumen erhöhte sich auf 28% - nach 7% im Jahr 2021.

Den zweiten Platz konnte der britische Markt mit 6,2 Mrd. Euro knapp behaupten, nachdem das Transaktionsvolumen gegenüber 2021 um fast ein Drittel (-31%) zurückgegangen ist. Hier zeigten der scharfe Anstieg der Zinsen im zweiten Halbjahr, die politischen Unruhen um Premierminister Boris Johnson und die Wahl seines Nachfolgers sowie das herausfordernde Umfeld für den Einzelhandel deutliche Spuren. Allein im vierten Quartal brach das Transaktionsvolumen laut BNPPRE um 74% ein.

Deutlicher Rückgang auf dem britischen Markt

Dagegen konnte Frankreich seinen dritten Platz mit einem Investitionsvolumen von 5,6 Mrd. Euro und einem Plus von 76% souverän verteidigen. Deals mit einem Volumen von mehr als 100 Mio. Euro machten mehr als 50% des Investitionsvolumens aus. Der spanische Markt verzeichnete mit einem Plus von 222% auf 4,3 Mrd. Euro sogar noch mehr Dynamik. Zu dem Erfolg trugen laut Report einige große Shopping-Center-Deals und der Verkauf von Bankfilialen bei. Damit konnte Spanien seinen dritten Platz in der Liste behaupten.

Auf den weiteren Plätzen folgen Dänemark mit 2,0 Mrd. Euro, Schweden mit 1,9 Mrd. Euro, Norwegen mit 1,7 Mrd. Euro, Polen mit 1,4 Mrd. Euro und die Niederlande mit 1,2 Mrd. Euro. Dass sich die Spitzenrenditen bei europäischen Retail Assets nicht so stark nach oben bewegt haben wie in den anderen Asset-Klassen, begründen die Experten damit, dass die Branche von der Covid-19-Pandemie stärker beeinträchtigt war als andere und bereits 2020/2021 der Druck auf die Preise groß war.

Gleichwohl haben sich in allen europäischen Ländern – gemessen am ersten Halbjahr 2022 – die Spitzenrenditen weiter nach oben, aber auch nach unten, bewegt. Bei Geschäftshäusern stiegen sie in Italien auf 3,8%, in Frankreich und Spanien auf 3,5% und in Deutschland auf 3,0% – nach 2,80% im ersten Halbjahr. In Großbritannien gaben sie dagegen von 3,25% auf 3,0% nach.

Deutlicher nach oben ging es bei Shopping-Centern. In Großbritannien stiegen die Spitzenrenditen angesichts des schwierigen Umfelds für den Einzelhandel auf 8%, nach 7,5% im ersten Halbjahr. In Italien erhöhten sich die Renditen von 6,0 auf 6,5% und in Spanien lagen sie bei 5,5%, während sie in Polen mit 5% konstant blieben. In Deutschland erhöhten sie sich von 4,7 auf 4,9%, in Frankreich von 4,20 auf 4,75%.

 Erstmals benennt der Immobilienberater auch die Renditen für Fachmarktobjekte und Fachmarktzentren. Auch hier liegt Großbritannien mit 5,75% am oberen Ende vor Spanien und Polen mit jeweils 5,55% sowie Frankreich mit 5,25% und Deutschland mit 4,20% am unteren Ende. Fachmarktimmobilien spielen im deutschen Investmentmarkt für Retail Assets eine besondere Rolle, nicht zuletzt, weil das Filialnetz großer Lebensmittelhändler hier weltweit am dichtesten gespannt ist.

Spitzenrenditen weiter gestiegen

In ihrem Ausblick für 2023 gehen die Experten davon aus, dass die Inflationsrate in Europa, die zuletzt bei 8,5% lag, erst zum Jahresende sinken wird. Sie rechnen in der Folge aber auch mit einer hartnäckigen Kerninflationsrate – also einer Teuerungsrate ohne Lebensmittel- und Energiepreise – im Jahr 2023 und auch noch 2024. Das würde bedeuten, dass die EZB an ihrer straffen Geldpolitik festhalten dürfte.

Mit Blick auf die sinkende Kaufkraft als Folge der hohen Inflation erwarten die Experten auch, dass der Einzelhandelsumsatz in Europa 2023 sinken könnte. Das gilt aus ihrer Sicht vor allem für das Mittelpreis-Segment, das weder von den günstigen Preisen der Discounter profitieren kann, noch von der konjunkturresistenten Nachfrage der Luxus-Kunden. Den Handelsmarken im Mittelfeld empfehlen sie deshalb, die Kosten im Griff zu behalten und sich mit kreativen Konzepten zu profilieren.

Mit dem Abklingen der Inflation Ende 2023 könnten sich auch die Konsumausgaben wieder erholen. Beim Online-Handel erwartet BNPPRE, dass er nach dem Corona-Boom zu seinen früheren Wachstumsraten zurückkehren wird, sein Anteil in allen Branchen aber noch zunehmen werde Lediglich in den nordeuropäischen Ländern seien inzwischen niedrigere Wachstumsraten zu beobachten, was auf das Erreichen einer Marktsättigung hindeuten könnte.

An den Luxuslagen wird die Inflation aber auch nicht spurlos vorbei gehen. Da die Mieten an die Teuerung gekoppelt sind, könnten die Händler auf Dauer Probleme bekommen, die Mieten aufzubringen, so dass sie Druck machen, flexible Mietverträge abzuschließen. Von Einigungen über Mietsenkungen hat der Immobilienberater in der Oxford Street in London, den Champs-Elysées in Paris, der Kalverstraat in Amsterdam und der Kärntner Straße in Wien gehört. Im konsumigen Marktsegment waren die Mieten 2022 um 2% gesunken und im Luxussegment um 4% gestiegen.