Investmentmarkt Retail

Der Verkaufsdruck nimmt stetig zu

Übernahmeobjekt Phoenix Center Hamburg. Foto: Deutsche Euro Shop AG

Vor 16 Jahren waren Handelsimmobilien im Büroimmobilien-fokussierten Deutschland ein exotisches Nischenthema – und vor allem was für Spezialisten. Heute hat sich die Asset-Klasse als das etabliert, was sie ist: Eine feste Größe im Gewerbeimmobilienmarkt und im Investmentmarkt meist auf Platz zwei hinter Büroimmobilien. Im schwierigen Jahr 2023 ist zwar auch hier die Verunsicherung unter den Investoren spürbar, im Vergleich zu anderen Anlageklassen stehen Handelsimmobilien aber besser da.

Die Trendwende auf dem deutschen Investmentmarkt lässt weiter auf sich warten, überschreibt der Immobiliendienstleister JLL seinen Investmentmarktbericht für das erste Halbjahr mit Blick auf die Tatsache, dass die zu Jahresbeginn aufkeimende Hoffnung auf eine deutliche Belebung in der zweiten Jahreshälfte 2023 erst 2024 in Erfüllung gehen könnte. „Das rapide Zinswachstum und Banken, die bei der Kreditvergabe zurückhaltend agieren, haben den generellen Ask-Bid-Gap bislang kaum verringert“, sagt Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany.

Doch ist aus seiner Sicht unverkennbar, dass der Kapitaldruck auf die Verkäufer wegen der hohen Betriebs- und Refinanzierungskosten stetig steigt. Andererseits seien sich viele Käufer in ihren Planungen inzwischen sicher und angesichts der hohen Finanzierungskosten nicht bereit, zu dem bisherigen hohen Preisniveau zu kaufen. Die angekündigten Pläne der Europäischen Zentralbank (EZB) ihren Zinserhöhungskurs fortzusetzen, ohne dass klar ist, wo sie die Zielmarke setzt, erschweren laut JLL die Preisfindung: „Mit jeder neuen Zinserhöhung steigt der Druck auf die Renditen, weil alternative Anlagen an Attraktivität gewinnen.“

Vor diesem Hintergrund herrscht nach Beobachtung von Jan Schönherr, Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, auch im Markt für Handelsimmobilien Zurückhaltung. Die Investoren warteten auf Evidenz-Transaktionen. Damit erklärt er auch das mit 2,3 Mrd. Euro geringste Halbjahresergebnis auf dem Investmentmarkt für Retail Assets seit der globalen Finanzkrise 2008/2009, als der Markt völlig einbrach. Andere Immobilienberater liegen mit Transaktionsvolumina von 2,6 Mrd. Euro (JLL und BNPPRE) sowie 2,7 Mrd. Euro (Colliers und Savills) etwas höher.

Damit bleiben laut BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) zwar auch Handelsimmobilien um rund 36% unter dem Vorjahresergebnis und um etwa 49% unter dem langjährigen Durchschnitt zurück, doch bedeute das zugleich den geringsten prozentualen Rückgang aller betrachteten Asset-Klassen in Deutschland. Denn die verzeichneten im ersten Halbjahr laut Colliers einen Rückgang um 64%. Das Transaktionsvolumen mit Gewerbeimmobilien im ersten Halbjahr beziffert der Immobilienberater mit 10,1 Mrd. Euro, deutlich unter dem Zehnjahresdurchschnitt für erste Halbjahre von 22,8 Mrd. Euro. Zusammen mit dem Immobilienberater Savills sieht Colliers Retail Assets auch als stärkste Anlageklasse vor Büros, andere wie JLL sehen die Anlage-Klasse auf Platz zwei.

Handelsimmobilien seien derzeit die einzige Sparte in der nennenswerte Marktaktivitäten im Portfoliosegment zu verzeichnen seien, berichtet Christoph Scharf, Geschäftsführer und Head of Retail Services bei der BNPPRE GmbH mit Blick auf die Beteiligungen an Shopping-Centern, Galeria-Warenhäusern und kleineren Portfolios im Lebensmittel-Segment. Diese Anteilsübernahmen machen laut Colliers rund ein Viertel des Transaktionsvolumens aus.

