Online-Handel

Händler mit stationärer DNA holen auf

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rv DÜSSELDORF. Der Online-Handel hat 2020 und 2021 von den Beschränkungen im stationären Einzelhandel fraglos profitiert und Rekordwerte eingefahren. Der starke Umsatzeinbruch im stationären Modehandel gegenüber 2019 verdeutlicht die Folgen anschaulich. Umso stärker fällt ins Gewicht, dass die Online-Anbieter mit stationärer DNA laut Online Monitor im Jahr 2021 mindestens ebenso stark gewachsen sind, wie die Online-Marktplätze. Das belegt, wie wichtig eine Multi- respektive eine Omnichannel-Strategie heute ist.

Das zeigt auch der Blick auf die Zahlen des Online Monitors 2022, den das IFH Köln im Auftrag des Handelsverbands Deutschland (HDE) erstellt hat. So ermittelten die Experten für den Online-Handel 2021 ein Umsatzplus von 19,1% auf 13,9 Mrd. Euro – nach 23% oder 13,6 Mrd. Euro im Jahr 2020. Der gesamte Online-Umsatz stieg damit auf 86,7 Mrd. Euro (2021) und der Online-Anteil am gesamten deutschen Einzelhandelsumsatz erreicht 14,7%. In den beiden Corona-Jahren zusammen erzielte der Online-Handel ein Umsatzplus von 27,5 Mrd. Euro.

Im Kontrast dazu verzeichnete der stationäre Einzelhandel mit Mode und Accessoires in den beiden Corona-Jahren – gemessen an 2019 – ein Umsatzminus von 31,9%. Die Online-Anbieter konnten in dieser Zeit ein Plus von 37,3% erzielen. Per Saldo blieb für die Branche laut Monitor aber immer noch ein Umsatzminus von 11,1%, da die Bundesbürger ganz offenbar Käufe nicht nur ins Internet verlagert haben, sondern auch weniger Bekleidung gebraucht und gekauft haben als noch im Jahr 2019 ohne Corona-Beschränkungen.

In diesem schwierigen Umfeld konnten die Anbieter mitstationärer DNA laut Online Monitor ein Wachstum von 25,1% erzielen, eine Rate, von der der stationäre Einzelhandel derzeit nur träumen kann. Zumal nach den Worten des stellvertretenden HDE-Hauptgeschäftsführers Stephan Tromp der „Online-Vertrieb“ der Wachstumstreiber für den gesamten Einzelhandel bleiben wird. Das zeigt, wie wichtig die Verbindung der beiden Vertriebswege beispielsweise im stationären Mode- und Accessoires-Bereich ist, da der Online-Anteil hier inzwischen einen Wert von 46,5% erreicht.

„Viele große und mittlere Anbieter mit stationärer DNA haben in den vergangenen Jahren ein Fundament für Onlineexpansion gelegt“, heißt es deshalb im Online-Monitor auch mit Blick auf die steigende Bedeutung von Click & Collect: „So holen die Anbieter mit stationärer DNA gegenüber Anbietern mit Online DNA immer weiter auf und wachsen genauso stark wie die Marktplätze“, heißt es weiter.

Dabei spielen die (großen) Online-Marktplätze, die laut Studie inzwischen einen Anteil von 46% am Online-Handel erreichen, für diese Akteure inzwischen eine größere Rolle als die eigenen Online-Shops. Denn deren Anteil ist von 77% im Jahr 2010 auf 60% im vergangenen Jahr gesunken. Den größten Anteil am Online-Umsatz erreicht mit 54% (Marktplatz und Eigenhandel) hierzulande aber immer noch der US-Riese Amazon, der seinen Marktanteil – zweifellos befördert durch die Pandemie – weiter ausbauen konnte.

Das Online-Wachstum könnte sich 2022 abschwächen

Für das laufende Jahr, das unter der Ampel-Koalition bislang weniger von Pandemie-Restriktionen geprägt war als 2020/21, erwartet der HDE allerdings eine Abschwächung des Online-Wachstums auf 12,4% oder 10,7 Mrd. Euro. Der Einbruch bei der Verbraucherstimmung dürfte auch am Online-Handel nicht spurlos vorbeigehen.

