Innenstadt-Befragung München

Das Nadelöhr wird die Erreichbarkeit sein

Die Kunden schätzen das vielfältige Angebot. Foto: Leif Krägenau

rv DÜSSELDORF. Die Frage, ob die Bundesbürger nach den Bequemlichkeiten des Corona-bedingten Online-Kaufs wieder in die Innenstädte zurückkehren, ist zweifellos positiv beantwortet. Doch auf die Frage, was Stadt und Handel tun müssen, damit die Kunden aller Altersklassen auch bleiben oder womöglich sogar wieder mehr Besucher angezogen werden als vor Corona, müssen selbst Innenstädte wie München eine Antwort finden. Wie die Besucher und die Händler die Münchener Innenstadt beurteilen, hat die BBE Handelsberatung in einer City-Befragung und Konsumentenanalyse untersucht.

Da alle Untersuchungen über das Stadtzentrum der Bayernmetropole aus der Zeit vor Ausbruch der Pandemie stammen, hatten der Handelsverband Bayern, die Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel, die City Partner München sowie die Landeshauptstadt München, Referat für Arbeit und Wirtschaft, die aktuelle Online-Befragung von 1 003 Personen aus der Stadt und dem Umland im vergangenen Dezember und von 141 Handelsunternehmen zwischen Mitte Februar und Mitte März 2023 in Auftrag gegeben. Immerhin ist die Münchener City das „größte Einkaufszentrum Bayerns“.

Dabei zeigt der Blick auf die Hauptgründe für den Stadtbesuch, dass mit 47% der Nennungen „Einkaufen“ das Hauptmotiv ist, mit 37% der Nennungen folgt „das Treffen mit Freunden“ aber relativ dicht dahinter. Zum Vergleich: Im bundesweiten Durchschnitt liegt das Einkaufen mit 60% der Nennungen gemäß der Studie „Vitale Innenstädte“ des IFH Köln deutlicher an der Spitze vor dem Besuch von Gaststättenmit mit 35% der Nennungen.

Gut ein Viertel der von der BBE Handelsberatung befragten Besucher (27%) war zum Stadt-Bummel gekommen – die ehemalige Königsstadt hat sehr viele Sehenswürdigkeiten zu bieten – und fast genauso viele (26%) waren beim Arzt. Knapp ein Viertel (24%) kamen zum Besuch einer Gaststätte, von denen es im Stadtzentrum viele etablierte Lokale gibt. Man denke nur an das weltbekannte Hofbräuhaus.

So ist es nicht überraschend, dass die Befragten an München die „Atmosphäre und das Flair“ schätzen. An zweiter Stelle folgen die „Einkaufsmöglichkeiten“ vor der „Angebotsvielfalt“ und der umfassenden Einschätzung der Befragten, dass „insgesamt alles“ gefällt. Auf Platz fünf folgt das Gastronomieangebot. Ins Bild passt auch, dass die überwiegende Mehrheit (85%) „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ mit den innenstadttypischen Einzelhandelsnageboten sind.

Vor diesem Hintergrund freut sich Nina Hugendubel als Vorsitzende der City Partner München e.V. und Münchner Unternehmerin über „die sehr positive Bewertung der Angebotsvielfalt des Handels und der Gastronomie in der Innenstadt“ und vor allem darüber, dass entgegen vielen Unkenrufen gerade junge Menschen wieder vermehrt den Weg in die Innenstadt finden. So fahren 43% der unter 24-Jährigen laut Umfrage nun häufiger in die Innenstadt als vor fünf Jahren.

Aber neben dem vielen Licht zeigt das Bild von München an einigen Stellen auch Risse. So beklagten die Befragten laut BBE die Menschenmassen in der Stadt, was bei dieser großen Beliebtheit allerdings nicht ausbleibt. Was aber leichter behoben werden kann, ist die mangelnde Sauberkeit, die kritisiert wird. Auch gegen die kritisierte Parkplatzsituation kann die Stadt etwas tun. Zudem stören sich viele an den Obdachlosen und Bettlern im Straßenbild.

An einigen Stellen zeigt das Bild Risse

Präzisiert wird die Einschätzung der Besucher durch den Vergleich von „Wunsch und Wirklichkeit“. Für 93% ist die Sauberkeit ein Top-Thema und der Erfüllungsgrad liegt bei 66%. Beim Wunsch nach Begrünung des öffentlichen Raums und der Schaffung von Plätzen (88% der Nennungen) liegt der Erfüllungsgrad bei 57%. Auf genügend Sitzgelegenheiten in der Innenstadt entfallen 84% der Nennungen und auf den Erfüllungsgrad gleichfalls 57%. Auch öffentliche Toiletten sind für die Besucher von München (82%) ein wichtiges Anliegen, das aber nur zu 37% erfüllt wird. Und schließlich ist für ältere Menschen, Behinderte sowie für Familien mit Kindern und Kinderwagen Barrierefreiheit (80%) wünschenswert, der Erfüllungsgrad liegt hier bei 51%.

