Fachmarktzentren Report

Zwischen Anlagedruck und Strukturwandel

Die Zwangsschließungen und Homeoffice haben im Einzelhandel viel verändert. Wie sich die Lage der Fachmarktzentren vor diesem Hintergrund präsentiert und vor welchen Herausforderungen dieses Segment steht, hat der9.FMZ Report 2021 „Über-Morgen – Fachmarktzentren in der Stadt der Zukunft“, von der MEC in Zusammenarbeit mit Nuveen, Savills, Lademann & Partner sowie der Wisag untersucht.

Die Entwicklung auf dem Investmentmarkt für Supermärkte und Lebensmitteldiscounter mit Spitzenrenditen, die sich in Richtung 3% bewegen und damit auf das Niveau von Büros und Logistikimmobilien, ist aus Sicht von Jörg Krechky, Head of Retail Investment Germany bei Savills Deutschland, nur noch schwer erklärbar. Ein Grund für diese Anlagestrategie könnte nach seiner Einschätzung sein, dass die Investoren ihr Geld parken wollen, um die negativen Einlagenzinsen von -0,5% zu umgehen, die die Europäische Zentralbank (EZB) erhebt. Hinzu kommt der große Anlagedruck.

Diese rekordverdächtig niedrigen Spitzenrenditen sind vor allem im Segment Nahversorgungszentren und kleine Fachmarktzentren, bei denen der Lebensmittelanteil am Gesamtangebot hoch ist, zu finden. Die Größenklasse liegt laut Krechky bei Investitionsvolumina von 30 Mio. bis 50 Mio. Euro. Anders sieht es bei den großen Destinations-Fachmarktzentren aus, bei denen – relativ gesehen – der Anteil des Nonfood-Handels wie Textilhändler, die vom Shutdown betroffen waren, größer und der des Lebensmittelhandels kleiner ist. Hier sind die Herausforderungen etwa durch die Suche nach neuen Mietern und damit auch die Spitzenrenditen mit 4 bis 4,5% höher. Wie Krechky darlegt, zerfällt der Bestand an Fachmarktzentren noch mehr als vor der Pandemie in zwei Teile.

Grund für die große Euphorie vor allem bei kleineren Fachmarktzentren könnte aus seiner Sicht sein, dass die Pandemie bei vielen Investoren auf Grund des hohen Anlagedrucks noch nicht ganz angekommen ist. Die Nachfrage bleibt hoch und das Angebot wird immer knapper, nicht zuletzt, weil die Haltedauer in diesem Segment lang ist. „Knapp ein Viertel des gesamten mit Handelsimmobilien in Deutschland umgesetzten Transaktionsvolumens entfiel zuletzt auf Fachmarktzentren“, stellt Krechky fest und geht beim Blick auf das Jahr 2021 davon aus, dass das Transaktionsvolumen nochmals um 30% steigen wird.

Dass die Spitzenrenditen bei kleineren Nahversorgungs- und Fachmarktzentren unter die 3%-Marke fallen könnte, glaubt der Experte aber nicht. Vielmehr geht er davon aus, dass die Renditen wieder steigen werden. Dies gilt umso mehr, als die Spitzenrenditen in Ländern wie Frankreich, Großbritannien und Spanien bei mindestens 5% liegen. Das dürfte das Interesse internationaler Investoren wecken. Auch die wachsende Zahl von Lebensmittellieferdiensten dürfte den Lebensmitteleinzelhandel und die Fachmarktzentren beeinflussen.

Nachmieter für überschüssige Flächen gesucht

So steht auch das boomende Fachmarktzentren-Segment vor einem strukturellen Wandel, bei dem etwa für Flächen eines geschlossenen Nonfood-Händlers Nachmieter gefunden oder generell große Flächen neu strukturiert werden müssen wie bei einigen Filialen des SB-Warenhaus-Betreibers Real, auf den sich Uwe Seidel, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Lademann & Partner aus Hamburg in seinen Ausführungen bezieht. Da so manche Real-Märkte, die zu den SB-Warenhäusern der ersten Generation mit einem riesigen Nonfood-Sortiment gehörten, für Nachmieter wie Kaufland oder Edeka zu groß sind, gilt es für die überschüssigen Flächen neue Nutzer zu finden, was mit Blick auf die bestehenden Bebauungspläne oft nicht ohne weiteres möglich ist.

Nicht selten ist laut Seidel neues Bauplanungsrecht für neue Nutzungen erforderlich. Im günstigsten Fall lässt der geltende Bebauungsplan die geplante Nutzung zu. Falls das nicht der Fall ist, besteht unter anderem die Möglichkeit, die Befreiung von den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans zu beantragen. Das ist laut Seidel oft das Mittel der Wahl. Eine Änderung des Bebauungsplans erwirken zu wollen, ist nach seinen Erfahrungen dagegen zeitraubend und risikoreich.

