Adler Modemärkte AG

Zeitfracht will die Digitalisierung vorantreiben

Foto: Adler

Am 21. Juni hatte der Vorstand der Adler Modemärkte AG die fortgeschrittenen Verhandlungen mit der Berliner Zeitfracht Logistik Holding GmbH bestätigt und mitgeteilt, dass er zeitnah ein unwiderrufliches Angebot von dem Investor erwartet. Nur wenig später, am 2. Juli 2021, gab das Bundeskartellamt in Bonn bereits grünes Licht für die Übernahme der Adler Modemärkte AG durch das Mischunternehmen Zeitfracht Gruppe.

Für den Vorstand der Adler Modemärkte AG, die sich seit 12. Januar als Folge des erneuten Shutdowns im vergangenen Dezember im Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung befindet, ist diese Übernahme ein wichtiger Meilenstein im Sanierungsprozess. Denn nach Mitteilung des Bundeskartellamts läuft die Rettung der Mode-Kette durch das Berliner Familienunternehmen nach Plan, nachdem Anfang Juli auch das Insolvenzverfahren gegen das Unternehmen eröffnet wurde. Dies war nach Angaben des Adler-Vorstands die Voraussetzung für die Annahme eines Angebots von Zeitfracht durch die Gesellschaft.

Ziel ist es nach Mitteilung der Mode-Kette, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Juli dieses Jahres einen Insolvenzplan bei Gericht einzureichen, über den nach den heutigen Planungen die Gläubigerversammlung Ende Juli abstimmen soll. Thema des Insolvenzplans wird unter anderem ein Kapitalschnitt durch die Herabsetzung des Grundkapitals der Adler Modemärkte AG auf null sein, wodurch die bestehenden Aktien ihren Wert verlieren dürften. Mit Wirksamwerden der Kapitalherabsetzung wird auch ein Delisting der Aktien von der Börse erfolgen.

Neues Eigenkapital soll dem Unternehmen durch die anschließende Kapitalerhöhung zugeführt werden, die der neue Investor Zeitfracht allein zeichnen wird, der damit auch alleiniger Aktionär von Adler wird. Der Vorstand hofft, dass Adler das Insolvenzverfahren schon Ende August 2021 beenden kann.

Wie die Presseagentur Reuters berichtet, will die Mode-Kette nach Übernahme durch Zeitfracht in Deutschland etwa 40 der 142 Filialen schließen. Der Insolvenzplan soll demnach hierzulande die Fortführung von gut 100 Adler-Filialen vorsehen. Durch die Schließungen werden etwa 500 der 3 100 Arbeitnehmer freigesetzt. Bis Ende März dieses Jahres betrieb das Unternehmen laut Presse-Agentur dpa afx insgesamt 171 Mode-Märkte mit 3 160 Mitarbeitern. Die 29 Adler-Märkte in Österreich, der Schweiz und Luxemburg sind von der Insolvenz nicht betroffen. Im Jahr 2019 hatte das Unternehmen einen Umsatz von 495 Mio. Euro erzielt.

Nach Feststellung des Bundeskartellamts gehört Adler hierzulande zu den größten Textil-Einzelhandelsketten. In Schieflage war das Unternehmen, das den ersten Shutdown im Frühjahr 2020 noch weggesteckt hatte, durch die erneute Zwangsschließung zur Bekämpfung der zweiten Welle Anfang das Jahres geraten.

Das Sortiment soll ausgeweitet werden

Die Zukunft des Unternehmens liegt nun bei dem Berliner Familienunternehmen Zeitfracht, das auf den ersten Blick wenig mit dem Bekleidungshandel zu tun hat. Bei der wettbewerbsrechtlichen Prüfung der Übernahme konstatierte das Kartellamt, dass das von der Logistik geprägte Familienunternehmen seine Aktivitäten neben den Bereichen Medien- und Elektronikprodukten nun um den Bereich Textilien erweitert. „Zeitfracht erwartet für die Adler Modemärkte erhebliche Synergien durch die Digitalisierung der Logistik-Abläufe“, schreiben die Wettbewerbshüter.

