11. Münchner Handelsimmobilientag: Mixed Use im Fokus

Auf die richtige Mischung kommt es an

Das Mischobjekt Joseph-Pschorr-Haus in München. Foto: Bayerische Hausbau

Mit den Vor- und Nachteilen von Mischobjekten befasste sich der 11. Münchner Handelsimmobilientag, der in diesem Jahr komplett virtuell ausgetragen wurde. Deutlich wurde, wie facettenreich das Thema tatsächlich ist.

Schon lange bemängelte der deutsche Einzelhandel, dass zu viel Handelsfläche gebaut werde. Mit einer Verkaufsfläche von 1,45 qm pro Kopf gehört Deutschland europaweit zur Spitzengruppe. In Frankreich (1,20 qm) und Großbritannien (1,09 qm) ist die Quote laut GfK niedriger. Seit Teile des Umsatzes in den Online-Handel abfließen, wird in vielen Einzelhandelslagen das Flächenüberangebot offenkundig.

Während der Lebensmittelhandel für sich noch weiße Flecken etwa in den großen Städten sieht und viele Standorte in Randlagen Potenzial für Erweiterungen oder Neubau bieten, wird der Nonfood-Handel laut Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, weniger werden. In diesem Segment gebe es ein „Overstoring“, konstatierte er beim 11. Münchener Handelsimmobilientag. Online zugeschaltet waren am 22. Oktober etwa 130 Teilnehmer.

Deshalb bildete die Diskussion, was mit den überschüssigen Flächen geschehen soll, einen Themenschwerpunkt. Kurz gesagt: Die Ansiedlung weiterer Nutzungen in klassischen Einzelhandelslagen und die Umwandlung in „Mixed Use Objekte“. Dabei machte Norman Gerber vom Projektentwickler Merz Objektbau in Aalen in seinem Vortrag über „Mixed Use in Klein- und Mittelstädten“ deutlich, dass Mischobjekte nicht nur in den Metropolen, sondern auch in Mittelstädten funktionieren, wobei hier aber einige Besonderheiten zu beachten seien.

Das beginnt mit der Auswahl der geeigneten Stadt. Dabei orientiert sich Merz an der Nutzerperspektive - sprich: sieht ein Mieter etwa aus dem Handel in der Stadt Potenzial? Deshalb schaut sich das Unternehmen im Vorfeld auch die Zentralität an. Da es bei Mixed-Use-Objekten in der Regel darum geht, Probleme zu lösen, etwa indem ein Innenstadtquartier oder ein Stadtteilquartier durch den geeigneten Mietermix belebt wird, ist es notwendig, die richtige Mischung genau zu ermitteln.

So ist es laut Gerber wichtig, ein Mischobjekt exakt zu planen und auch die Vertreter der Stadt frühzeitig einzubinden. Denn nicht selten geht es bei einer solchen Erneuerung auch um tiefe Eingriffe in eine Einkaufslage, wie Matthias Both, Partner bei Blocher Partners, am Beispiel des Stuttgarter Stadtbezirks Vaihingen darlegte, ein Standort mit großem Gewerbegebiet aber einem Zentrum um die Schwaben Galerie und den Vaihinger Markt, das sich im Niedergang befindet.

Mischobjekte müssen exakt geplant werden

Viele Nutzungen sind laut Both nicht miteinander verbunden, die Fassaden der Gebäude im zentralen Bereich haben Mängel und sind für ein attraktives Stadtteilzentrum nicht repräsentativ genug. In der südlichen Hauptstraße gibt es nach einer Studie der BBE großen Leerstand und der zentrale Platz im Stadtteilzentrum wird durch die Zufahrt zu einem Parkhaus blockiert. Um die Innenstadt zu beleben und ein echtes Zentrum zu schaffen, müsste laut Both der Einzelhandel am zentralen Platz, dem Vaihinger Markt, konzentriert werden. Dafür müssten zwei Häuser weichen.

Deshalb muss bei stadtstrukturellen Projekten wie in Vaihingen nach Stumpfs Einschätzung das Problem der Einzelinteressen, die ja immer berührt sind, aufgelöst werden. Um die Städte voranzubringen, müssten die Innenstädte neu gedacht werden, so Stumpf – gegebenenfalls auch zum Nachteil von Einzelinteressen.

Als Beispiel für ein Mischobjekt in einer Mittelstadt präsentierte Norman Gerber das Quartier am Stadtrand der 68 000-Einwohnerstadt Aalen mit einem Tegut-Lebensmittelmarkt im Erdgeschoss, das Merz entwickelt. Auf dem Dach des Lebensmittelmarktes entstehen attraktive Wohnungen. Der Nachteil, den Lebensmittelmärkte durch die Warenanlieferung und den Kundenverkehr mit sich bringen, gleichen die Wohnungen laut Gerber durch die tolle Lage mit tollem Blick aus. Das Objekt sei so konzipiert, dass die Bewohner vom Supermarkt nichts mitbekommen. Es ist aus seiner Sicht die Aufgabe des Entwicklers, die Herausforderung zu lösen.

