Was junge Menschen von den Cities wollen

Die richtige Mischung macht‘s

Eine grüne Oase in der Stadt. Foto: BL Group

Viele Untersuchungen zeigen, dass vor allem ältere Konsumenten den Innenstädten treu geblieben sind – nicht zuletzt, weil sie es gewohnt und nicht so Internet-affin sind wie die jüngeren Generationen. Nun zeigt eine Umfrage zum HDE Standortmonitor „Wie kaufen junge Menschen ein“, dass sich der größte Teil der 16- bis 29-Jährigen in den Innenstädten sehr wohl fühlt und gerne auch immer wieder kommt. Aber in punkto Aufenthaltsqualität gibt es aus ihrer Sicht noch Luft nach oben.

Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, wertet dieses Umfrageergebnis als Beleg dafür, dass der oft vermutete Bedeutungsverlust der Stadtzentren nicht so akut ist, wie immer wieder befürchtet wird, auch wenn die digitaleren jüngeren Generationen vor allem „lebendige Innenstädte zu schätzen wissen“. Nach der Umfrage für den HDE-Standortmonitor sind 95% aller Befragten mindestens einmal im Monat in der Innenstadt, die Hälfte sogar täglich und 41% mehrmals die Woche. Meist kommen sie mit dem ÖPNV, mit dem Fahrrad, dem Roller, dem Skateboard oder zu Fuß in die Stadtzentren. Denn mehr als die Hälfte der Befragten wohnt direkt in der Innenstadt oder im angrenzenden Vorstadtbereich, 23% wohnen bis zu 10 km von der Innenstadt entfernt.

In diesem Kontext weist Genth darauf hin, dass auch für die jüngeren Leute (88%) vor allem das Einzelhandelsangebot, das in vielen allgemeinen Umfragen immer wieder als Hauptgrund für den Besuch der Innenstädte genannt wird, sowie die Gastronomie entscheidend für die Attraktivität einer Innenstadt ist. Fast genau so bedeutend (87%) sind für die jungen Leute aber auch die Aufenthaltsbereiche, Grünflächen, eine gute Anbindung und Sauberkeit der Stadt.

Dies lässt sich schon aus den sozialen Gewohnheiten ableiten, denn „junge Shopper“ kommen gemäß dem HDE Standortmonitor in der Regel „mit ihrer Peer Group, also in einer Gruppe mit gleichen Interessen in die Innenstadt, um gemeinsam Freizeit zu verbringen (Socializing)“. So ist das Thema „Freunde treffen und Abhängen“ mit 59% der Nennungen der zweitwichtigste Grund für den Innenstadtbesuch hinter „Einkaufen/Erledigungen“ mit 69%.

Da sind Aufenthaltsbereiche jenseits des konsumtiven Sektors als Treffpunkte besonders wichtig. „In der Innenstadt suchen die jungen Shopper vorrangig Möglichkeiten, sich ohne Konsumdruck aufhalten und entspannen/chillen zu können (grün, sauber, mit Sitzmöglichkeiten, geschützt vor Wetter)“, heißt es dazu im Standortmonitor. Einkaufen sei dabei zwar eine wichtige Freizeitaktivität, aber doch auch eine von vielen. Vor allem für die Altersgruppe der 16- bis 19-Jährigen, die in der Regel noch nicht so viel Geld zur Verfügung haben, ist das Thema „Freunde treffen“ Besuchsgrund Nummer eins. Bei den Über-20-Jährigen rückt dann Einkaufen auf den Spitzenplatz.

Mit Blick auf das geringe Budget der jungen Menschen empfehlen die Forscher, dieser Zielgruppe auch mit erschwinglichen Dienstleistungen wie kostenlosem W-LAN, mit günstigen Produkten und mit erschwinglichen (Gastro-)Angeboten Anlässe zu bieten, in die Stadtzentren zu kommen und sich hier mit Freunden zu treffen. Das präferierte Angebot einer attraktiven Innenstadt reicht laut Standortmonitor von großen Markenshops bis hin zu kleinen, individuellen Läden, arrondiert von Gastronomie und den entsprechenden kulturellen Events.