Nennenswerte Marktaktivitäten bei Retail Assets

Dazu gehören die 20%-Beteiligung von Signa an acht Warenhäusern im Offenen Immobilienfonds Haus Invest von der Commerz Real, die Erhöhung der Beteiligung der Deutschen Euroshop AG an den fünf deutschen Einkaufszentren Allee-Center Magdeburg, Forum Wetzlar, Phoenix-Center Hamburg, Saarpark-Center Neunkirchen und Stadt-Galerie Passau sowie die 50%ige Beteiligung der thailändischen Central Group am KaDeWe.

Diesen positiven Trend sieht auch Jörg Krechky, Head of Retail Investment Services Germany bei Savills, wenn er feststellt: „Der Investmentmarkt für Handelsimmobilien präsentiert sich im Vergleich zu anderen Segmenten relativ stabil.“ So sei auch die Preisbildung bei Handelsimmobilien bereits fortgeschritten, was zu erhöhten Transaktionsaktivitäten führe. „Zudem erweist sich das Nahversorgungssegment als robust“, zählt Krechky weiter auf: „Diese Stabilität gepaart mit der steigenden Verkaufsbereitschaft, die wir beobachten, könnte auf ein Retail-Comeback im weiteren Jahresverlauf hindeuten.“

So kommt es auch nicht von Ungefähr, dass der KaDeWe-Deal laut Colliers im ersten Halbjahr 2023 die größte Transaktion im Gewerbeimmobilienmarkt war und vier der sechs Transaktionen mit über 250 Mio. Euro aus dem Einzelhandelsbereich kommen. Laut Scharf ist im Retail-Investmentmarkt derzeit mehr in Bewegung als die Investmentumsätze – sie lagen im zweiten Quartal bei etwa 1 Mrd. Euro – vermuten lassen.

Es sind vor allem die ganz großen Transaktionen, die laut Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland, in der gegenwärtigen Marktlage noch fehlen: „Denn es stellen nicht nur Finanzierungen dieser Größenordnung eine besondere Herausforderung dar, sondern es sind hier vor allem auch Value-Add-Investoren aktiv, deren Preisvorstellungen nicht mit denen der Eigentümer übereinstimmen – zumal sich bisher keine Notverkäufe abzeichnen.“ Lebhafter sei dagegen das Geschäft mit kleineren Volumina in der Größenordnung von 10 Mio. bis 40 Mio. Euro.

Der Blick auf die namhaften Transaktionen zeigt schon, dass sich die Gewichte der Asset-Klassen deutlich verschoben haben. Dominierten die konjunkturresistenten Fachmärkte und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung als stärkste Anlage-Klasse die vergangenen Jahre, führen vor allem die Warenhaus-Beteiligungen dazu, dass innerstädtische Handelsimmobilien diesmal am stärksten vertreten waren. Laut BNPPRE versuchen Investoren mit Blick auf die Schließung zahlreiche Galeria-Filialen die hohe Dynamik im Kaufhaussegment für sich zu nutzen. Die Immobilienberater beziffern hier die Anteile am Gesamtvolumen mit 56% (CBRE), 57% (Colliers) bzw. 42% (Savills) bei einem absoluten Volumen von 1,1 Mrd. Euro. Auf Shopping-Center entfielen laut BNPPRE 14%.

Die Gewichte haben sich verschoben

Damit verminderte sich der Anteil der Fachmärkte und Fachmarktzentren (inkl. Super- und Baumärkte) nach Feststellung von CBRE auf 33%, nachdem ihr Anteil in den Jahren 2022 und 2021 noch bei knapp 50% bzw. 60% gelegen hatte. Ein anderes Bild ergibt sich aber beim Blick auf die Zahl der Transaktionen. Hier entfielen laut Colliers 60% der Deals auf das Segment. Die geringen Einzelvolumina und das Ausbleiben von Paketkäufen führten zu dem geringen Volumenanteil. Laut Savills lag die Zahl der Transaktionen bei Supermärkten nur um 15% unter dem Vorjahreswert und um 22% unter dem 5-Jahres-Mittel.

