Standortmonitor 2021

Zwangsschließungen kosten Kundenloyalität

Bild: Fotolia

rv DÜSSELDORF: Der Blick auf das Wachstum des Online-Handels in den vergangenen zehn Jahren zeigt einen interessanten Trend. Nach einem Umsatzwachstum von 29,5% im Jahr 2010 sind die zweistelligen Zuwachsraten stetig gesunken, bis auf 10,6% im Jahr 2017, 9,0% 2018 und 11,1% im Jahr 2019. Nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie Ende Februar/Anfang März 2020 und den Zwangsschließungen im Dezember sprang die Wachstumsrate laut HDE-Standortmonitor 2021 wieder auf 14,9%, ein Niveau, das zuletzt 2012 (14,8%) verzeichnet worden war.

Diese Trendumkehr ist ein erster Hinweis auf die Auswirkungen, die die Covid-19-Pandemie auf die Konsumenten und ihr Einkaufsverhalten in Deutschland hat, wie dem HDE Standortmonitor 2021 zu entnehmen ist. Wie weitreichend die Folgen der Zwangsschließungen und Reisebeschränkungen im ersten Halbjahr 2020 waren, zeigt der Blick auf die Ausgaben für Textilien, die laut GfK um 26% gesunken sind (Grafik GfK). Durch den Ausfall des Osterfests, die geschlossenen Läden zum Start der Frühjahrssaison, Homeoffice und die Streichung von Kongressen und Messen gab es kaum Anlässe, neue Bekleidung anzuschaffen, eine Entwicklung, die sich nun mit dem zweiten Shutdown über Weihnachten und Silvester fortgesetzt hat.

Die Ausgaben für Urlaubs- und Privatreisen gingen in den ersten sechs Monaten des Vorjahres sogar um 66% zurück, und dies, obwohl der Reiseverkehr ja erst mit dem Shutdown im März/April eingeschränkt wurde. Bei den Pkw-Zulassungen gingen die Neuzulassungen laut GfK gleichfalls um 26% zurück.

Anders die Lage bei den Ausgaben für Heim und Garten, die um 23% zulegten. Im Frühjahr blieben in vielen Bundesländern die Baumärkte und Gartencenter geöffnet und die Begrenzung von Geschäfts- und Urlaubsreisen sowie Homeoffice ließen Zeit und Raum für Heimwerkerarbeiten und die warmen Frühlingstemperaturen animierten zur Gartenarbeit.

Die Konsequenz: Im ersten Halbjahr 2020 flossen gegenüber 2019 fast 2 Mrd. Euro an Haushaltsaugaben weniger in den stationären Nonfood-Einzelhandel, während mehr Geld im Online-Handel ausgegeben wurde (Grafik GfK). Die Haushaltsausgaben sanken von 86,6 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2019 auf 84,7 Mrd. Euro, wobei 56,1 Mrd. Euro in den stationären Geschäften ausgegeben wurden und 28,6 Mrd. Euro im Online-Handel. Im Jahr 2019 hatte das Verhältnis noch bei 64,2 Mrd. Euro zu 22,4 Mrd. Euro gelegen und 2018 bei 65,9 Mrd. zu 21,3 Mrd. Euro.

Fast 2 Mrd. Euro weniger Haushaltsausgaben im stationären Handel

Durch die Zwangsschließungen verlieren die stationären Nonfood-Einzelhändler die Loyalität ihrer Kunden, die Frequenz und der Durchschnitts-Bon gehen zurück. Das zeigt der Zahlenvergleich mit dem ersten Halbjahr 2019. Die 40,5 Mio. Haushalte, die mindestens einmal im ersten Halbjahr Produkte im Nonfood-Sortiment gekauft hatten, gaben in diesem Zeitraum im Schnitt 2 137 Euro für Nonfood-Artikel aus und kauften in den ersten sechs Monaten 47mal Produkte aus dem Nonfood-Sortiment. Das summierte sich auf insgesamt 1,9 Mrd. Einkaufs-Trips.

Anders die Lage im ersten Halbjahr 2020: Die 40,6 Mio. Haushalte, die mindestens einmal im stationären Nonfood-Handel eingekauft haben, gaben im ersten Halbjahr durchschnittlich 2 088 Euro aus und gingen nur noch 45mal in die stationären Geschäfte, was in etwa 1,8 Mrd. Einkaufs-Trips entspricht. Nachdem das größte Problem des stationären Einzelhandels schon vor der Corona-Krise die schrumpfende Frequenz in den Einkaufslagen war, hat sich die Lage durch die Stilllegung weiter Teile der Nonfood-Händler und damit des innerstädtischen Handels noch verschärft.

