Galeria Karstadt Kaufhof im Schutzschirmverfahren

Eine Strategie mit vielen Unbekannten

Neues Konzept bei Galeria in Frankfurt. Foto: Galeria

Im Herbst 2020 war die Zuversicht noch groß, dass nach Abschluss des Insolvenzverfahrens, massivem Forderungsverzicht der Gläubiger, Nachverhandlungen über die Mieten und der Schließung von etwa 40 Filialen für Galeria Karstadt Kaufhof der Weg in eine sicherere Zukunft geebnet sei. Noch Anfang 2022 war generell die Hoffnung greifbar, dass es dem Nonfood-Einzelhandel mit der kontinuierlichen Überwindung der Corona-Beschränkungen gelingt, zur Normalität zurückzukehren und den 2020 und 2021 verlorenen Umsatz wieder wettzumachen.

Zwar war auch schon während der Pandemie klar, dass die Unterbrechung der Lieferketten beispielsweise durch Zwangsschließungen und die Erkenntnis in Europa, dass wichtige Produkte – wie etwa Medikamente – und Vorprodukte in der Region nicht mehr verfügbar sind, doch haben die Unterbrechungen durch den Ukraine-Krieg diese Störungen der globalen Lieferketten nochmals verstärkt und den Inflationsdruck erhöht. Der Eindruck, dass die zuvor wie geschmiert laufende „Just-in-time“-Produktion und Just-in-time-Lieferung mit ihren preisgünstigen Produkten auf unabsehbare Zeit vorbei ist, dürfte sich immer weiter verfestigen und die Produktionsstrukturen auch hierzulande verändern.

Mit der Rückkehr der Inflation verändern sich zweifellos auch die Rahmenbedingungen für den deutschen Einzelhandel, der mit Blick auf die besonders sparsamen Bundesbürger bei seiner Verkaufsstrategie schon immer bevorzugt auf den „niedrigen Preis“ gesetzt hat.

Dass ein Unternehmen wie Galeria Karstadt Kaufhof, das schon vorher mit erheblichen Strukturproblemen zu kämpfen hatte, angesichts der bevorstehenden Umwälzungen schnell wieder aus dem Tritt kommen kann, weil die Reserven fehlen, liegt auf der Hand. Allerdings stellt sich schon die Frage, was aus den beiden Krediten von zusammen 680 Mio. Euro vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF)und dem Zuschuss des Eigners Signa-Gruppe geworden ist, die der Warenhausbetreiber zwischen 2020 und Anfang 2022 erhalten hat.

Ein großes Problem ist in vielen Karstadt- und Kaufhof-Warenhäusern zweifellos der Modernisierungsstau. Denn inzwischen ist für viele Kunden das Umfeld in der Stadt und das Flair in den Verkaufsräumen fast genauso wichtig wie die Ware selbst. Der Vergleich normaler Warenhäuser mit dem modernen Ambiente der Kaufhof-Filiale in Düsseldorf an der Königsallee, die dem früheren Eigentümer Hudson’s Bay Company als Pilotprojekt diente, zeigt, wie viel Luft hier noch nach oben ist. Der Vergleich zeigt aber auch, wie groß offenbar der finanzielle Bedarf ist, denn bislang sind nur das Erd- und das Untergeschoss umgebaut, auf die Vollendung der Modernisierung im ganzen Haus auf diesem Niveau hat Signa verzichtet.

Die Aufwertung der Filialen nimmt auch dem immer wieder gern angeführten Argument, durch die Corona-Pandemie sei die Frequenz dauerhaft unter das Niveau von 2019 gesunken und die Kunden kauften stattdessen im Online-Shop ein, den Wind aus dem Segeln. Denn zum einen ist die These vom dauerhaften Frequenzrückgang noch nicht abschließend belegt- überall in Europa kehren die Innenstadt-Besucher zurück – zum andern ist entscheidend, wie viele Menschen ein Warenhaus aufsuchen und Geld ausgeben. Auch die höchste Frequenz hilft nicht, wenn die Kunden nicht ins Warenhaus gehen.