Wie Ulf Buhlemann, Head of Retail Investment Germany bei Colliers, feststellt, bleiben die Halbjahreszahlen für lebensmittelgeankerte Nahversorgerimmobilien damit zwar hinter den Erwartungen zurück, doch sei grundsätzlich eine aktive Investorennachfrage vorhanden. Nicht ganz einig sind sich die Berater bei der Einschätzung über den Status der Preisfindungsphase. Nach Buhlemanns Festellung liegen die Preisvorstellungen von Eigentümern und Käufern vielfach noch weit auseinander.

Dagegen sieht Savills die Preise trotz der Preisanpassungen und dem Anstieg der Spitzenrenditen um 100 Basispunkte immer noch auf dem Niveau von 2020. Das eröffne den Eigentümern, die früher gekauft haben, die Chance, Verkaufsgewinne zu erzielen. Krechky registrierte zuletzt bei Verkäufen von Nahversorgungsimmobilien eine zweistellige Zahl von Investoren, die Gebote abgegeben haben und schlussfolgert daraus, dass die Preisvorstellungen in diesem Segment wieder zusammengefunden haben. Per Ende Juni erreichten die Spitzenrenditen bei Supermärkten den Wert von 4,5%.

Nach Feststellung von Anne Gimpel, Team Leader Valuation Advisory Services bei CBRE in Deutschland,“ war der deutlichste Anstieg der Nettoanfangsrenditen auf Jahressicht mit 1,35 Prozentpunkten bei reinen Fachmärkten und mit 1,1 Prozentpunkten bei Lebensmittelmärkten auf 4,6% zu verzeichnen. BNPPRE ermittelte für Fachmarktzentren eine Spitzenrendite von 4,6%. Bei Geschäftshäusern sind die Renditen nach Feststellung von Savills von 3,7% bis 4,1% leicht auf 3,8% bis 4,2% gestiegen. Allerdings räumt der Berater auch ein, dass es in diesen Segmenten noch nicht genügend Transaktionen gab, um belastbare Renditewerte auszuweisen.

Die Spitzenrenditen legen weiter zu

Für Shopping-Center an A-Standorten ermittelte der Immobilienberater CBRE einen leichten Anstieg der Spitzenrenditen um 0,3 Prozentpunkte auf 5,1% und an B-Standorten von 0,6 Prozentpunkten auf 6,5%. Viele Eigentümer von Einkaufszentren und Geschäftshäusern sehen sich laut Krechky mit dem Problem konfrontiert, „dass der aktuelle Buchwert ihrer Objekte auf Grund des langanhaltenden Kapitalwertrückgangs unter dem ursprünglichen Kaufpreis liegt“. Das mache eine Refinanzierung schwieriger und erfordere zusätzliches Eigenkapital. Deshalb erwartet er, dass Verkäufe in diesem Segment wahrscheinlicher werden und eine steigende Zahl von Notverkäufen im Jahresverlauf nicht auszuschließen ist.

Auch Matthias Leube, CEO & Head of Capital Markets bei Colliers, erwartet im zweiten Halbjahr verstärkt Verkaufsangebote von regionalen Shopping-Centern aber auch von hybriden Centern, die durch anstehende Refinanzierungen und Portfolioumstrukturierungen getrieben sein werden.

Beim Blick auf die zweite Jahreshälfte sind die Immobilienberater vorsichtig optimistisch. Jörg Krechky rechnet mit einer moderaten Marktbelebung, weil er auf Seiten der Eigentümer vermehrt Verkaufsvorbereitungen beobachtet, so dass ab Herbst ein merklicher Anstieg bei den Abschlüssen zu erwarten sei. Auch Jan Schönherr erwartet in der zweiten Jahreshälfte eine sehr gut gefüllte Produktpipeline über alle Subassetklassen und Größen. Und Christoph Scharf weiß zu berichten, dass sich aktuell mehrere größere Produkte in der Vermarktung befinden. Mit dem von Krechky erwarteten Transaktionsvolumen von 5 Mrd. Euro im Gesamtjahr 2023 dürfte der Markt für Retail Assets dennoch weit unter dem Niveau früherer Jahre zurückbleiben. 2022 lag das Transaktionsvolumen in der Bandbreite von 7,9 bis 9,7 Mrd. Euro.