Shopping-Center-Markt Deutschland

Wenn großflächige Mieter ausziehen, wird die Nachvermietung schwierig

Das Tegel Quartier in Berlin. Foto: HGHI

Die Anlage-Klasse Shopping-Center hat in der vergangenen Dekade alle Höhen und Tiefen eines Lebenszyklus durchlaufen: Den Aufstieg zur konjunkturresistenten Anlage-Klasse durch ihre Vielzahl an Mietern aus dem Einzelhandel nach der Finanzkrise, die Folgen der Marktübertreibungen durch immer weiter steigende Preise und sinkende Renditen bis zur langanhaltenden Flaute durch den Strukturwandel im Handel im Zuge der Digitalisierung. Inzwischen gibt es hierzulande 509 Shopping-Center, die jüngsten Neueröffnungen zeigen, wie sehr sie sich gewandelt haben.

Das zeigt auch der Blick auf die vier Neueröffnungen, die der EHI Shopping-Center Report 2023 für das Jahr 2022 ausweist. Dazu gehören das Stadtquartier Agnes im Zentrum von Göppingen mit 25 000 qm, die Dreiländergalerie von Apleona in Weil am Rhein, nur wenige Minuten von der Schweizer Grenze entfernt, das Perlach Plaza, das neue Zentrum des Münchener Stadtteils Neuperlach und die Belebung der 250 m langen Fußgängerzone Gorkistraße samt des Einkaufszentrums Tegel Center im Berliner Stadtteil Tegel durch das neue Tegel Quartier.

Vor allem das Tegel Quartier (Foto: HGHI) und das Perlach Plaza zeigen, dass sich der Trend vom Center für Einzelhandelsgeschäfte zum Quartier mit vielen weiteren Angeboten weiterentwickelt hat. Dazu trägt zum einen die Tatsache bei, dass mit dem Boom bei neuen Einkaufszentren in Innenstadt-Lagen bis Mitte der 2010er-Jahre laut EHI-Report ein Flächenüberangebot entstanden ist, das der Handel, der auf Grund seiner Online-Aktivitäten das stationäre Filialnetz bereinigt hat, kaum noch allein füllen kann. Zum andern ist in den vergangenen Jahren in der Stadtentwicklung eine spürbare Abkehr von monofunktionalen Stadtteilen der nur vom Einzelhandel geprägten Innenstadt, den reinen Wohnquartieren sowie den reinen Gewerbegebieten festzustellen. Im Rahmen der 15-Minuten-Stadt sollen möglichst alle Erledigungen in diesem Zeitradius möglich sein.

So registriert Autorin Lena Knopf aus dem Forschungsbereich Immobilien und Expansion beim EHI Retail Institute: „Wenn großflächige Mieter ausziehen oder ihre Flächen verkleinern, ist die Suche nach geeigneten Nachmietern oft schwierig.“ Nicht selten fällt die Wahl auf Nutzer aus anderen Branchen. Knopf: „An vielen Standorten wird die bessere Lösung darin gesehen, solche überschüssigen Flächen für Fitnessstudios, medizinische Dienstleister oder Büromieter umzuwandeln.“

Beim Perlach Plaza und dem Tegel Quartier ergibt sich diese Nutzungsmischung schon aus ihrer Funktion als Statteilzentrum bzw. als Fußgängerzone. Im Tegel Quartier bildet zudem die erneuerte Markthalle das Zentrum für Begegnungen. Mit Blick auf den Überhang an Einzelhandelsflächen werden auch viele Shopping-Center, die inzwischen in die Jahre gekommen sind, im Rahmen der notwendigen Revitalisierungen vermehrt in Mischobjekte umgewandelt.

Dass die Zahl der Shopping-Center in Deutschland laut EHI-Report zwischen 2022 und Anfang 2023 von 493 Einkaufszentren mit mindestens 10 000 qm auf 509 gestiegen ist, obwohl im Vorjahr nur vier Objekte neu eröffnet wurden, begründen die Forscher mit methodischen Veränderungen in der Statistik. Demnach wurde bei der Definition festgelegt, dass es sich bei den wichtigen Frequenzbringern nicht – wie bisher – immer um Lebensmittelgeschäfte, Drogerien, große Modeläden oder Elektronikmärkte handeln muss – auch wenn das immer noch auf das Gros der Center zutrifft. So sind neue Objekte hinzugekommen, andere fielen auf Grund von Flächenreduzierungen oder Abriss aus der Statistik heraus.

Die Durchschnittsgröße liegt bei 32 200 qm

Auf die 509 Einkaufszentren entfallen laut Center-Report 16,38 Mio. qm, so dass die Durchschnittsgröße bei 32 200 qm liegt. Das Gros (47,5%) befindet sich gemäß dem Trend in den 2010er-Jahren in den Innenstädten. Auf Stadtteile entfallen 37,5% und auf den Stadtrand bzw. die Grüne Wiese lediglich 14,9%. Dieser Trend wurde nach dem Fall der Mauer in den 1990er-Jahren vor allem durch Projekte in den Neuen Bundesländern befeuert. Hier entstanden in relativ kurzer Zeit neue Einzelhandelsflächen für die Ansiedlung von Handelsunternehmen am Stadtrand, weil die Eigentumsverhältnisse in den Innenstädten nach der Wende oft nicht klar und moderne Handelsflächen rar waren. Seit den 2000er-Jahren verlagerte sich der Einzelhandel vermehrt in die ostdeutschen Innenstädte.

Die größte Konzentration von Shopping-Centern findet sich mit insgesamt 90 oder 17,7% naturgemäß in Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland mit einer beachtlichen Dichte an großen Städten in relativ enger Nachbarschaft. Zu den ältesten und größten gehört der Ruhr Park in Bochum aus dem Jahr 1964, hinter dem Main-Taunus-Zentrum in Sulzbach das zweitälteste Center. Auf dem zweiten Platz der Liste folgt Bayern mit 58 Einkaufszentren vor Baden-Württemberg mit 52.

Nachdem sich der Markt für Shopping-Center in der jüngeren Vergangenheit konsolidiert hat, gab es in der Branche wieder spektakuläre Transaktionen wie der Kauf des Pep-Einkaufscenters in München-Neuperlach im Rahmen eines 50:50 Joint-Venture von Generali Real Estate und ECE Real Estate Partners. Des Weiteren hat der Investor Deutsche Euro Shop AG seine Beteiligung an sechs Einkaufszentren aufgestockt oder sie ganz übernommen. Dazu gehören das Allee-Center Magdeburg, das Forum Wetzlar, die Galeria Baltycka Danzig, das Phoenix-Center Hamburg, das Saarpark-Center Neunkirchen und die Stadt-Galerie Passau.

Die Spitzenrenditen für Shopping-Center in A-Lagen erhöhten sich nach Feststellung des Immobilienberaters CBRE im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozentpunkte auf 5,1% und für Center in B-Lagen um 0,6 Prozentpunkte auf 6,5%. Ein zentrales Thema in der Branche dürfte in den nächsten Jahren die Revitalisierung und Neupositionierung älterer Bestandsobjekte sein.