Mit Blick auf die Tatsache, dass gerade die Fachmarktzentren in nicht integrierten Lagen außerhalb der Stadtzentren im hiesigen Bau- und Planungsrecht oft als „Schmuddelkinder“ behandelt werden, fordert der Experte „eine deutliche Entschlackung der Regelungen und Gesetze im deutschen Bauplanungsrecht sowie ein Beschleunigungsprogramm für die öffentlichen Verfahren“. Nur das werde helfen, „die Fachmarktzentren verbraucher- und standortadäquat umzubauen und zukunftssicher zu machen“.

Denn im Gegensatz zur bislang von Städten und Gemeinden verfolgten Strategie, die Innenstädte zu fördern, indem alle Ansiedlungen außerhalb der integrierten Lagen behindert werden, konstatierte die GfK in ihrem Artikel für den MEC-Report, dass „die Bedeutung von Fachmarktzentren in Stadtteillagen von Großstädten, in Mittel- und vor allem aber in Kleinstädten zunehmen“ wird.

Klein- und Mittelstädte haben von Corona profitiert

Die Zwangsschließungen im Frühjahr 2020 und von Mitte Dezember 2020 bis Mai 2021, die viele Unternehmen veranlasst haben, ihre Mitarbeiter ganz oder tageweise im Homeoffice arbeiten zu lassen, haben während der Corona-Pandemie dazu geführt, dass Stadtteilzentren sowie Klein- und Mittelstädte – und damit die Fachmarktzentren – an Bedeutung gewonnen haben. Die Frequenz in den Cities habe abgenommen und die Frequenz in der Peripherie habe zugenommen, konstatiert auch Moritz Felix Lück, Head of Marketing bei der MEC Metro ECE Centermanagement. Für die meisten sei der lokale Einkauf viel wichtiger geworden.

Mit Blick auf den oben erwähnten Veränderungsdruck bei Fachmarktzentren und seine Bewältigung im Interesse der Kunden fordert Seidel deshalb eine effektive Zusammenarbeit aller Akteure, wozu er neben den Investoren und Betreibern vor allem die Politik und die öffentliche Verwaltung zählt. Und Lück mahnt, dass man den Einzelhandel als Einheit sehen müsse – neben dem wichtigen Innenstadthandel auch die wichtigen Versorger an der Peripherie. Welcher Standort nach Abflauen der Pandemie die Oberhand behält, lässt sich aus seiner Sicht aber noch nicht abschließend sagen.

Christian Schröder, Chief Operating Officer (COO) der MEC, ist sich aber sicher, dass fachmarktorientierte Handelsstandorte mit starkem Nahversorgungscharakter deutlich stärker, krisenfester und besser am Markt verankert sind als noch vor einigen Jahren. Dennoch müssen die Eigentümer und Betreiber aus seiner Sicht neben ihrer Handelsimmobilie auch den Bedarf des lokalen Standorts im Auge behalten.

So geht es auch in diesem Segment an einigen Standorten – wie bei Innenstadt-Lagen – um die Ansiedlung neuer Nutzungen. Ergänzungen für die Handelsfunktion sind für Schröder Sozialfunktionen, um wichtige Treffpunkte für die Menschen aus der Umgebung zu schaffen: „Handelsstandorte sind dafür eine ideale Plattform.“ Aber auch das Thema nachhaltiger Konsum müsse eine sichtbare Rolle spielen.

Nach den Worten von Maria Grubmüller, Senior Associate Real Estate beim Investor Nuveen Real Estate spielt für die Kunden zum einen das Preis-Leistungsverhältnis eine wichtige Rolle, zum andern möchten sie Koppeleffekte durch Mischnutzung haben. Ein wichtiges Stichwort ist in diesem Kontext das „One-Stop-Shopping“, sprich die Möglichkeit, möglichst viele Erledigungen auf einmal zu bewältigen.

One-Stop-Shopping ist für Kunden sehr wichtig

Als gute Beimischung sieht Grubmüller vor diesem Hintergrund Ärzte, soziale Dienste, öffentliche Einrichtungen und Handelsgastronomie, die sehr an Bedeutung gewonnen habe. Zudem sind kurze Wege sehr wichtig. Und Krechky sieht bei entsprechender Standortqualität neben dem Einzelhandel die Beimischung von Logistik- und Gewerbeflächen: „Gerade im Logistiksegment ergeben sich Chancen.“

Allerdings gibt Maria Grubmüller zu bedenken, dass außerhalb der hochverdichteten städtischen Quartiere „das Auto weiterhin unabdingbar für die Nahversorgung“ bleibt – einschließlich einem großzügigen Parkplatzangebot. Der ideale Standort sei unweit der Stadtgrenzen, beispielsweise auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz.

Ganz entschlossen muss laut Joaquin Jimenez Zabala, Head of Sales & Strategy Retail Real Estate/Handelsimmobilien beim Facility-Service-Dienstleister Wisag, auch der Weg zur Klimaneutralität von Fachmarktzentren gegangen werden. Das sei das A & O und gut investiertes Geld. Hier gebe der Green Deal der EU die Richtung vor. „Nachhaltigkeit“ ist aus seiner Sicht die neue Währung am Immobilien- und Finanzmarkt: „In Fachmarktzentren mit einem ganzheitlichen Konzept für Klimaneutralität kann die Attraktivität der Bestandsgebäude erhalten und deren Wert gesteigert werden“, ist er überzeugt.