Strukturwandel

Was ist das „New Normal“ bei Retail Assets?

Wohnen und Discounter unter einem Dach. Foto: Ratisbona

rv DÜSSELDORF. Wie sehr die Zwangsmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die jetzt erneut verschärft wurden, weite Teile des Nonfood-Einzelhandels und damit den Handelsimmobilienmarkt belasten, zeigen die vielen Zahlen und Berichte. Der Leidensdruck treibt den bereits seit Jahren laufenden Strukturwandel in der Branche stärker voran. Zentrale Themen sind die Digitalisierung des stationären Geschäfts, Urbanisierung und Overstoring bei Handelsflächen. Aber auch die erfolgreiche Nahversorgungsbranche denkt über ihren Tellerrand hinaus.

So mahnt Sebastian Schels, geschäftsführender Gesellschafter des Investors und Entwicklers von Nahversorgungsimmobilien und Fachmarktzentren, Ratisbona Handelsimmobilien, ein tiefgreifendes Umdenken im Einzelhandel, hin zu „Co-Retail“ an, wie er bei einem Online-Pressgespräch von Feldhoff & Cie. darlegte. Dabei sieht er zwei wesentliche Trends. Während der Wert einer hohen Versorgungssicherheit und Nahversorgungsqualität bei Städten und Gemeinden schon seit einigen Jahren im Fokus steht, ist in vielen Kommunen heute der Wohnraum knapp.

Vor diesem Hintergrund prüft der Regensburger Entwickler laut Schels „mittlerweile bei allen Projekten Obergeschossnutzungen und projektiert Mixed-Use-Konzepte aus Einzelhandel und Wohnen (Foto: Ratisbona Handelsimmobilien) überall dort, wo es möglich ist“. Das Interesse bei Kommunen ist groß. Ein wichtiger Nebeneffekt respektive der ökologische Mehrwert solcher Mischobjekte ist, dass dafür weniger Fläche versiegelt werden muss.

„Um die Zukunft des Handels in den Innenstädten zu gestalten“, so erläutert Schels weiter, „müssen wir an vielen Punkten ansetzen“. Dabei ist aus seiner Sicht ein tiefgreifendes Umdenken im Einzelhandel notwendig, um speziell Plattformen wie Amazon die Stirn zu bieten. „Co-Working und Co-Living sehen wir schon länger“, so Schels: „Eine solche neue partnerschaftliche Logik braucht auch der Handel. Vom ‚Einzel-Handel‘ zum Co-Retail – das ist der Weg.“

In dieser Zeit des Strukturwandels im Einzelhandel wirken die Pandemie-bedingten Zwangsmaßnahmen nach den Worten von Christine Hager, u.a. Managing Director und Head of Shopping-Center Asset Management bei der Hamburger Redos Gruppe noch als zusätzlicher Beschleuniger. So habe die Pandemie gezeigt, dass Händler, die schon vor der Krise mehrere Vertriebswege bedienten, in der aktuellen Lage klar im Vorteil waren.

Aus ihrer Sicht eröffnet die Digitalisierung große Chancen, die Stärken des stationären Einzelhandels auszubauen und durch zusätzliche Services zu verbessern: „Die Zukunft heißt Convenience durch Technologie. Dafür muss die Digitalisierung noch viel stärker auf der Fläche ankommen“, ist Hager überzeugt. Grundsätzlich merkte sie bei der Pressekonferenz aber an, dass ein weiterer Shutdown für den stationären Einzelhandel nicht tragbar wäre.

Zumal die diversen Lockdowns - insbesondere der aktuelle mitten im wichtigen Weihnachtsgeschäft - das Konsumentenverhalten nach den Worten von Ralf-Peter Koschny, Vorstandssprecher der Bulwiengesa AG weiter verändern werden, da ein großer teil der Bundesbürger dadurch gezwungen wird, zuhause zu bleiben und vermehrt online bestellt wird. Die restlichen Geschenke die nach der erneuten Zwangsschließung ab dem 16. Dezember noch fehlen, müssen zwangsläufig im Internet bestellt werden. Ob es nach der Pandemie ein „Back to Normal“ geben kann oder wie die „Neue Normalität“ in Zukunft aussehen wird, ist derzeit offen.

Klar ist aber, dass sich der Trend zu weiteren Nutzungen in großen Einzelhandelsimmobilien verstärken wird, schon weil mit Blick auf den Multichannel-Vertrieb viele Anbieter künftig weniger Verkaufsfläche benötigen. Darin sehen offenbar auch immer mehr Investoren eine Chance, wie den Worten von Johannes Pohl, Geschäftsführer der S&P Commercial Development, zu entnehmen ist. „Gerade die Kombination aus Wohnen und Einzelhandel ist bei Investoren beliebt, denn sie bietet viel Sicherheit unabhängig von der Konjunktur“, bestätigt er auch die Einschätzung von Schels, gibt aber zu bedenken, dass dies vor sechs Jahren noch ganz anders gesehen wurde. Denn das Management ist diffiziler.

„Heute sehen wir, dass Mixed-Use nach und nach die Innenstädte erobert“, so der Geschäftsführer: Dass dadurch Frequenzbringer mit Gütern des täglichen Bedarfs in die Innenstädte zurückkehren, sieht Pohl als Vorteil, weil sich die innerstädtischen Lagen dadurch neu beleben könnten.