Mit Blick auf den wachsenden Online-Handel, der im Gegensatz zum stationären Handel von der Pandemie profitieren konnte, will Zeitfracht den größtenteils auf den stationären Vertrieb ausgerichteten – und dadurch angreifbaren Textilhändler – mit Hilfe seiner Logistik-Expertise stärker im Online-Geschäft verankern und so zukunftsfähig aufstellen. Dabei spielt eine gute Logistik die entscheidende Rolle.

Konkret wird nach Mitteilung der Wettbewerbsbehörde die Zeitfracht-Tochter Coconad eine Schlüsselrolle beim Aufbau des eCommerce- und des Online-Marketings übernehmen: „Coconad entwickelt bereits jetzt für Kunden unterschiedlicher Branchen das optimale Business-Umfeld und präsentiert die Marken und Produkte ihrer Kunden am digitalen Point-of-Sale optimal“, heißt es dazu. Und da die Adler-Märkte neben dem Bekleidungsangebot auch noch ein großes Sortiment an Nicht-Textilien führen, übernehmen sie im meist unterversorgten ländlichen Raum eine Nahversorgerfunktion. Dieses Sortiment möchte Zeitfracht um weitere Artikel ergänzen.

Der neue Investor und Eigentümer der Adler Modemärkte bringt demnach viele neue Ideen ein, um die Zukunft der neuen Tochter zu sichern. Vor diesem Hintergrund freut sich Wolfram Simon-Schröter, der im Zeitfracht-Vorstand für Mergers & Acquisitions zuständig ist, sehr darüber, dass das Bundeskartellamt die Übernahme abgesegnet hat. Allerdings war auch nicht zu erwarten, dass es bei dieser Übernahme wettbewerbsrechtliche Probleme geben würde.

„Mit unserem Konzept konnten wir schon die Gläubiger der Adler Modemärkte AG überzeugen“, berichtet Simon-Schröter weiter: „Wir haben mehrfach bewiesen, dass wir wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen in kurzer Zeit erfolgreich neu aufstellen und Synergieeffekte innerhalb der Zeitfracht Gruppe schnell wirksam werden. Aus unserer Sicht ist Adler auch ein Logistik-Unternehmen mit angeschlossenem Einzelhandel.“

Eine bewegte Vergangenheit seit 1948

Die Mode-Kette war 1948 von Wolfgang Adler im sächsischen Annaberg gegründet worden, 1959 verließ der Unternehmer die damalige DDR und zog mit dem Betrieb zunächst in die Nähe von Konstanz und 1967 an den heutigen Firmensitz in Haibach bei Aschaffenburg. Eine wesentliche Zäsur in der Unternehmensgeschichte war 1982 der Verkauf an die Asko Deutsche Kaufhaus AG, die in ihrem Kerngeschäft zwar auf Lebensmittel fokussiert war, die aber die mageren Margen in diesem Bereich durch die Diversifizierung in ertragsstärkere Branchen verbessern wollte.

Im Zuge der Übernahme der Asko AG kam Adler Anfang der 1990er-Jahre zur Metro, die Mitte der 1990er-Jahre durch die Fusion des Deutschland-Geschäfts der Metro-Cash&Carry-Märkte mit Asko und dem Warenhausbetreiber Kaufhof zu Deutschlands größtem Handels-Konzern avancierte und zur Nummer zwei in Europa.

Nachdem sich der Metro-Konzern wieder verstärkt auf das Kerngeschäft, den SB-Großhandel, fokussierte, wurde Adler 2009 an einen Finanzinvestor veräußert, 2011 in eine börsennotierte Aktiengesellschaft umgewandelt und erhielt 2013 mit dem Bekleidungshersteller Steilmann einen neuen Mehrheitsgesellschafter. Zuletzt lag die Aktienmehrheit bei der S&E-Kapital, einer gemeinsamen Holding der insolventen Steilmann-Gruppe und eines Finanzinvestors. Mit dem neuen Berliner Familienunternehmen Zeitfracht wird nun ein neues Kapitel in der bewegten Geschichte des Bekleidungsunternehmens aufgeschlagen.