Dass die Online-Anbieter mit stationärer DNA zu den reinen Online-Anbietern (Pure Player) aufrücken, zeigt der Blick auf die Entwicklung zwischen 2013 und 2021. Vor acht Jahren lag der Anteil der Pure Player am Online-Handel bei 36,7% und die Multichannel-Anbieter erreichten 30,1%. Im Vorjahr lag der Anteil der Stationären bei 35,4% – nach 33,8% im Jahr 2020 – und der der reinen Online-Händler bei 37,5% – nach 38,5% im Jahr 2020.

Der große Sprung zwischen 2013 und 2020/21 zeigt, wie stark die Stationären ihr Online-Geschäft unter Pandemie-Bedingungen forciert haben. Und dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Dies zeigt aber auch, wie wichtig die staatliche Unterstützung für den mittelständischen Facheinzelhandel beim Ausbau seiner Online-Strategie ist, damit sich die Betriebe am Markt behaupten können. Denn deren Anteil am Online-Handel ist immer noch relativ gering, wie weiter unten gezeigt wird. Der Anteil der Einzelhändler mit Versand DNA ist in diesem Zeitraum von 23,2% auf 17,5% gesunken.

Wie stark sich die Anbieter mit stationärer DNA inzwischen am Markt behaupten können, zeigt auch der Blick auf die einzelnen Branchen: „Diese konnten in ausnahmslos allen Branchen Anteile hinzugewinnen“, heißt es im Online-Monitor, „am deutlichsten bei Wohnen & Einrichten“. Im wichtigen Handel mit Mode und Accessoires erreichen die Stationären im Vorjahr einen Umsatzanteil von 27,1%, während die Online Pure Player mit 28,6% nicht weit darüber lagen. Mit einem Anteil von 29% spielen in dieser Branche auch die Anbieter mit Versand DNA eine maßgebliche Rolle. Und auch die Hersteller haben laut Monitor ihren Online-Anteil auf 15,3% ausgebaut.

Während die Stationären bei Schmuck und Uhren mit einem Anteil von 17,5% - gegenüber den 55,3% der Pure Player – eine eher untergeordnete Rolle spielen, haben sie in den meisten anderen Branchen beim Online-Handel eine beachtliche Stellung erreicht. So liegt der Anteil der Anbieter mit stationärer DNA bei Consumer Electronic/Elektro, in dem der Online-Handel traditionell eine sehr starke Rolle spielte, mit 34,7% nicht allzu weit unter dem Anteil der Pure Player mit 37,6% entfernt. Das zeigt, wie sehr die stationären Unternehmen in dieser Branche Marktanteile zurückgewonnen haben. Ein namhaftes Beispiel dafür ist Media Markt Saturn.

Stationäre haben in vielen Branchen eine beachtliche Stellung

Am höchsten ist der Online-Anteil der Stationären mit 63,7% im Bereich Gesundheit & Wellness, gegenüber den 27,4% der Pure Player. Auch im Bereich Heimwerken & Garten liegen sie mit 45,2% vor den Online-Händlern (35,9%), genauso wie bei Wohnen & Einrichten mit 37,3% gegenüber 23,6%. Hier spielen auch die Versender mit 34% eine maßgebliche Rolle.

Und dass die großen Lebensmittelkonzerne sich im Online-Geschäft nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, zeigt ihr Anteil von 44,7% gegenüber 35,3%. Und letztlich wird die Rentabilität in diesem Bereich die Zukunft des Online-Lebensmittelhandels entscheiden. Mit Abflauen der Pandemie könnte das Interesse am Online-Kauf hier sinken. Dominant sind die Pure Player dagegen im Segment Freizeit & Hobby mit 61,3% gegenüber 26,7%. Auch bei Büro & Schreibwaren liegen die reinen Online-Händler mit 38,7% über den Stationären mit 33,2%.

In diesem Umfeld liegt der Onlineanteil des mittelständischen Facheinzelhandels laut Online-Monitor „immer noch deutlich unter dem Onlineanteil der jeweiligen Branche“. Im Bereich Mode & Accessoires liegt er bei 11,7% und bei CE/Elektro sind es 9,9%. Bei Freizeit & Hobby erreicht der Mittelstand mit 16,6% immerhin den höchsten Anteil. In den anderen Branchen liegen die Anteile zwischen 2,8% (Heimwerken & Garten) und 4,8% (Wohnen & Einrichten). „Dennoch holt der Fachhandel mittlerweile online stark auf“, heißt es im Online-Monitor, „insbesondere im Bereich Wohnen & Einrichten“.