Nach den Worten von Florian Lauerbach, Geschäftsführer der ILG Holding GmbH in München, ist der Einzelhandel bei Mischobjekten wegen der Zulieferung als Nutzung am kritischsten zu sehen – wenn es um die Kombination mit Wohnungen geht. Gleichwohl steht der Einzelhandel gemäß der Studie „Der Mieter im Fokus“ von ILG und HBB in Zusammenarbeit mit BBE und dem German Council of Shopping Places, solchen Mischobjekten sehr aufgeschlossen gegenüber. Für 62,2% der Befragten sind Mischobjekte interessant.

Das gilt auch für den SB-Warenhaus-Betreiber Kaufland, wie Angelus Bernreuther, Head of Investor Relationship Management, sagt: Händler müssten flexibel und offen sein bei der Frage, ob sie Büros, Wohnungen oder Hotels über ihren Märkten errichten. Für Kaufland sind heute auch Innenstadt-Konzepte denkbar: „Wir schließen keinen Standort aus“, so Bernreuther.

Generell schätzt der Einzelhandel als ergänzende Nutzung laut Stephan Wollersheim, Geschäftsführer der Hahn Fonds Investment GmbH, die Mixed-Use-Objekte als zweites Standbein neben Fachmärkten und Fachmarktzentren aufbaut, vor allem aber Büro-Nutzungen (56% der Nennungen) vor der Kombination mit Freizeit & Entertainment (46%) und Wohnen (45%) auf dem dritten Platz. Vor allem aber wird alles begrüßt, was zusätzliche Frequenz bringt.

Jede zusätzliche Nutzung erhöht die Kosten

ILG-Geschäftsführer Lauerbach gibt aber zu bedenken, dass bei Mischobjekten jede zusätzliche Nutzung die Kosten erhöht und das Management erschwert. Denn Einzelhandel und Wohnungen z.B. haben wenig gemein. Das könnte die Renditen mindern. Hinzu kommt, dass Mischobjekte in Kleinstädten laut Gerber nicht einfach zu verkaufen sind, der Exit genau durchdacht sein muss.

Aus Sicht der Investoren bringen Mixed-Use-Objekte andererseits eine größere Risikostreuung, da sich die verschiedenen Asset-Klassen nicht selten in unterschiedlichen Zyklen befinden. Deshalb ist nach Lauerbachs Beobachtung bei der Finanzierung von Mixed-Use-Immobilien bei Investoren auch ein Umdenken festzustellen. Noch vor einigen Jahren achteten sie auf eine klare Nutzungstrennung. Bei Highstreet-Objekten bestehe zwar immer noch Skepsis, doch bei Quartiersentwicklungen würden Mischobjekte heute positiv gesehen, weiß der ILG-Geschäftsführer.

Auf die Frage von Markus Wotruba, Leiter Standortforschung bei der BBE, ob jeder Neubau künftig ein Mischobjekt sein werde, stellte Both in der Diskussionsrunde fest: „Wir alle wollen in Städten leben, die lebendig sind.“ Doch bei der Schaffung von Wohnungen in den Bestandobjekten der City-Lagen ist das aus seiner Sicht schwierig. Denn auf Grund der vielfältigen Belastungen in den Innenstädten sieht die Baunutzungsverordnungen hier eine klare Trennung von Wohnen einerseits und gewerblicher Nutzung andererseits vor. Da werde sich so schnell nichts ändern, glaubt Both.

Mit dem Thema Mietstundung und Mietreduzierung während des Shutdowns im Frühjahr befasste sich Christian Wiggers, Partner bei PSP Peters, Schönberger & Partner. Nach seinen Worten war im Corona Gesetz zwar festgelegt worden, dass zwischen dem 1.4. und dem 30.6. wegen Mietausfall keine Kündigungen ausgesprochen werden durften, doch bleibe die Miete fällig und Mietrückstände mussten bis Ende Juni beglichen werden. Zudem musste der Nachweis erbracht werden, dass der Mietausfall Corona-bedingt war.

Ausnahmen von dieser Regelung müssen sich laut Wiggers ausdrücklich aus dem geltenden Mietvertrag ableiten lassen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt er bei neuen Mietverträgen, explizit Corona-Klauseln aufzunehmen. Das letzte Wort bei den aktuell anhängigen Gerichtsverfahren wird wohl der Bundesgerichtshof (BGH) haben. Die Landgerichte Heidelberg und Frankfurt am Main hatten das Recht des Mieters auf Reduzierung der Miete während des Shutdowns verneint. Grundsätzlich empfiehlt Wiggers den Mietern mit Blick auf langwierige Gerichtsverfahren aber, eine Vereinbarung mit dem Vermieter anzustreben.