Erschwingliche Dienstleistungen für junge Menschen

Mit einem Anteil von 61% stellten Frauen die größte Gruppe unter den Befragten dar, was dafür spricht, dass die Affinität von Frauen zum Einkaufen und damit zum Innenstadtbesuch meist größer ist als die von Männern, die 38% der Befragten stellten. Hier gibt es nicht wenige, die das Einkaufen ihren Frauen überlassen. Auf „divers“ entfiel 1%. Der Anteil der Altersgruppen war relativ gleichmäßig verteilt mit 36% aus der Gruppe der 16- bis 19-Jährigen, 32% aus der Gruppe der 20- bis 24-Jährigen und 32% aus der Gruppe der 25- bis 29-Jährigen. Auch die Verteilung auf die Groß- und Mittelstädte war recht gleichmäßig mit jeweils 16 bis 17%.

Interessant ist dabei das Einkaufsverhalten der jungen Leute bei den Nonfood-Sortimenten, denn gerade hier ist die Konkurrenz durch die Online-Shops von großer Relevanz. Immerhin entfallen auf die jungen Shopper etwa 8% aller Nonfood-Ausgaben oder etwa 15,4 Mrd. Euro. Dabei hat diese Zielgruppe im vergangenen Jahr knapp 66 Mal Nonfood-Artikel eingekauft – gemessen an knapp 95 Mal bei allen Haushalten – und gaben im Schnitt pro Jahr 4 091 Euro aus – gegenüber 5 031 Euro im Schnitt aller Haushalte.

Doch während alle Haushalte dabei im Durchschnitt 3 519 Euro im stationären Einzelhandel ausgaben, lag die Durchschnittssumme bei den jungen Haushalten mit 2 435 Euro deutlich niedriger. Interessant ist dabei jedoch, dass sie im Online-Handel mit 2 235 Euro sogar etwas weniger Geld ausgaben als in den stationären Geschäften. Und alle Haushalte bestellten mit durchschnittlich 2 271 Euro sogar etwas mehr als die jungen Leute im Online-Shop. Insgesamt entfallen laut Standortmonitor aber 42% der Ausgaben junger Haushalte auf den Online-Kauf – gegenüber 31% bei allen Haushalten.

Das Smartphone bestimmt das Leben junger Menschen

Dabei fließen etwa 14% der Ausgaben in den stationären Einrichtungshandel, 13% in den sonstigen Einzelhandel, 5% in stationäre Baumärkte und jeweils 8% in den Elektrofachhandel und in den Textilfachhandel sowie 5% in den Lebensmittelhandel. Auffallend ist, dass im Vergleich dazu, alle Haushalte einen spürbar höheren Anteil des Geldes (12%) im stationären Textilfachhandel ausgeben. Das sprich dafür, dass sich der innerstädtische Modehandel nicht nur auf die jungen Leute ausrichten sollte.

Wie sehr das Leben der jungen Altersgruppen vom Smartphone bestimmt wird, ist daran abzulesen, dass sie mit einem Anteil von 9% den weitaus größten Teil ihres Geldes für Smartphones ausgeben. Bei allen Haushalten liegt der Anteil nur bei 3,7%. Mit einem Anteil von 3,2% folgen bei den jungen Haushalten abgeschlagen Ausgaben für Schlafzimmermöbel vor Autozubehör mit 2,2% und sonstigen Elektrogeräten mit 2,0%. Und fast genauso viel (1,9%) wird für Notebooks ausgegeben.

Da die jungen Leute gemessen an der Gesamtbevölkerung laut Standortmonitor seltener stationär einkaufen, muss der Einzelhandel die wenigen Kontakte mit ihnen bestmöglich nutzen – und sich auf ihre Ansprüche einstellen. So geht es den jungen Käufern beim gezielten Einkauf vor allem um Effizienz und Zeitersparnis. Dem kann der Handel begegnen, indem er bei seinen Sortimenten Übersicht bietet, die gewünschte Ware verfügbar ist und der Kunde kurze Wege hat. Dabei ist einigen die Zeitersparnis wichtiger als der Preis und die Verbindung von Online und Offline ist unabdingbar, wenn die Kunden die Ware zuvor online reservieren möchten und persönlich abholen. Andere wünschen sich wiederum ein im Vergleich zum Online-Handel angemessenes Preisniveau.

