Online-Handel

Die übermächtige Dominanz von Amazon

HIR DÜSSELDORF. Seit sich die Bundesbürger Pandemie-bedingt mehr oder weniger in häuslicher Askese üben mussten, hat der Online-Handel in Deutschland noch mehr zugelegt als zuvor. Davon profitieren zunehmend auch Mittelständler, die ihre Chance nutzen müssen – vor allem aber der US-Riese Amazon wächst überdurchschnittlich. Das verdankt er gemäß der Studie „Amazon - Zahlen, Daten und Fakten“ des IFH Köln seiner Bekanntheit beim Gros der Online-Käufer.

Dabei gilt nach Feststellung des IFH Köln, dass fast jeder, der im Internet einkauft (rund 94%), auch beim Internet-Giganten Amazon, der am 5. Juli 1994 gegründet wurde, Ware bestellt. Vor allem die Prime-Mitglieder sind besonders treu: Sie stehen in Deutschland für 70% des Amazon-Umsatzes. Aus diesem Kundenkreis geltem mehr als ein Drittel als „Heavy-Amazon-Shopper“, die für mindestens die Hälfte ihrer Einkäufe im Internet die Onlineplattform von Amazon aus Seattle nutzen.

Für die Studie Amazon - Zahlen, Fakten und Daten wurden umfangreiche Marktdaten des IFH sowie Amazon-Kaufhistorien ausgewertet. Darüber hinaus wurden in der Zeit von Juli 2020 bis März dieses Jahres in Online-Befragungen mehr als 6 000 Online-Nutzer im Alter zwischen 14 und 69 Jahren befragt.

„Dass Amazon in der Krise voll durchstarten konnte, liegt vor allem an dem guten Fundament des Geschäfts, das im Krisenmodus gut skaliert werden konnte“, begründet Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung am IFH in Köln und Amazon-Kennerin, den Erfolg: „Wenn über Jahre in eine funktionierende Basis investiert wurde, braucht es nur wenige Stellschrauben.“

Unter dem Strich hat der erste Shutdown im Jahr 2020, der von Mitte März bis – je nach Branche und Flächengröße – in den Mai hinein dauerte, den Online-Umsatz laut IFH hierzulande um 14,9 Mrd. Euro auf 84,7 Mrd. Euro steigen lassen. Zum Vergleich: In den fünf Jahren zuvor lag der jährliche Zuwachs nur bei durchschnittlich 5,6 Mrd. Euro. Der Anteil des Online-Verkaufs am gesamten deutschen Einzelhandelsumsatz erreichte damit 12,8% - am höchsten war er mit 39,8% im Bereich Mode.

Von diesem Umsatzzuwachs von knapp 15 Mrd. Euro im Online-Geschäft des Vorjahres entfielen stattliche 11,7 Mrd. Euro auf den US-Internet-Giganten – statt 3,7 Mrd. Euro jährlich im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Das Unternehmen wuchs laut IFH damit um 36%, der deutsche Online-Handel insgesamt legte um 21,6% zu. Vom hiesigen „Online-Kuchen“ des Jahres 2020 sicherte sich Amazon durch seinen Eigenhandel und durch seinen Marktplatz damit 45,3 Mrd. Euro.

„Doch Amazon prägt nicht nur den Online-Handel in Deutschland maßgeblich“, schreibt das IFH Köln in seiner Analyse: „Bereits jeder zehnte umgesetzte Euro im gesamten Nonfood-Handel wandert in die digitale Ladenkasse von Amazon.“ Des Weiteren werde ein Viertel der hiesigen Umsätze im Nonfood-Einzelhandel über Informationsrecherchen oder Preisvergleiche durch Amazon beeinflusst.

Die Konkurrenz muss sich was einfallen lassen

Der Blick auf die Details zeige, wie stark Amazon die einzelnen Branchen schon durchdringe, schreibt das Institut weiter. Im Bereich Consumer Electronic und Elektro sind demnach weniger als 30% der Erlöse von Amazon unabhängig. Im Segment Wohnen & Einrichten sind zwar erst 7% der Umsätze unabhängig von Amazon, doch würden weitere 28% von Amazon beeinflusst.

Bei dieser Dominanz des Internet-Riesen im deutschen Online-Handel stellt sich für die hiesigen Einzelhändler – auch für die Größen im Internet-Handel – die Frage, wie darauf zu reagieren ist. „Der Amazon-Reifegrad der einzelnen Nonfood-Branchen nimmt weiterhin zu“, schreibt IFH-ECommerce-Experte Hansjürgen Heinick beim Blick in die Zukunft: „In fast allen Bereichen hat der Umsatz von Amazon oder der beeinflusste Umsatz ordentlich zugelegt.“ Für Einzelhändler heißt das aus seiner Sicht vor allem, dass sie für den Umgang mit dem dominierenden Internet-Riesen „dringend eine Strategie“ benötigen.

Daran wird auch die Tatsache nichts ändern, dass Firmen-Gründer Jeff Bezos den Chef-Posten bei dem Online-Riesen Anfang Juli geräumt und an seinen Nachfolger übergeben hat.