Auf der Wunschliste der Kunden an den Einzelhandel steht ein großes Angebot an Fachgeschäften ganz oben, vor dem Wunsch nach nachhaltigen Angeboten, flexiblen Öffnungszeiten, Shopping-Nächten und offenen Sonntagen, vor allem bei Jüngeren,  sowie attraktive Schaufenster und Geschäfte.

Dass es in den Münchener Einkaufslagen zu wenige Sitzmöglichkeiten (60% der Nennungen) gibt, gehört auch bei den örtlichen Einzelhändlern zu den Unzufriedenheitsfaktoren, vor der Einschätzung, dass das Straßenbild unattraktiv (54%) ist und die Sauberkeit mangelhaft (54%). Aus Sicht von Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern wird sich auch die Münchner Innenstadt auf Grund des Konsumentenverhaltens verändern müssen. „In Zukunft wird der stationäre Einzelhandel an diesem Standort mehr denn je auf ein attraktives Umfeld und die Symbiose mit Gastronomie, Kultur, Bildung und Freizeitangeboten angewiesen sein“, lautet sein Resümée.

Von den 141 befragten Einzelhändlern kommen 116 aus dem Bereich Fachgeschäfte mit kleineren Geschäften, 18 sind Filialisten, fünf kommen aus dem Bereich Kauf- und Warenhäuser und auch ein Pop-up-Store war darunter. Zufrieden ist das Gros der Befragten an seinen Standorten mit Sicherheit und Ordnung (78% der Nennungen), mit der Aufenthaltsqualität (72%), mit der Passantenfrequenz insgesamt (69%) und der Kundenfrequenz (65%) sowie dem Geschäfts- und Gastronomieumfeld. So lautet das Fazit, dass 78% der Händler mit ihrem Standort, an dem sie sich im Schnitt seit 48 Jahren befinden, „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ sind.

Viele profitieren von der zentralen Lage, der hohen Frequenz, der guten Erreichbarkeit mit dem ÖPNV, der Ausgestaltung der Straße als Fußgängerzone und dem hochwertigen Umfeld. Zu den Schattenseiten der Münchener Innenstadtlagen gehören aus Sicht der Einzelhändler die Baustellen und Sperrungen, die den Einkaufsbummel schnell mal zum Hindernislauf werden lassen, die Parkplatzsituation und auch generell die Erreichbarkeit mit dem Pkw.

Die Erreichbarkeit auch mit dem Pkw ist wichtig

Vor diesem Hintergrund mahnt Wolfgang Puff: „Wichtigster Parameter und gleichzeitig Nadelöhr für eine anziehende multifunktionale Innenstadt ist (…) die Sicherstellung der Erreichbarkeit, und dies auch mit dem Pkw.“ So gehören für den Handel zu den negativ besetzten Themen, dass es keine eigenen Parkplätze gibt (78% der Nennungen) und dass die Erreichbarkeit mit dem Pkw (77%) und das Parken in der Nähe (76%) schwierig ist. Deshalb beurteilen 63% der Händler die Entwicklung ihres Umfeldes als „weniger gut“ oder „schlecht“ und das Gros wünscht sich von der Stadt u.a. eine bessere Baustellenkoordination und eine bessere Erreichbarkeit mit dem Pkw, oder zumindest, dass die Erreichbarkeit nicht weiter eingeschränkt wird. Immerhin kommen 19% der Besucher mit dem Pkw, aus dem Umland sind es 28%.

Entsprechend dem Wunsch der Kunden nach verlängerten Öffnungszeiten wie Sonntags-Shopping wünschen sich auch die Händler, dass die Öffnungszeiten auf Sonntage erweitert werden. Dass in der Händlerbefragung für ganz Bayern „die Flexibilisierung der Öffnungszeiten als dringliche Maßnahme eingestuft wird“, gehört aus Sicht von Michaela Pichlbauer, Vorständin der Günther Rid Stiftung, zu den interessanten Ergebnissen. Für Nina Hugendubel zeigen die beiden Befragungen „die notwendigen Hausaufgaben und Verbesserungspotenziale der Stadt“, die Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft bei der Landeshauptstadt München, auch gerne aufnimmt.

„Die Vorschläge aus der Studie greifen wir gerne auf. Gerade hinsichtlich Baustellen, Erreichbarkeit, Sauberkeit, Events und Veranstaltungen hat die Stadt Handlungsmöglichkeiten in eigener Zuständigkeit. Da will ich gerne mit anpacken“, so Baumgärtner. Das dürfte auch dem Einzelhandel helfen, seine Hauptherausforderung zu meistern, nämlich die Frequenz auch in den nächsten drei Jahren (95%) zu sichern.