In den Cities kaufen die jungen Leute in erster Linie (80%) Bekleidung und Schuhe vor Drogerieartikel/Kosmetik (41%), Lebensmittel für den täglichen Bedarf (23%), Sportartikel (20%), Bücher/Schreibwaren/Medien (19%), Geschenkartikel (18%) sowie Technik/Unterhaltungselektronik 17%). Dabei erwarten sie eine Vielfalt unterschiedlicher Geschäfte unterschiedlicher Preisniveaus. Sie reagieren auf eine einladende Präsentation, die Trends und Neuprodukte hervorhebt und auf gezielte Aktionen und Events. Gegebenenfalls wird auch eine gute Beratung erwartet, auch Sitzgelegenheiten im Laden und Gastronomie sowie Toiletten kommen gut an. Und wichtig ist für diese Kundschaft die gute Erreichbarkeit, denn das Gros kommt mit dem ÖPNV, dem Fahrrad/Roller/Skateboard oder zu Fuß.

Bei der innerstädtischen Gastronomie erwarten sie gleichfalls Vielfalt bis hin zu veganen und vegetarischen Gerichten unterschiedlicher Preisklassen und natürlich Außengastronomie im Sommer. Und der öffentliche Raum in den Cities muss aus Sicht der jungen Leute auch größere Parks und Grünflächen als wichtige Rückzugsorte bieten, kostenlose Toiletten, überdachte Sitzmöglichkeiten und ausreichend Mülleimer für die Sauberkeit, aber auch Sportanlagen. Ein junger Mann bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, dass Parks die einzige Möglichkeit sind, sich in einer Stadt zu setzen. Der Rest seien Läden, in denen man etwas kaufen müsse, wenn man sitzen wolle. Und eine junge Frau sieht in der Verbindung von Parks mitten in der Stadt eine Art Win-Win-Situation.

Auch bei der Gastronomie wird Vielfalt erwartet

„Eine ideale Innenstadt sollte eine vielfältige Mischung aus Läden, Freizeitangeboten, Events und Dienstleistungen bieten, um für alle Altersgruppen attraktiv zu sein“, fasst ein 21-jähriger die Wünsche zusammen. Beim Saldo aus Wichtigkeit für eine attraktive Innenstadt und Zufriedenheit der Befragten mit der Innenstadt ergab die Studie, dass vor allem in punkto Sauberkeit noch Verbesserungsbedarf gesehen wird. Die 16- bis 19-Jährigen sehen in punkto kostenfreies W-LAN noch Luft nach oben und teilweise auch beim Angebot an öffentlichen Veranstaltungen. Für die 25- bis 29-Jährigen wären auch mehr kleine, lokale Einzelhändler ein Grund, in die Innenstadt zu kommen.

Das höchste Potenzial, die Menschen zum Besuch der Innenstädte zu bewegen, bieten laut Standortmonitor aber vor allem Events wie Stadtfeste und Kirmes, Streetfood-Festivals, Karneval der Kulturen, Musik-Festivals und Kunstausstellungen im Sommer. Zudem wird empfohlen, im Winter neben den Weihnachtsmärkten noch weitere Angebote zu unterbreiten. Anziehungspunkte sind zudem lokale/regionale Märkte, Mitmach-Angebote/Themenwochen in Einkaufszentren wie etwa eine Modelschule sowie Kinos, Museen und Sportangebote. Auch Straßenkünstler lockern die Atmosphäre auf. Eine junge Frau schwärmt von ihrem Erlebnis auf dem Berliner Kurfürstendamm, als sich spontan viele Menschen zusammengefunden haben, um Musik zu machen und zu tanzen.