Als in Deutschland mit dem Immobilien-Boom in den 2010er-Jahren auch Einkaufszentren einen Boom erlebten, lag die Verkaufsfläche hierzulande mit 1,45 qm pro Kopf europaweit bereits im Spitzenfeld. Entsprechend groß ist mancherorts der Druck, attraktive neue Mieter zu finden, nachdem der Einzelhandel unter dem Eindruck der Online-Konkurrenz selbst einen Online-Vertrieb aufbauen muss und die stationäre Expansion einschränkte. Oder weil großflächige Mieter wie Galeria ausfallen und die Flächen neu ausgerichtet werden müssen.
„Vor dem Hintergrund eines scheinbar weitgehend gesättigten Marktes steht die Optimierung bestehender Shopping-Center durch Repositionierung oder Umnutzung im Fokus“, heißt es im Real Estate Special Herbst 2024 mit dem Untertitel „Shopping-Center – fit für die Zukunft?“, herausgegeben von der Deutschen Hypo. Mit Blick auf das große Verkaufsflächenangebot in Deutschland wird in den Innenstädten deshalb über die Verkürzung von Einkaufsstraßen nachgedacht und bei Shopping-Centern darüber, für Flächen, die der Einzelhandel nicht mehr belegen wird, neue Nutzer zu finden. Stichwort: Mischnutzung.
Der positive Nebeneffekt: Die Beimischung von Nutzungen wie Büros, Wohnungen, Kulturangeboten und Bildungsangeboten bringen an namhaften Einzelhandelsstandorten wieder mehr Lebendigkeit und Abwechselung in die Innenstädte und Center – vorausgesetzt, der Einzelhandel bleibt vermischt mit Gastronomie die anziehungsstarke Hauptnutzung. In Nebenlagen ist das weniger wichtig.
In diesem Kontext kommt die Deutsche-Hypo-Studie zu dem Ergebnis, dass die Ära der Shopping-Center zwar keineswegs vorbei ist, bei der Neupositionierung vieler Objekte – insbesondere bei denen mit viel Leerstand – aber großer Handlungsbedarf besteht. Denn das Konsumverhalten hat sich insofern verändert, als Einkaufen nicht mehr allein im Vordergrund steht, sondern vermehrt in Verbindung mit Freizeitaktivitäten gesehen wird.
„Eine erfolgsversprechende Strategie zur Stärkung der Besucherfrequenzen in den Centern und zur Verhinderung von Leerstand liegt in der Anpassung an die Bedürfnisse der modernen Gesellschaft nach Erlebnissen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit“, zählt Ingo Martin, Leiter Real Estate Finance Origination bei der Deutschen Hypo auf. Deshalb ist er auch überzeugt, dass gut positionierte, moderne Center auch künftig ihre Mieter und ihre Kunden finden werden. Potenzielle Interessenten für Einkaufszentren mit Modernisierungsbedarf sind laut Studie Investoren mit einem Value-add- oder einem opportunistischen Anlageprofil. Das gilt aber auch für Branchen-Spezialisten, die sich gut auskennen.
Ob der Investmentmarkt für Retail Assets, auf dem sich großvolumige Transaktionen wie Shopping-Center in den vergangenen Jahren – abgesehen von einigen Ausnahmen – recht schwer getan haben, durch diese Perspektive belebt werden kann, wie die Studienautoren erwarten, wird sich zeigen müssen. Erste Anzeichen dafür gibt es und Potenzial ist sowohl in Deutschland als auch in Europa vorhanden.
Ein Leerstand von 15 bis 20% ist ein Alarmzeichen
Spätestens wenn die Leerstandsquote in einem Einkaufszentrum die Marke von 15 bis 20% erreicht hat und die Zahl der Besucher auf Grund des als unzureichend empfundenen Angebots schrumpft, ist laut Studie der Punkt erreicht, zwingend Gegenmaßnahmen einzuleiten. Andernfalls haben die Center das Ende ihres Lebenszyklus erreicht wie die Königsgalerie in Duisburg oder das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim, das derzeit neu ausgerichtet wird.
Als besonders anfällig gelten Shopping-Center mit einem hohen Nonfood-Anteil wie etwa aus der Mode-Branche, die stark mit der Online-Konkurrenz zu kämpfen hat und deshalb als weniger resilient gilt. In dieser Shopping-Center-Kategorie ist ein Turn-around vom Konsumtempel zum Lifestyle-Hub angesagt. Das trifft laut Deutsche-Hypo-Studie auf etwa 40% der hiesigen Shopping-Center zu, berufen sich die Autoren auf eine entsprechende Studie des Immobilienberaters Savills, der 347 deutsche Center analysiert hatte. Der Repositionierungs- oder sogar Umnutzungsbedarf sei hier erheblich, heißt es.
Bei der Repositionierung mit möglichst überschaubaren Investitionskosten steht vor allem die Anpassung des Mietermix an die veränderten Kundenwünsche im Mittelpunkt, die sich gemäß einer Umfrage des Beratungsunternehmens PwC heute vor allem auf ein größeres Freizeitangebot im Center richten. Denn 62% der unter 50-Jährigen suchen hier gezielt Freizeitbeschäftigungen. Deshalb sollten die eingeplanten Flächen für Freizeit-/Entertainment sowie Gastronomieangebote/Food Court und Lebensmittel laut Deutsche-Hypo-Studie groß genug sein. Auch regelmäßige Events kommen gut an genauso wie Bowlingcenter, Kinos oder Themenmärkte.
