Transformationsimmobilien

Weniger Probleme durch steigende Bau- und Energiekosten

Foto: Greyfield

rv DÜSSELDORF. Nach dem endlosen Aufschwung durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zwingen die Folgen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs die Menschen zum Sparen und zum Umdenken. In der Immobilienwirtschaft rückt damit die Transformation von Immobilien – statt Abriss und Neubau – stärker in den Fokus, worüber auch beim „Praxistalk Transformationsimmobilien: Aktuelle Herausforderungen und Potenziale“ von Bulwiengesa und Union Investment diskutiert wurde.

Vor diesem Hintergrund stehen die Erneuerung und der Umbau von Bestandsgebäuden derzeit im Spannungsfeld der allenthalben beklagten hohen Baukosten, der steigenden Zinsen, die die bisherigen Kalkulationen der Investoren über den Haufen werfen und den Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Gebäuden durch die EU-Taxonomie. Diese Verschiebungen der Marktbedingungen haben die Baukonjunktur im Herbst 2022 ziemlich abrupt gestoppt.

In diesem Kontext hat die Mehrheit (77%) der für die  Marktstudie Transformationsimmobilien 2022 von Union Investment und Bulwiengesa befragten knapp 200 Investoren und Entwickler festgestellt, dass die Knappheit von Rohstoffen derzeit ein starker Treiber für die Transformation von Immobilien ist. Die Aussagen basieren auf einer im Sommer 2022 durchgeführten Befragung von fast 200 Marktakteuren in Europa. Vorausgegangen war eine Grundlagenstudie zu „Transformationsimmobilien“ im Herbst 2021.

Verstärkt wird der Trend zur ressourcenschonenden Transformation laut Studie durch die EU-Nachhaltigkeitsanforderungen, die von immer mehr Investoren bei ihren Entscheidungen berücksichtigt werden. Insgesamt geht die Mehrheit (59%) der Befragten davon aus, dass bei der Transformation von Bestandsimmobilien weniger Probleme durch steigende Bau- und Energiekosten und gestörte Lieferketten entstehen als das derzeit bei Neubauprojekten der Fall ist.

Als Transformationsimmobilien gelten dabei Bestandsobjekte, die „eine wesentliche Veränderung ihrer Gebäude- und Nutzungsstruktur erfahren haben“, wobei der umgebaute Anteil und die Nutzungsänderung jeweils mindestens 30% der Bruttogeschossfläche (BGF) umfassen muss. Unter dem Begriff „Transformation light“ subsumieren die Forscher Immobilien, bei denen die umgebaute Fläche unter 30% der BGF liegt, die Nutzungsänderung dagegen über der 30%-Marke. Und das gilt auch umgekehrt, wenn die umgebaute Fläche über 30% und die Nutzungsänderung unter 30% der BGF liegt. Laut Felix Embacher, Bereichsleiter Research und Data Science bei der Bulwiengesa AG, sind nahezu alle Immobilien Transformationsimmobilien. Vor allem in den A-Städten steige der Transformationsdruck.

In ihrem Urteil zum Thema Transformation sind die befragten Marktakteure laut Union Investment und Bulwiengesa sehr eindeutig: Sie lohne sich auf jeden Fall und sei ein gewinnbringender Lösungsansatz, denn damit würden die Klimaziele erreicht und die Aufenthaltsqualität der Städte gesteigert, was auch günstig für das Investment sein dürfte. Für diese Vorteile sind die Befragten laut Umfrage auch bereit, ihren Beitrag zu leisten.

Ein zentraler Baustein der neuen Realität

Laut Studie ist Transformation mit Blick auf die vielen Verwerfungen, mit denen die Bau- und Immobilienbranche nach den abrupten Veränderungen der jüngeren Vergangenheit zu kämpfen hat, denn auch nicht weniger als ein „zentraler Baustein der neuen Realität“, wozu – im Gegensatz zur Zeit vor den Krisen – die knappen Rohstoffe, die hohen Energiekosten und die bereits erwähnten Nachhaltigkeitsanforderungen zwingen, aber auch die veränderten Anforderungen der Mieter, die beispielsweise schon auf Grund der hohen Energiekosten, energieeffiziente Gebäude schätzen dürften sowie die Umbrüche bei der Flächennachfrage in einzelnen Segmenten. Stichworte sind: Mehr Homeoffice und Filialbereinigungen im Einzelhandel und dadurch sinkende Flächennachfrage.