Wurden im ersten Halbjahr 2014 im Schnitt noch 105 Einkäufe im Nonfood-Handel gezählt mit einem durchschnittlichen Kaufbetrag von 42 Euro, waren es im ersten Halbjahr 2020 insgesamt noch 92 Einkäufe, allerdings mit einem leicht erhöhten Kaufbetrag von 47 Euro. Diesen Trend zu höheren Durchschnitts-Bons hatten auch einzelne Händler wie Gerry Weber oder Douglas beobachtet.

Die mit der Krise einhergehende Verschiebung in den Online-Handel zeigen folgende Zahlen: Lagen die Käufe in den stationären Nonfood-Geschäften 2014 im Schnitt bei 97, sanken sie im ersten Halbjahr 2020 auf 77, während der Durchschnitts-Bon mit 39 Euro gleich blieb.

Dagegen stiegen die Durchschnittskäufe im Online-Handel von 15 im Jahr 2014 auf 24 und der Durchschnitts-Kaufbetrag erhöhte sich von 73 auf 86 Euro. Der Vergleich mit 2018 zeigt zudem, dass die Verlagerung von Offline zu Online schon damals eingesetzt hatte. So war die Zahl der Einkäufe in den Nonfood-Geschäften schon auf 85 gesunken und die Zahl der Bestellungen im Online-Handel auf 22 gestiegen.

Insgesamt schlussfolgern die Experten im Standortmonitor, dass „unter Corona“ die Kanäle Online-Vertrieb, Baumärkte und Gartencenter sowie der Lebensmittelhandel mit seinem dichten Filialnetz wachsen, während alle anderen Kanäle teilweise drastisch verlieren. Das dürfte auch auf die Phase des zweiten Shutdowns übertragbar sein, allerdings mit Ausnahme der Baumärkte, die diesmal auch schließen mussten und der Gartencenter.

Der Textileinzelhandel leidet am stärksten

Für den Online-Handel ermittelte der Standortmonitor auf der Basis des GfK Consumer Panels für die ersten sechs Monate 2020 ein Umsatzplus von 27,5%, für den Lebensmittelhandel von 5,5% und für Baumärkte/Gartencenter von 11,9%. Auf „Sonstige“ entfiel ein Plus von 1,7%. Dem steht der Umsatzrückgang von 40,9% im Textileinzelhandel gegenüber, der bekanntlich am stärksten unter den Zwangsschließungen leidet. Mit einem Minus von 30,7% folgen die Nonfood-Vollsortimenter vor dem Elektrofachhandel mit -23,9%, dem Einrichtungsfachhandel mit -14,7%, den Nonfood-Discountern mit -10,8% und dem Sonstigen Fachhandel mit -4,0%.

Entsprechend hat der Online-Anteil in den einzelnen Branchen deutlich zugelegt, etwa von 26% im Bereich Fashion/Lifestyle im ersten Halbjahr 2019 auf 36% im ersten Halbjahr 2020. Bei Elektrotechnik/IT stieg der Anteil sogar von 41 auf 51%, wobei einige stationäre Händler mit Multichannel-Strategie wie Media Markt Saturn auch profitieren konnten. Aber auch im Segment Einrichten/Wohnen erhöhte sich der Anteil von 18 auf 25% und im gesamten Nonfood-Handel von 26% auf 34%. Bei einzelnen Warengruppen wie Computer und Zubehör liegt der Online-Anteil sogar schon bei 61% und bei Telekommunikation bei 58%.

Der Blick auf das zweite Halbjahr 2020 – zumindest bis Ende Oktober – zeigt indessen, dass der Nonfood-Handel in einigen Wochen gegenüber der Vorjahresperiode zulegen konnte, ein Teil der Kunden also wieder in den stationären Handel zurückkehrte. Das zeigte schon die Frequenz in den Einkaufslagen nach dem Ende des Shutdowns.

Insgesamt bleiben die Transaktionen laut Standortmonitor im stationären Einzelhandel unter den Ausgaben in der Vorjahresperiode. Hier dürft sich auch die Zurückhaltung einiger Konsumenten beim stationären Einkauf auswirken. Im Bereich Fashion & Lifestyle blieben die Ausgaben auch in der Zeit von Juli bis Oktober unter dem Vorjahresniveau. Was der Branche fehlt, ist die Rückkehr zu einem Stück Normalität. Die ist aber noch nicht in Sicht.