Nachhaltigkeit im Handel

Großer Nachholbedarf in der Mode-Branche

Alnatura kann mit seinem Konzept überzeugen. Foto: Alnatura

HIR DÜSSELDORF.Dass es ohne Digitalisierung nicht geht, haben die Zwangsschließungen zur Pandemie-Bekämpfung den Handelsunternehmen deutlich vor Augen geführt. Das wachsende Umweltbewusstsein bei vielen Bundesbürgern ist eine weitere Herausforderung, der sich die Handelsunternehmen in Zukunft stellen müssen, wie die aktuelle Studie des IFH Köln „Nachhaltigkeit in der amazonisierten Welt“ zeigt. Das Megathema hat aus Sicht der Experten das Potenzial, den Einzelhandel ein weiteres Mal extrem zu fordern.

Gemäß der Untersuchung des IFH Köln haben im Jahr 2020 knapp 80% der Konsumenten bewusst auf etwas verzichtet. Dabei war der praktizierte nachhaltige Lebensstil für 43% der ausschlaggebende Grund für den Verzicht. Das gilt vor allem für Frauen, die sich aus Gründen der Nachhaltigkeit oder aus Umweltschutzgründen weniger gegönnt haben. Und noch eine Zahl zeigt, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen in der Bevölkerung steigt und deshalb vom Einzelhandel ernst genommen werden muss: 49% der Befragten geben an, dass ihnen Nachhaltigkeit beim Kauf von Kleidung wichtig ist.

Dabei sieht Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung beim IFH Köln auch beim Thema Nachhaltigkeit die Corona-Pandemie als Treiber: „Konsumentinnen und Konsumenten agieren vermehrt mit neuem Bewusstsein und hinterfragen zunehmend ihre Konsumentscheidungen. Noch sind diese Veränderungen im Konsumverhalten wenig spürbar, es gilt für Unternehmen aber jetzt, die Weichen für die Zukunft zu stellen, um nicht von der Nachhaltigkeitswelle überrollt zu werden“, wie die Expertin plakativ darlegt.

Dabei zeigt der CSR-Index (Corporate Social Resposibility Index) des IFH in den verschiedenen Branchen des Einzelhandels bislang ein sehr heterogenes Bild. Während die Spannbweite bei Lebensmitteln sehr groß ist, die Profilierung der Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit also sehr weit auseinanderliegt, gibt es beispielsweise bei den Unternehmen der Do-it-Yourself-Branche (Bau- und Heimwerkermärkte) kaum Profilierungsunterschiede. Für den CSR-Index des IFH Köln haben die Befragten die Unternehmen in Bezug auf sechs Dimensionen bewertet.

Dabei zeigte sich, dass sich in den Branchen Consumer Electronic/Elektro sowie Bau- und Heimwerkermärkte offenbar kein Wettbewerber in punkto CSR-Engagement profilieren konnte. Bei der Bewertung der Händler aus dem Lebensmittelhandel zeigten sich dagegen starke Unterschiede. So liegt der Kategorie-Sieger Alnatura, der branchenübergreifend mit 71 Punkten am besten bewertet wurde, laut Studie um 25 Indexpunkte über dem schlechtesten Wert der Lebensmittelbranche.

Auch im Modebereich trennen den Top-Performer und den Nachzügler 27 Punkte. Laut IFH-Studie erreicht die Branche Fashion & Accessoires jedoch insgesamt den schlechtesten Branchenschnitt aller bewerteten Kategorien. Dies ist aus Sicht der Experten deshalb erstaunlich, weil das Thema Secondhand-Ware im Modebereich doch das Bedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten nach einem bewussteren Konsum von Kleidung widerspiegelt.

Treiber dieses Secondhand-Booms ist nah Erkenntnis der Experten neben dem be-wussteren Konsum auch die Digitalisierung. Denn mithilfe verschiedener Apps und Services wird der Handel mit gebrauchter Kleidung mehr und mehr zum relevanten Umsatzfaktor. Angetrieben wird das Secondhand-Geschäft zwar von jungen Konsu-mentinnen und Konsumenten, doch erreichen digitale Angebote auch zunehmend ältere Zielgruppen. So werden beispielsweise Concierge Services der Fashionplattformen von den über 50-Jährigen, die auf diesem Wege ihre gebrauchte Bekleidung anbieten, besonders geschätzt.

Wie der Mitautor der IFH-Studie, Jonas Groten, weiß, wird „nachhaltiger Konsum vor allem durch jüngere Zielgruppen getrieben, die die Themen zum Beispiel über ihr Essverhalten und bestimmte Anforderungen an Geschenke und Anschaffungen ins Bewusstsein rücken“. Doch mit einfachen digitalen Lösungen für den Kauf und Verkauf von Gebrauchtware würden die Hürden auch bei älteren Kunden weiter abgebaut.