Tag der Logistik 2023

Der Fachkräftemangel wird vorerst bleiben

Die Teilnehmer der Pressekonferenz. Foto: Teamtosse

HIR DÜSSELDORF. Der im Jahr 2008 von der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) initiierte „Tag der Logistik“ bot auch in diesem Jahr der breiten Öffentlichkeit wieder viele Möglichkeiten, Logistik-Unternehmen vor Ort kennenzulernen – und das gleich europaweit. So fanden am Tag der Logistik mehr als 165 Veranstaltungen statt. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen, Luxemburg, Litauen, den Niederlanden, der Schweiz, der Türkei und sogar in der Ukraine. Viele konnten online verfolgt werden.

Die Chancen und Risiken für den Wirtschaftsbereich Logistik wurden auf der offiziellen Pressekonferenz, die am 20. April im House of Logistics and Mobility in Frankfurt am Main stattfand, gleich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Den Anfang machte Oliver Luksic (Foto ganz links), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) sowie Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik, der zugeschaltet war.

„Antworten auf den chronischen Fahrermangel liegen beispielsweise in attraktiven Arbeitszeitmodellen und der systematischen Verbesserung und Erweiterung des Raststätten-Netzes“, so Luksic zum Thema Fachkräftemangel: „Die Politik steht zudem in der Verantwortung, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, etwa hinsichtlich der Berufskraftfahrerqualifikation. Wir wollen qualifizierte Fachkräfteeinwanderung und den Zugang zu Fahrberufen erleichtern“, so die Pläne.

Dazu gehört, dass Visumverfahren für Berufskraftfahrer deutlich vereinfacht werden und die bisherige Vorrangprüfung entfällt. Eine Erklärung des Arbeitgebers soll künftig ausreichen. Außerdem wird die Grundqualifikation zum Berufskraftfahrer in mehreren Fremdsprachen möglich sein. Daneben ist es laut Luksic von größter Bedeutung, auch das einheimische Potenzial an Arbeitskräften zu heben: „Gute Arbeitsbedingungen, attraktive Arbeitszeitmodelle und Löhne spielen hier eine wichtige Rolle“, so der Parlamentarische Staatssekretär weiter und mahnt: „Hier sind auch die Unternehmen selbst in der Pflicht.“

Er kündigte überdies eine Vereinfachung bei der Anerkennung von Dokumenten in der europäischen Binnenschifffahrt an. In seinem Fazit betonte Luksic die hohe Attraktivität der durch die Digitalisierung sich stark verändernden Berufsbilder in der Logistik. Wichtig ist dabei aber eine verstärkte, positive Kommunikation durch die Wirtschaft. Dafür kann der Tag der Logistik einen wichtigen Beitrag leisten.

Aus der Perspektive der Wissenschaft beleuchtete Klaus Wohlrabe vom Ifo Institut München die Diskussion mit einer allgemeinen Einschätzung zum Arbeitsmarkt. Demnach ist die Zahl der Arbeitsplätze in der Logistik in den vergangenen acht Jahren – von 2014 bis 2022 – um rund 40% gestiegen. Der Anteil an ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat sich von 13 auf 31% mehr als verdoppelt. Der Frauenanteil ist weiterhin eher niedrig, zuletzt lag er bei rund 19%, hier ist seit Jahren kaum Bewegung. Die Zahl der Auszubildenden ist über die Jahre nur leicht um ca. 3% gestiegen. Die Zahl der offenen Stellen haben sich in den vergangenen 15 Jahren dagegen fast vervierfacht.

Die Logistikbranche muss ihre Vorzüge herausstellen

„Der Fachkräftemangel ist gekommen, um zu bleiben,“ stellt Wohlrabe fest. „Dies gilt für die Gesamtwirtschaft und insbesondere auch für den Bereich Logistik. Die Logistik ist daher gut beraten, ihre faktischen Vorzüge als Arbeitgeberin noch stärker herauszustellen. Die Politik muss vor allem zuverlässige Rahmenbedingungen für die Zuwanderung von Fachkräften setzen. Aber auch die Logistik kann die Potenziale der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz heben, zum Beispiel beim autonomen Fahren, um so dem Fachkräftemangel Herr zu werden.“

Christina Thurner, Gesellschafterin und Vorstandsmitglied der Loxxess AG sowie Vorstandsmitglied der BVL ergänzte die Runde mit dem Blickwinkel des Logistikdienstleisters, berichtete über Neuheiten bei technischen Hilfsmitteln wie Automatisierung und Künstlicher Intelligenz und hob das Potenzial von Frauen in der Logistik hervor sowie die Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Steigende Energie- und Personalkosten in der Logistik sind ein Problem mit realen Implikationen für den Wirtschaftsstandort“, erklärt sie, „heute ist es daher besonders wichtig, dass BMDV und Initiativen des Wirtschaftsbereichs wie der Tag der Logistik zusammenarbeiten.“

Mit Blick auf die Tatsache, dass laut Berufsbildungsbericht des Bundesinstituts für Berufsbildung 2021 etwa 2,5 Mio. Menschen zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss haben und die Zahlen seit Jahren steigen, stellt sie die Forderung an die Politik, dass diese Menschen einer Ausbildung zugeführt werden müssen. Bezugnehmend auf den Präsidenten der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian, zum Thema Teilzeit bei Müttern, ergänzte sie weiter: „Wenn alle Frauen, die in Teilzeit arbeiten, zwei Stunden mehr arbeiten würden, hätten wir demnach 500 000 zusätzliche Arbeitskräfte. Ein wichtiger Teil der Lösung ist eine funktionierende Kinderbetreuung.“

Resilienz und hohe Lösungsorientierung

Volker Klassen, Geschäftsführer des Hafen Trier, erläuterte die Funktionen, Job-Perspektiven und Bedeutung der Binnenhäfen am Beispiel des Trierer Hafens. Zum Tag der Logistik betonte er, dass damit mehr Aufmerksamkeit für die Branche in der breiten Öffentlichkeit erreicht werden kann. Gerade in der Corona-Zeit seien die Menschen mit den Problemen einer gestörten Logistik konfrontiert worden. Bis dato habe sie üblicherweise im Stillen funktioniert. Klassen: „Der Tag der Logistik hilft uns, für die Bedeutung des Binnenhafens zu sensibilisieren, zu zeigen, vor welchen Herausforderungen er dabei tagtäglich steht und welche Verbesserungen der Rahmenbedingungen dafür von Seiten der Politik dringend nötig sind.“

Stefan Rummel, CEO der Messe München, zeigte in seinem Überblick die Vielfalt der Branche bei der größten europäischen Fachmesse „transport logistic“ vom 9. - 12. Mai in München: Die Stimmung in der Logistik spiegele sich deutlich auf einer solchen weltweiten Leitmesse wider. „Der Wirtschaftsbereich nimmt Herausforderungen wie Lieferketten-Problematiken, Inflation und Fachkräftemangel sehr ernst“, so Rummel: „Dank der für den Bereich typischen Resilienz und hohen Lösungsorientierung gelingt es der Logistik zunehmend, die verbleibenden Spielräume bestmöglich zu nutzen. Die Zuversicht kehrt damit allmählich zurück“, lautet sein Fazit.