Grenznaher Handel

Wenn die Geografie zur Hypothek wird

Günstige Handelslage im Drei-Länder-Eck. Foto: Pixabay

Der Einzelhandel in grenznahen Städten profitiert für gewöhnlich überproportional von der Kundschaft aus dem Ausland. Corona hatte dem monatelang ein Ende bereitet. Was sonst als Garant für wirtschaftlichen Erfolg gilt, ist jetzt für Umsatzeinbußen verantwortlich.

Wochenlang blieben die Grenzen zu. Nicht nur im Süden, sondern auch in allen anderen Himmelsrichtungen. Nur wessen Arbeitskraft dringend gebraucht wurde, durfte morgens rein und musste abends so schnell wie möglich wieder raus. Der Einkauf für den täglichen Bedarf im Nachbarland war gestrichen, vom Shoppen in einem der grenznahen Einkaufszentren durfte man nur noch träumen, genauso wie vom Einkaufsbummel durch die Innenstadt von beispielsweise Weil am Rhein oder Lörrach.

Und auch als sich die Grenzen im vergangenen Jahr wieder öffneten, war das für den Einzelhandel in den Städten, die für gewöhnlich von Shopping-Touristen überflutet werden, nur eine kurzfristige Belebung. Denn im Winter 2020/21 waren die Grenzen wieder dicht. In Städten wie Konstanz am Bodensee oder Waldshut-Tiengen, wo sich die Kundschaft ansonsten durch die Zentren schiebt, herrschte gähnende Leere.

Der größtenteils geschlossene Einzelhandel verlor massiv Umsätze. Etwa im schleswig-holsteinischen Harrislee, einer Gemeinde mit gerade einmal knapp 12 000 Einwohnern, die am westlichen Ufer der Flensburger Förde liegt und von deren Gemeindegebiet aus gleich zwei Grenzübergänge nach Dänemark führen: Padborg und Kupfermühle.

Händler an der deutsch-dänischen Grenze gingen im Mai 2020 von Umsatzverlusten zwischen 80 und 85% aus. Der Bürgermeister von Harrislee befürchtete Mindereinnahmen von 2,3 Mio. Euro. Denn der Anteil des Grenzhandels am Gewerbesteueraufkommen machte zwischen 40 und 50% aus. Bis Corona den Handel einbremste, hatte man für 2020 mit Gewerbesteuereinnahmen von 8 Mio. Euro kalkuliert.

Zwar kam der Einzelhandel bei Grenzöffnung nach dem ersten Lockdown im Vorjahr wieder in Gang und die in Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 gesenkte Mehrwertsteuer von 19 auf 16% lockte anfangs noch mehr Kunden nach Harrislee: Die Dänen kamen in Scharen in die sogenannten Grenzshops, die sich der dänischen, aber auch der skandinavischen Klientel auf Durchreise angepasst haben. Denn der Ort ist gerade einmal fünf Minuten von der nach Norden führenden A 7 und der Abfahrt Flensburg-Harrislee entfernt.

Und in Harrislee gibt es alles, was hoch im Norden sündhaft teuer ist, sehr viel günstiger und auch beliebte Produkte, die es in Skandinavien nicht zu kaufen gibt. Der vergleichsweise niedrigen Mehrwertsteuer sei Dank. Vor allem Spirituosen, Wein, Sekt und Süßigkeiten sind hier der Renner. Aber der nächste Lockdown Mitte Dezember vergangenen Jahres dämpfte die anfängliche Euphorie, dass bald alles wieder so läuft wie vor Corona.

Dieser kleine Grenzhandel hat – neben den spezialisierten Händlern in peripheren Lagen – aber auch einen „Überschwappeffekt“ beispielsweise auf die Innenstadt von Flensburg, wo die Dänen, die im Grenzhandel Lebensmittel kaufen auch noch Bummeln gehen oder die Gastronomie aufsuchen.

Insofern dürften vor allem auch die Innenstadthändler in den grenznahen Städten hoffen, jetzt wieder vermehr ausländische Kunden begrüßen zu können. Wie groß der wirtschaftliche Schaden, den die Corona-Pandemie in den Grenzgebieten angerichtet hat, wirklich ist, werden wir vermutlich erst ermessen können, wenn die Pandemie unter Kontrolle ist. Die BBE geht aber davon aus, dass die Grenzstädte langfristig zu alter Stärke zurückfinden werden, sobald der Einzelhandelstourismus wieder unbegrenzt möglich ist.