Günstige Umsatzentwicklung in den ersten neun Monaten

Dass die Lage der Warenhäuser in diesem Jahr in punkto Umsatz auf jeden Fall besser ist als 2021, zeigt der Blick auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. So hat der „Sonstige Einzelhandel mit Waren verschiedener Art“, wozu auch die Waren- und Kaufhäuser zählen, den Umsatz im September gegenüber dem Vorjahresmonat nominal um 12,5% und real um 4,0% gesteigert. In den ersten neun Monaten dieses Jahres lagen die Erlöse nominal um 27,2% und real um 20,2% über dem Niveau des Vorjahreszeitraums.

Und auch das Argument, seit der Pandemie hätten sich viele Käufe vom stationären in den Online-Handel verlagert, stimmt nicht. Denn während der Internet- und Versandhandel, der laut HDE 2021 einen Umsatz von 86,7 Mrd. Euro erzielte, von Januar bis September einen Umsatzrückgang von nominal -4,0% und real von -8,3% verzeichnete, legte der Einzelhandel in Verkaufsräumen in diesem Zeitraum nominal um 11,4% und real um 3,7% zu. 2021 erzielte der stationäre Einzelhandel einen Umsatz von 501,1 Mrd. Euro.

Das deutet nicht darauf hin, dass die im stationären Einzelhandel während der Pandemie zunächst verlorenen Umsätze dauerhaft ins Internet verlagert werden. Das Interesse der Konsumenten an Einkaufsstraßen bleibt hoch. Und wenn – wie allenthalben auch in den Kommunen diskutiert – vermehrt in die Gestaltung des öffentlichen Raums investiert wird, dürfte das auch die Frequenz wieder beleben. Denn nach einer Umfrage des IFH Köln gibt es eine beachtliche Gruppe von „verhinderten Innenstadtfans“, die eigentlich gerne öfter in die Cities gehen würden, die sich aber an vielen Dingen stören. So wünschen viele mehr Grün, mehr Nachhaltigkeit und mehr Raum für Erholung und Entspannung – Aufenthaltsqualität.

Seit die Zwangsschließungen zur Pandemiebekämpfung endgültig offenbart haben, dass das Leben in den meisten deutschen Innenstädten allein von den Besuchern des Einzelhandels bestimmt wird, läuft eine nachhaltige Diskussion über die geeigneten Maßnahmen zur Belebung der Stadtzentren, so dass diese für alle da sind. Neben der Gestaltung des öffentlichen Raums wird vermehrt darüber nachgedacht, noch mehr Nutzungen in den Innenstädten anzusiedeln. Hinzu kommen gezielte Aktionen der Kommunen, um den Leerstand zu beseitigen.

Neue Nutzer unter dem Warenhaus-Dach?

Da viele Kaufhof- und vor allem Karstadt-Häuser inzwischen für das Einzelhandelsangebot zu groß sind, könnte die Umwidmung von Flächen oder von Etagen in Büros eine Möglichkeit sein, die einzelnen Standorte nachhaltig zu sichern. Denn städtebaulich sind die noch verbliebenen 131 Warenhäuser mit ihren prominenten innerstädtischen Standorten sehr wichtig für die Einkaufslagen. Auf eine stärkere Nutzungsmischung setzt auch der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz, der die Sanierung von Galeria Karstadt Kaufhof im Schutzschirmverfahren – wie schon 2020 – begleitet. Eine attraktive Nachfolgenutzung wird auch für die etwa 40 von der Schließung bedrohten Warenhäuser unabdingbar sein, um negative Folgen für die betroffenen Einkaufsstraßen zu vermeiden.

Über die Unternehmensstrategie von Galeria und ihre Tragfähigkeit für die Zukunft lässt sich wenig sagen, da das Unternehmen mit Informationen sehr sparsam ist. Pilotprojekte sind die Galeria-Filiale in Frankfurt an der Hauptwache, in Kassel und Kleve (Foto: Galeria) die für drei verschiedene Städtekategorien stehen und die im Oktober 2021 wiedereröffnet wurden. Dazu finden sich einige wenige Informationen auf der Homepage. Mögliche Erfolge des Konzepts werden nicht öffentlich kommuniziert, so dass sich die breite Öffentlichkeit kein Bild von der Zukunftsstrategie des Unternehmens machen kann. Eine Erfolgsstrategie ist diese dürftige Kommunikation nicht – schon gar nicht in Krisenzeiten. Vor allem ist sie unprofessionell.