Kaufkraft in Deutschland

Die neuen Bundesländer holen auf

HIR DÜSSELDORF. Die Kaufkraft der Deutschen wird nach Schätzung der GfK in diesem Jahr um 2,8% auf durchschnittlich 27 848 Euro pro Kopf steigen. Wie viel den Menschen von dem Kaufkraftgewinn am Ende bleiben wird, hängt davon ab, wie hoch die Inflationsrate 2024 ausfällt. Für Dezember 2023 ermittelte das Statistische Bundesamt für Deutschland zuletzt eine Inflationsrate von 3,7%. Im Februar sank sie nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes auf 2,5%, die Kerninflationsrate blieb dagegen bei 3,4%. Ob in diesem Jahr die angestrebte Inflationsrate von etwa 2% erreicht werden kann, ist ungewiss.

Insgesamt wird sich die Kaufkraftsumme für Deutschland nach der aktuellen GfK Kaufkraftstudie 2024 damit auf 2 349,2 Mrd. Euro summieren. Für jeden einzelnen bedeutet das – im Durchschnitt betrachtet – einen Kaufkraftgewinn von 767 Euro in diesem Jahr. Damit würde nach den Worten von Filip VojtechGfK-Einzelhandelsexperte im Bereich Geomarketing, „der Kaufkraftzugewinn zumindest die aktuell von der Bundesbank prognostizierte Inflation von 2,7% ausgleichen können.“ Allerdings nur, sofern sich die Inflationsrate tatsächlich in dem erwarteten Rahmen bewegen wird.

Denn die Unsicherheit bei den Prognosen ist auf Grund der geopolitischen Risiken sehr hoch und es bleibt aus Sicht des Experten unklar, ob die Konsumneigung der Deutschen so verhalten bleibt und sie wieder mehr Geld sparen, so dass der private Konsum keine Stütze für das Wirtschaftswachstum wäre. Zuletzt ist das GfK-Konsumklima nach einem herben Rückschlag im Januar im Februar wieder leicht gestiegen, blieb mit -29,6 aber tief im negativen Bereich. Konkret umfasst die Kaufkraft laut GfK das nominal verfügbare Nettoeinkommen der Bevölkerung inklusive staatlicher Transferzahlungen wie Renten, Arbeitslosen- und Kindergeld.

Dass sich die Kaufkraft aber nicht gleichmäßig auf die einzelnen Haushalte verteilt und es bundesweit auch sehr große regionale Unterschiede gibt, zeigt der Blick auf die einzelnen Regionen. Daraus ergibt sich laut GfK Kaufkraftstudie, dass die Menschen mit dem höchsten Ausgabepotenzial – wie in den Vorjahren – in Bayern leben. Hier stehen den Bürgern jährlich 30 130 Euro für ihre Ausgaben und zum Sparen zur Verfügung. Das liegt gut 8% über dem Bundesdurchschnitt. Den zweiten Platz verteidigen konnte Baden-Württemberg mit 29 675 Euro. 2023 war das Bundesland an Hamburg vorbeigezogen, das mit 29 657 Euro auf Platz drei steht.

Auch das Bundesland Hessen auf Platz vier weist mit 28 613 Euro eine überdurchschnittliche Kaufkraft aus. Ab Schleswig-Holstein auf Platz fünf mit durchschnittlich 27 686 Euro liegen die Bundesländer unter dem Bundesdurchschnitt. In drei Viertel der Bundesländer ist das Ausgabepotenzial in der landesweiten Betrachtung unterdurchschnittlich, wie GfK berichtet.

Die „rote Laterne“ geht an Bremen

Interessant ist, dass vor allem die neuen Bundesländer die größten Kaufkraftzuwächse verzeichnen, so dass sich laut GfK die Kaufraftschere zwischen Ost und West in Deutschland langsam schließt. Damit ist die „rote Laterne“ des kaufkraftschwächsten Bundeslandes mit 24 702 Euro an Bremen übergegangen. Denn während ThüringenSachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern um jeweils einen Rang aufsteigen, rutscht Bremen um drei Plätze nach hinten. Allerdings muss man auch anmerken, dass der Abstand zum Vorletzten, Mecklenburg-Vorpommern, mit 24 858 Euro nicht sonderlich groß ist. Und auch beim bestplatzierten ostdeutschen Bundesland auf Platz 12, Sachsen, ist mit 25 292 Euro noch viel Luft nach oben zur Spitzengruppe.

Unter den 400 deutschen Stadt- und Landkreisen führt – wie in den Jahren zuvor – der bayerische Landkreis Starnberg die Rangliste mit einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 38 702 Euro an – das sind 39% mehr als der Bundesdurchschnitt. Und es sind 1 157 Euro pro Kopf mehr als die Einwohner des zweitplatzierten Landkreises München mit insgesamt 37 545 Euro. Auf dem dritten Platz findet sich der Stadtkreis München mit 35 867 Euro. Gegenüber dem Landkreis drücken im Stadtkreis München beispielsweise die Studenten die Durchschnittskaufkraft. Neuzugänge gibt es 2024 laut GfK nicht in den Top 10, allerdings gab es Veränderungen in den Platzierungen drei bis neun.

Größter Gewinner in der Rangliste war demnach der Landkreis Erlangen-Höchstadt, der mit einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 33 548 Euro zwei Ränge nach oben auf Platz sieben stieg. Am nächsten am Durchschnittswert liegt der Landkreis Plön mit einem verfügbaren Nettoeinkommen von 27 855 Euro – das sind 7 Euro mehr als der Bundesdurchschnitt. Schlusslicht im Kaufkraftvergleich ist wie in den Vorjahren der Stadtkreis Gelsenkirchen, der mit einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 22 007 Euro exakt 21% unter dem Durchschnittswert liegt.

Metropolen: Hohes Potenzial auf kleinem Raum

Auch wenn die 25 einwohnerstärksten Stadtkreise bereits mehr als 21% der Gesamtkaufkraft Deutschlands auf sich vereinen, erreichen laut GfK dennoch nicht alle Großstädte in Deutschland ein überdurchschnittliches Kaufkraftniveau. Beispiel dafür ist die Bundeshauptstadt Berlin, die bei der Pro-Kopf-Kaufkraft um etwa 5% unter dem deutschen Durchschnitt liegt – immer noch eine Folge der jahrzehntelangen Teilung. Essen und Dresden kommen auf ein ähnliches Niveau. Um gut 9% liegen Leipzig, Dortmund, Mönchengladbach und Bremen unter dem Durchschnitt, während München und Düsseldorf mit knapp 29% beziehungsweise 15% deutlich darüber liegen.

Dass die einwohnerstarken Städte und insbesondere die großen Metropolregionen für Einzelhändler und Dienstleister dennoch unverzichtbare Zielmärkte darstellen, zeigt ein Blick auf die Kaufkraftsummen. Die Kaufkraftdichte, also die verfügbare Kaufkraftsumme in Millionen Euro je Quadratkilometer, ist in den Metropolen München und Berlin am höchsten, gefolgt von Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Nürnberg. Die Kaufkraftdichte ist somit für Unternehmen ein wichtiger Indikator, in welchen Gebieten sie mit einer gezielten Kundenansprache auf kleinstem Raum viel Kaufkraftpotenzial mobilisieren können.