Zinspolitik in Europa

Experten sehen Gefahr der Blasenbildung

Welche Richtung schlägt die EZB bei der Zinspolitik ein. Foto: EZB

rv DÜSSELDORF. Obwohl die Inflationsrate in Deutschland mit 4,5% und in der Euro-Zone mit 4,1% zuletzt viel Druck auf die Europäische Zentralbank ausgeübt hat, über eine Straffung der Geldpolitik nachzudenken, hat die Notenbank ihre Entscheidung auf den Dezember vertagt. Mit Blick auf die Auswirkungen der Zinspolitik auf die Immobilienmärkte stellt sich für Investoren die Frage, womit sie in der nächsten Zeit rechnen müssen. Zumal sich der Immobilienzyklus in Deutschland in einer fortgeschrittenen Phase befindet und die Sorge vor Blasenbildung wächst.

Für viele Anleger bleibt deshalb erst einmal viel Kaffeesatzleserei, weil wahrscheinlich erst im nächsten Sommer klar sein wird, welche Richtung die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Geldpolitik einschlagen wird. Denn zunächst einmal haben sich die Geldpolitiker mehrheitlich auf die Einschätzung festgelegt, dass die hohe Inflation auf vorübergehenden Effekten beruht. Klarheit dürfte es erst Mitte 2022 geben. Denn das ganze Ausmaß der Pandemie auf die weltweiten Liefer- und Wertschöpfungsketten werden erst in der nächsten Zeit sichtbar werden.

Mit der Frage, wie die Investoren die aktuelle Lage auf dem Immobilienmarkt und an der Zinsfront einschätzen, befasste sich deshalb der Spezialist für Immobilieninvestment und Fondsmanagement Catella Real Estate AG in der jüngsten „Catella Asset-Allokation Studie 2021: Ergebnisse, Analysen und Handlungsempfehlungen für strategische und zukünftige Immobilieninvestments“, in der 250 Immobilienexperten von Banken, Pensionskassen und Investment Managern befragt wurden. Dabei wird die Quintessenz so zusammengefasst: Die Immobilienexperten seien überzeugt, dass die Zinsanhebung im Euroraum komme oder nicht komme.

Diese Unschlüssigkeit passt zu der Einschätzung, dass die EZB mit Blick auf die überschuldeten Euro-Staaten eine Straffung der Geldpolitik so weit wie möglich hinaus zögern wird. Einig waren sich die Experten laut Umfrage aber in der Einschätzung, dass die Immobilienpreise weiter steigen werden. Der Anlagedruck bleibt hoch.

Konkret herrscht laut Catella beim Thema Zinsanhebung in Europa sogar große Uneinigkeit. Während knapp ein Drittel (30,86%) mit einer Anhebung der Zinsen in den nächsten 36 Monaten rechnen, gehen gut 22% nicht von einer Zinswende aus. Gut 18% erwarten in den nächsten 24 Monaten eine Anhebung und 28% erst innerhalb der nächsten 48 Monate oder nach 48 Monaten höhere Zinsen.

Große Einigkeit herrscht dagegen bei den befragten Immobilienexperten, wenn es um die Gefahr einer Blasenbildung geht. Knapp die Hälfte (48%) „sehen bereits jetzt eine Gefahr der Blasenbildung der eigenen Investments“, heißt es in der Studie. Und die Mehrheit (55%) rechnet generell in den nächsten fünf Jahren mit einer Blasenbildung.

Des Weiteren nehmen die Befragten inzwischen auch „ein leicht erhöhtes Inflationsrisiko“ wahr und laut Studie lässt sich grundsätzlich festhalten, dass in den nächsten fünf Jahren sämtliche dargestellten Risiken höher eingestuft werden als zum jetzigen Zeitpunkt. Da nicht zuletzt auf Grund der lockeren Geldpolitik, die darauf abzielt, die Zinsen für Staatanleihen niedrig zu halten, an der Investition in Immobilien kein Weg vorbeiführt, wollen laut Studie 42,5% der Befragten beziehungsweise 36% in den nächsten fünf Jahren „mehr oder viel mehr in die Segmente Wohnen und Logistik investieren“.

Dass das Interesse an Investments in Büroimmobilien im Gegenzug dagegen zurückgeht, dürfte daran liegen, dass nach den guten Erfahrungen mit Homeoffice in der Phase der Pandemiebekämpfung eine höhere Homeofficequote erwartet wird, so dass mit einem Sinken des Büroflächenbedarfs gerechnet wird.

In diesem Zielkonflikt zwischen einer wachsenden Blasengefahr einerseits und dem immensen Anlagedruck anderseits, kommt Professor Thomas Beyerle, Head of Research bei der Catella Group, zu dem Schluss, dass Investments mit Fokus auf ESG und Nachhaltigkeit in Zukunft stark an Bedeutung gewinnen werden. Allerdings würden die angestrebten Ziele in diesem Bereich umfangreiche Investitionen erfordern.

Mit Blick auf die Fokussierung vieler Anleger auf das Segment Logistikimmobilien, die derzeit stark vom wachsenden eCommerce profitieren, rät die Studie in ihren Handlungsempfehlungen, dass es wichtig ist, weitsichtig und langfristig zu agieren: „Angesichts der aktuellen Preisentwicklungen und eines zunehmenden Neubauangebots werden die langfristigen Aussichten für Logistikflächen in Korridorlagen weniger günstig ausfallen, wohingegen Last-Mile-Logistik-Flächen weiterhin attraktiv bleiben.“

Insgesamt wird das Interesse der Kapitalsammelstellen an Immobilien aber bestehen bleiben: „Auch mit Blick auf die generelle Zinslandschaft, gehen wir zunächst von Vorzieheffekten aus, bei einem sich potenziell veränderten Zinsniveau“, heißt es in der Studie weiter. Die relevantesten Risikogewichtungen sind „Core- und Core Plus Immobilien“. Und in den nächsten drei bis fünf Jahren würden die Investoren eine ähnliche Investitionsstrategie mit einer leichten Erhöhung der Core-Plus-Anteile planen.