Nachhaltigkeit bei Immobilien

Der Markt wird die Regeln diktieren

Bei Logistikimmobilien spielen ESG-Kriterien eine große Rolle. Foto: BEOS

rv DÜSSELDORF. Mit den vielen Naturkatastrophen, die den befürchteten Klimawandel und seine Folgen offenlegen, steht auch die Immobilienwirtschaft vor der Herausforderung, ihren Beitrag zum Schutz des Klimas leisten zu müssen. Nach Feststellung des aktuellen RICS-Nachhaltigkeitsberichts, für den weltweit 4 000 Experten befragt wurden, ist die Unsicherheit bei der Gesetzgebung jedoch groß und die vielfach fehlenden CO2-Messungen erschweren es der Branche, das angestrebte Netto-Null-Ziel zu erreichen.

Doch der Kapitalmarkt ändert derzeit seine Regeln, so dass am Ende die wachsende Nachfrage nach grünen Gebäuden darüber entscheiden wird, wie sehr sich die Immobilienbranche auf die veränderten Bedingungen einstellen muss, wenn diese Anlageklasse für Investoren interessant bleiben soll, wie Susanne Eickermann-RiepeFRICS,Vorsitzende des RICS European World Regional Board (EWRB), bei Vorstellung des RICS Sustainability Reports 2023 feststellt: „Die Dekarbonisierung ist im Real Estate Sektor noch zu langsam und nicht ausreichend effektiv“, lautet ihre nüchterne Bilanz in der sie vorrechnet, dass die Branche die Emissionen bis 2030 um die Hälfte reduzieren muss, damit sie bis 2050 „Netto-Null“ erreichen kann. Und das Aufkommen von grauem Kohlenstoff müsse in sieben Jahren um mindestens 40% gesenkt werden.

Dabei spielt die Messung von Kohlenstoffemissionen über den gesamten Lebenszyklus hinweg nach ihren Worten die entscheidende Rolle, wenn sich etwas ändern soll. Das müsse gängige Praxis werden. Und alle Marktakteure müssten die Daten zur Verfügung haben. Bei dem aktuellen Tempo, das beim Thema Nachhaltigkeit an den Tag gelegt wird, sind aus ihrer Sicht die oben genannten Ziele nicht zu erreichen. Deshalb mahnt Eickermann-Riepe: „Was wir messen können, können wir auch steuern – ein erster wichtiger Schritt ist es, das Ausmaß und den Umfang der Emissionen zu verstehen.“

Dass dieser Schritt notwendig ist, belegt auch der RICS-Index für nachhaltiges Bauen, der einen Nettosaldo von +44 aufweist, was darauf hindeutet, dass die Nachfrage sowohl von Seiten der Nutzer als auch von Seiten der Investoren „nach klimaangepassten Immobilien“ steigt. Dabei ergibt sich die Nettobilanz aus dem Saldo von Befragten, die eine steigende Nachfrage melden und von Befragten, die eine sinkende Nachfrage melden. Zwar ist in allen untersuchten Regionen eine steigende Nachfrage registriert worden, doch ist der Nettosaldo mit 73% in Europa mit Abstand am höchsten. In Nord- und Südamerika liegt er nur bei 26%.

Dabei gibt es kaum einen Unterschied zwischen den Interessen der Mieter und der Investoren. So registrierten 53% der Nutzer laut Report einen „leichten“ Anstieg der Nachfrage und 24% einen „deutlichen“. Hierzulande lagen die Werte bei 53,5% für einen leichten und von ca. 31% für einen spürbaren Anstieg. Bei den Investoren registrierten in Europa 38% und in Deutschland 53,5% der Umfrageteilnehmer einen „leichten“ Nachfrageanstieg nach grünen Gebäuden und 39% in Europa sowie 31% in Deutschland einen „deutlichen“ Anstieg.

Nachhaltigkeitsmerkmale haben einen starken Einfluss

Dass Nachhaltigkeitsmerkmale einer Immobilie heute auch Einfluss auf Mieten und Kapitalwerte haben, zeigt der Blick auf folgende RICS-Zahlen: Auf einer Skala von 1 für die Aussage, dass grüne Merkmale keine Auswirkungen auf Miete und Kapitalwerte haben und 5 für die Aussage, dass sie erhebliche Auswirkungen haben, vergaben weltweit zwei Drittel eine Bewertung zwischen 3 und 4. Das bedeutet: Die Mehrheit misst den Nachhaltigkeitsmerkmalen einen starken Einfluss bei. Vor diesem Hintergrund unterliegen Gebäude, die nicht als grün oder nachhaltig eingestuft werten, bei Miete und Preis laut Report einem „brown discount“.

Gefragt wurden die 4 000 Teilnehmer auch danach, welche Nachhaltigkeits-Themen für sie ganz oben auf der Liste stehen. Dabei setzten Mieter und Investoren etwas unterschiedliche Akzente. So gaben 30% der Befragten an, dass Nachhaltigkeit die wesentlichen Kriterien für die Anleger seien und 28% meinten, dass diese Eigenschaften auch für Mieter wichtig seien. Eindeutig ist laut Studie jedoch, dass für die Mieter vor allem die Qualität der Innenräume, das Raumklima und die Belüftung ganz oben stehen.

Dass in diesem Kontext auch Green-Building-Zertifizierungen wie BREEAM, LEED, WELLS, NABERS vor allem für Investoren eine wichtige Rolle spielen, wie etwa 30% der weltweit Befragten angaben, liegt auf der Hand. Dagegen meint nur ein Fünftel der Befragten, dass Zertifizierungen auch für die Mieter wichtig seien.

Über die Bedeutung und die Vorteile von grünen Gebäuden für Investoren und Mieter ist sich die Community offensichtlich klar, doch hat das Thema Nachhaltigkeit auch seine Schattenseiten. So werden die hohen Anfangskosten und der mangelnde Nachweis für eine Kapitalrendite als maßgebliches Hindernis bei der Investition in grüne respektive nachhaltige Gebäude gesehen. Etwa 60% der weltweit Befragten sehen die hohen Anschaffungskosten als Haupthindernis und 40% sehen den Mangel an Beweisen für eine Kapitalrendite und den Mangel an Daten über die Vorteile eines solchen Investments als maßgebliches Problem.

Hohe Anschaffungskosten sind ein großes Hindernis

Dazu gehört auch, dass gemeinsame Standards und Definitionen von umweltfreundlichen Gebäuden fehlen. Deshalb könnte die Weiterentwicklung verbindlicher Normen für die Gesamtenergieeffizienz in ganz Europa laut RICS-Report ein entscheidender Schritt sein, den Regierungen bei der Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden zu helfen und Ziele des Green Deals der EU zu erreichen. In diesem Kontext wird auch von 43% der Befragten bedauert, dass – wie oben erwähnt – bei Projekten keine Messung des gebundenen Kohlenstoffs erfolgt, und selbst wenn doch eine stattfindet, gebe es kaum Hinweise darauf, „dass sich dies auf die Auswahl von Materialien und Komponenten auswirkt“.

Um die Prozesse zur Dekarbonisierung zu beschleunigen, kommt der Regierungspolitik aus Sicht von Susanne Eickermann-Riepe heute eine entscheidende Rolle zu. Wichtig ist es aus ihrer Sicht das Prozedere in den frühen Phasen der Projekte zu beeinflussen, um die Emissionen entlang des Lebenszyklus zu vermindern. Deshalb müsse der CO2-Bepreisungsmechanismen verbessert werden. Zur Unterstützung der Branche entwickelt auch die RICS grüne Standards wie das Whole Life Carbon Assessment (WLCA).