Was den Einzelhandels-Mix anbelangt, wünschen sich die Kunden laut PwC-Umfrage mehr Angebote im Bereich Haushalt / Wohnbedarf und Gesundheit / Körperpflege und weniger Angebote im Bereich Textil / Schuhe sowie Elektronik. Hier werden offenbar viele Käufe im Online-Shop erledigt. Und dass Konsumenten mehr Wert auf ansprechend gestaltete (Außen-)flächen legen, passt zum wachsenden Anspruch der Kunden, im Center nicht nur einzukaufen, sondern ihre Freizeit zu verbringen.
Aus diesen Anforderungen ergibt sich, dass ein gutes Vermietungsmanagement sowie der richtige Branchen- und Mietermix wesentliche Erfolgsfaktoren sind, wenn es um die Zukunftsfähigkeit der Einkaufszentren geht. Dazu gehört auch, im Zuge der Repositionierung Mieter, die in punkto Umsatz, Besucherfrequenz und Bonität gut abschneiden, durch ein überzeugendes Konzept an das Center zu binden.
Wesentlich mehr Geld müssen die Investoren bei der Umnutzung eines Shopping-Centers in die Hand nehmen, sodass hier laut Studie im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Frage beantwortet werden muss, „ob sich beispielsweise die Kosten einer Umnutzung langfristig rechnen und wie die Finanzierung sichergestellt wird“ – nicht zuletzt auch mit Blick auf die spürbar gestiegenen Baukosten.
Neue Nutzungen müssen zum Standort passen
Zudem muss im Rahmen einer Markt- und Standortanalyse sowie von Kunden- und Mieterbefragungen ermittelt werden, ob die neuen Nutzungen für den Standort geeignet sind. Es gilt Themen wie Zufahrtswege für Logistik, hinreichend Licht für Wohnungen, Büros oder Arztpraxen zu berücksichtigen. Und die neuen Nutzungen müssen an dem Standort auch baurechtlich zulässig sein.
Andererseits hat eine Umnutzung laut Studie den Vorteil, dass die Klumpenrisiken der Shopping-Centerbetreiber, die sich aus dem Einzelhandel ergeben, diversifiziert werden können und struktureller Leerstand ausgeglichen werden kann. Mixed-Use-Konzepte hätten sich als besonders erfolgreich erwiesen, besonders dann, wenn sie dazu beitragen, die Frequenz im Center zu steigern, etwa durch Besucher von Arztpraxen, Arbeitnehmer in Büros, die Bewohner der Wohnungen oder der Hotels.
Insgesamt gilt jedoch, dass „ein aktives Mietermanagement u.a. auf einem fundierten Vermietungskonzept basieren“ sollte, raten die Studienautoren: „So kann ein auf den jeweiligen Standort zugeschnittener Branchen- und Mietermix aus innovativen Konzepten, lokalen und regionalen Einzelhändlern sowie internationalen Ketten zu einem Alleinstellungsmerkmal eines Centers werden.“
Laut Studie wurden hierzulande 2023 zehn Einkaufszentren revitalisiert bzw. umgenutzt, wobei vor allem die Umstrukturierung und Nachnutzung frei gewordener Großflächen von Real oder Galeria bzw. Karstadt/Kaufhof, die Entwicklung oder Modernisierung von Food Courts sowie die energetische Sanierung im Mittelpunkt standen. Als Beispiel für eine Umnutzung wird etwa das Stuttgarter Gerber genannt, dessen Handelsflächen von 25 000 qm auf 16 000 qm reduziert und um Wohnungen, Büros, Coworking-Angebote und ein Hotel ergänzt wurden. Im Seidnitz Center Dresden wurde einerseits der Food Court im Erdgeschoss modernisiert und andererseits das Center energetisch saniert. In diesem Jahr wird das Skyline Plaza in Frankfurt von den Eigentümern Allianz und ECE/Familie Otto gut zehn Jahre nach der Eröffnung umfassend modernisiert. Dabei wird der Mietermix diversifiziert, und um die Bereiche Entertainment, Freizeit, Unterhaltung und zusätzliche Gastronomie erweitert. Dafür ist fast ein Drittel der Fläche vorgesehen.
Aus diesen Fakten haben die Autoren ihre Vision vom Shopping-Center als Lifestyle Hub der Zukunft abgeleitet. Das vereint als Mixed-Use-Gebäude verschiedene Nutzungen unter einem Dach, bietet ein attraktives gastronomisches Angebot, hohen Unterhaltungs- und Erlebniswert wie Veranstaltungen. Dass zukunftsfähige Einkaufszentren Green Buildings sind, die auch als soziale Treffpunkte fungieren und die digitale sowie die analoge Welt des Einkaufens verknüpfen, versteht sich von selbst. Aus Sicht des Zukunftsinstituts werden künftig auch die Megatrends Gesundheit und Bildung die Entwicklung zum Lifestyle Hub vorantreiben.