Umso bedauerlicher ist es deshalb laut Henrike Waldburg (Foto), Leiterin Investment Management Global bei Union Investment, dass die EU-Taxonomie die Transformation von Bestandsimmobilien noch zu wenig berücksichtige. Bisher stünden nur Neubauprojekte im Fokus. Daran müsse sich etwas ändern. Das sehen auch viele Befragte (57%) so, wenn sie feststellen, dass Transformationsimmobilien immer nachhaltiger sind als Abriss und Neubau.

Mit Blick etwa auf die veränderte Flächennachfrage in einigen Branchen hat sich laut Waldburg bei der überwiegenden Mehrheit der Befragten (90%) die Überzeugung durchgesetzt, dass besonders Mischobjekte bei Transformationsimmobilien helfen, über den gesamten Lebenszyklus hinweg Ertragssicherheit zu gewährleisten. Denn die Verteilung auf verschiedene Branchen mindert das Mietausfall-Risiko.

Und die Transformation etwa von innerstädtischen Bestandsobjekten weckt offenbar auch die Kreativität. Denn laut Studie verbindet der Großteil der Befragten damit die Chance, „ein zukunftsfähiges Nutzungskonzept umzusetzen“. Gleich danach folgt als Motiv die oben bereits erwähnte „hohe Ertragssicherheit“ und natürlich die „Wertsteigerung der Immobilie“ gefolgt von dem Ziel, über den weiteren Lebenszyklus möglichst wenig CO2-Emissionen zu verursachen.

Auf die Frage nach der bevorzugten Nutzungsart ist sich das Gros der Befragten offenbar auch einig: Wohnnutzungen in Form von freifinanzierten und geförderten Wohnungen sowie betreutes Wohnen, aber auch Einzelhandel des periodischen Bedarfs. Dabei sind 90% der Investoren und Entwickler laut Studie bereit, für ein Transformationsprojekt – bis zu einem gewissen Grad – die damit einhergehenden Kostenunsicherheiten in Kauf zu nehmen. Denn beim Umbau von älteren Gebäuden kann es unangenehme Überraschungen geben, so dass die Kosten schwer kalkulierbar sind.

Investoren sind bereit, in Vorleistung zu gehen

Und sie sind bereit, in Vorleistung zu gehen und die Schwerpunkte bei der Transformation auf Nachhaltigkeit zu legen, wenn sie dadurch z.B. eine schnellere Baugenehmigung erwirken können. Im Einzelnen gehören dazu energetische Fassaden, besonders hochwertige Außenanlagen oder ökologische Ausgleichsmaßnahmen, Mehrkosten für „kreislauffähige Konstruktionen und Baustoffe“ bzw. zur Vermeidung von Bauabfall beim Umbau. Die Mehrheit (60%) wäre für eine schnelle Baugenehmigung auch bereit, Flächen für soziale und kulturelle Organisationen zu reduzierten Mieten anzubieten. Geringer ist dagegen die Bereitschaft (knapp 50%), in den Objekten einen höheren Anteil für sozial geförderten Wohnraum bereitzustellen.

Eine günstige Voraussetzung für die Transformation ist auch, dass gewerbliche Mieter laut Studie offenbar bereit sind, eine höhere Kaltmiete für energieeffiziente Flächen, die in ökologisch nachhaltiger Bauweise erstellt wurden, zu akzeptieren: „Zudem beobachten die Befragten beim Mieter auch eine wachsende Bereitschaft, beispielsweise Zugeständnisse beim Einsatz von recyceltem Material zu machen“, heißt es weiter.

Bleibt schließlich noch der Blick auf die politischen Rahmenbedingungen für Transformationsprojekte, die sich aus Sicht der Marktakteure aber noch „nachhaltig verändern“ müssen. Sie wünschen sich von den politischen Institutionen vor allem eine „verbesserte Umsetzbarkeit“. So steht laut Felix Embacher (Foto) ganz oben auf der Wunschliste eine „erleichterte Nutzungserlaubnis“ und eine „Befreiung von Auflagen“ sowie die „Erlaubnis einer höheren Flächenausnutzung“.

Das Gros der Befragten (80%) wünscht sich nach seinen Worten „eine klare ämterübergreifende Projektorganisation bei den Kommunen sowie die Zusammenführung von schnellen Planungsprozessen und Bürgerbeteiligung.“ Beim Blick auf die potenziellen Fördermöglichkeiten fällt das Urteil der Experten eher verhalten positiv aus, zumal diese aus Sicht der Politiker möglichst nichts kosten sollen. Embacher sieht hier noch „Optimierungspotenziale von Seiten des Gesetzgebers und der Förderinstitute“.