RICS Nachhaltigkeitsbericht

Es bleibt noch viel Potenzial ungenutzt

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rv DÜSSELDORF. Das Interesse der Investoren an grünen Gebäuden ist zuletzt vor allem in Europa deutlich gestiegen. Die aktuelle Krise auf dem Energiemarkt unterstützt diesen Trend zusätzlich. Wie sich der Status quo im Jahr 2022 beim Thema Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft darstellt, dokumentiert der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht der RICS (Royal Institution of Chartered Surveyors), der seit 2021 jährlich erscheint.

Dabei zeigt sich, dass dem zunehmenden Interesse der Bau- und Immobilienbranche, die beim Erreichen der Klimaziele eine entscheidende Rolle spielt, viel Unsicherheit und noch viele Hindernisse entgegenstehen. So lautet das zusammenfassende Statement von Susanne Eickermann-Riepe (FRICS), Vorstandsvorsitzende der RICS in Deutschland, dass in einigen Bereichen der Immobilienwirtschaft Fortschritte bei der Nachhaltigkeit zu verzeichnen sind, doch müssten sich das Tempo und die Verbreitung noch  stark beschleunigen.

Das zeigt auch der Blick auf die jüngste Umfrage  unter etwa 4 000 Immobilienexperten weltweit und 2 000 aus Europa. Demnach lag das Interesse der Befragten, bei ihrem Portfolio bis zum Jahr 2050 „Klimaneutralität“ zu erreichen, immerhin bei 50%. Wird der Zeithorizont auf „langfristig“ verkürzt, sinkt der Anteil auf etwa 35%, bei einem „mittelfristigen“ Zeitrahmen sind es nur noch 20% und „kurzfristig“ peilen nur noch knapp 10% das Ziel an.

Dabei ist es laut Eickermann-Riepe dringend erforderlich, Strategien zur Reduzierung von CO2 weiterzuentwickeln und zu etablieren, um die klimagefährdenden Auswirkungen durch die gebaute Umwelt zu reduzieren. Jenseits von Absichtserklärungen müsse gehandelt werden. Vor allem bei den Bestandsgebäuden ist der Fortschritt noch gering. Die Probleme fangen laut RICS-Nachhaltigkeitsbericht schon damit an, dass 42% der Befragten sowohl in Europa als auch in Deutschland angaben, dass die Kohlenstoffemissionen von Projekten nicht einmal gemessen werden.

Auf der anderen Seite registriert die Mehrheit (73%) der Befragten in Europa bei Investoren einen Anstieg der Klimarisikobewertungen für ihre Objekte, wobei der Anteil in Deutschland mit 79% sogar noch höher liegt. Klimafragen könnten das Verhalten der wichtigsten Marktteilnehmer beeinflussen, so die Furcht, so dass die Angst, dass sich mangelnde Nachhaltigkeit auf Miete und Preis auswirken, steigt. Die RICS-Umfrage zeigt denn auch, dass die Hälfte der Befragten europaweit niedrigere Mieten und Verkaufspreise bei nicht nachhaltigen Gebäuden verzeichnet.

Im Einzelnen stellten 58% der Befragten bei den Gebäuden, die nicht als grün oder nachhaltig eingestuft werden, laut RICS-Umfrage einen Mietrückgang fest, und 61% registrierten auch einen Rückgang der Verkaufspreise. In Deutschland berichteten 57% der Umfrageteilnehmer von einem „braunen Mietrabatt“ und 60% von einem Abschlag für nicht-nachhaltige Immobilien.

Bei dieser Entwicklung ist Europa im weltweiten Vergleich sogar führend, denn global

haben nur 45% der Befragten bei den Mieten und 47% bei den Verkaufspreisen eine Senkung registriert. Hier dürfte die EU Taxonomie Verordnung, die auf eine Neuausrichtung der Kapitalströme zu nachhaltigen Investitionen abzielt, zweifellos ihre Wirkung entfaltet haben.

Die Branche muss die Standards auch einsetzen

Im Bauwesen wird laut RICS-Nachhaltigkeitsbericht inzwischen damit begonnen, bei Bauprojekten digitale Werkzeuge und Technologien für Nachhaltigkeitsanalysen einzusetzen – vor allem, um den Energiebedarf und die Kosten zu bewerten. Dagegen werden diese digitalen Werkzeuge noch zu wenig eingesetzt, um bei den Bauprojekten den gebundenen Kohlenstoff zu reduzieren oder deren Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu messen. Immerhin gaben 42% der Befragten in Europa und Deutschland an, dass sie bei weniger als der Hälfte oder gar keinem ihrer Projekte digitale Werkzeuge und Verfahren zur Durchführung von Nachhaltigkeitsanalysen einsetzen.

Bei der wichtigen Frage, welche Hindernisse der Verringerung von Kohlenstoffemissionen entgegenstehen, nannte das Gros (54%) „das Fehlen etablierter und verwendeter Normen, Leitlinien und Instrumente“. Außerdem wurden noch die hohen Kosten bzw. die geringe Verfügbarkeit von kohlenstoffarmen Produkten (Europa: 39% und Deutschland: 47%) genannt.

Das Fehlen von etablierten Standards, Leitlinien und Instrumenten als Hemmnis mag RICS-Deutschland-Chefin Eickermann-Riepe allerdings nicht als tragendes Argument akzeptieren: Hier müsse offen gesagt werden, „dass die Branche die vorhandenen Instrumente und Standards auch einsetzen muss, und dass sie die Kohlenstoffbewertung und das Kohlenstoffmanagement zu einem integralen Bestandteil der Geschäftspraxis machen sollte“.

Dabei rät sie der Branche, enger zusammenzuarbeiten, um neben den Cost of Capital und den Cost of Construction auch einen guten Überblick und Entscheidungsgrundlagen für die Cost of Carbon zu gewinnen. Als wichtiges Beispiel führt sie die Arbeit an, die die RICS zusammen mit Partnern wie der ICMS-Koalition (International Construction Management Standards) bei der Entwicklung eines Standards leistet, der Kosten- und Kohlenstoffberichterstattung kombiniert.