Mietverträge

Warnung vor dem „Mietaussetzungsirrtum“

Bild: BTE

Kaum dass im März, als die Corona-Krise um sich zu greifen begann, die ersten Kontaktverbotsmaßnahmen ausgesprochen waren und Ladenschließungen drohten, machten auch schon die ersten Nachrichten von Mietaussetzungen die Runde: Vor allem die in der Krise besonders leidgeplagte Gastronomie, die Hotellerie und Teile des Nonfood-Einzelhandels müssten sich, so hieß es, keine Sorgen machen, ihre Miete auf Grund fehlender Einnahmen nicht zahlen zu können.

Vielmehr wurde ein Gesetz erlassen, wonach bis Juni keine Mahnungen wegen unterlassener Mietzahlungen ausgesprochen werden dürfen. Seitdem häufen sich die Zahlen der Unternehmen, die mit der Feststellung an ihre Vermieter herantreten: Wir zahlen nicht. Neben Adidas, Deichmann, Takko und Co., die früh damit für negative Schlagzeilen gesorgt haben, gehen auch viele kleinere und mittelständische Unternehmen mit einer großen Selbstverständlichkeit an die Sache heran.

So simpel es klingt, so solidarisch der Anschein ist, so liegt diesem Verhalten doch ein fundamentales Missverständnis zugrunde: Wer meint, in der aktuellen Ausnahmesituation eine Aussetzung von Mietzahlungen quasi einklagen zu können, geht schlicht und einfach von falschen Voraussetzungen aus – und das tun derzeit viele. Denn auch wenn aktuell keine Mahnungen ausgesprochen werden dürfen: Eine tatsächliche Mietaussetzung kann nur in beiderseitigem Einvernehmen mit einem kulanten Vermieter ausgemacht werden.

Dass Vermieter in der aktuellen Covid-19-Pandemie Verantwortung übernehmen müssen, ist selbstverständlich absolut richtig und notwendig. Schließlich sind die Maßnahmen zur Mieterleichterung essenzielle Bausteine im Bestreben, den deutschen Einzelhandel und damit die Wirtschaft als Ganzes möglichst nur mit einem blauen Auge durch die Krise zu bringen. Das nützt am Ende des Tages auch den Vermietern selbst.

Solidarität lautet das Stichwort, und eine beeindruckende Mehrheit der Gesellschaft gibt ein beispielloses Bild ab: Die Nachbarschaftshilfe boomt, bislang skeptische Arbeitgeber genehmigen Homeoffice-Arbeit, Vermieter gestatten Mietstundungen. Es wäre zu wünschen, dass auch das zu den Dingen gehört, die von der Corona-Krise im Gedächtnis bleiben werden – neben den bedrückenden Fernsehbildern von Atemmasken und Quarantäneanzügen. Bei aller Bekundung und Beanspruchung von Solidarität gilt es jedoch, ein gewisses Augenmaß zu bewahren.

Zwei Dinge sind im Hinblick auf die eingeforderte solidarische Haltung von Vermietern zu bedenken: Erstens handelt es sich bei der Beziehung zwischen Mieter und Vermieter nicht, wie vielfach angenommen, um eine bilaterale. Geht es um das Thema Mietaussetzung, tritt ein dritter Akteur auf den Plan: Da Mietansprüche im Rahmen der Finanzierung gerne als Sicherheit an Banken abgetreten werden – Stichwort Mietzession –, müssen diese bei einer Mietaussetzung ebenfalls ihr „Okay“ geben. Ein Vermieter kann also noch so kulant eingestellt sein – erlaubt das finanzierende Kreditinstitut keine Mietaussetzung, kann es auch keine geben. Viele Geldhäuser zeigen sich derzeit allerdings ebenfalls gesprächsbereit.

Zweitens stehen hinter den zur Aussetzung geforderten Mietzahlungsforderungen oftmals eben keine kapitalstarken Kreditinstitute, Versicherungen und Pensionskassen, sondern vielmehr Privatanleger, die ihr Geld entsprechend investiert haben. Diese Anleger haben unter möglichen Zahlungsausfällen umso stärker zu leiden – gerade in der aktuellen Krisen-Situation. Ist eine Vielzahl an Mietern in einem Fondsportfolio betroffen, droht letzten Endes nicht nur ein Ausbleiben der Ausschüttungen, sondern im schlimmsten Fall sogar die Zahlungsunfähigkeit. Das dürfte manch einen Fonds in eine ernsthafte Notlage bringen, manch einen Privatanleger in ernsthaften Misskredit.

Letztlich kommt es bei der Frage nach Mietaussetzung auf den Einzelfall und die wirtschaftliche Situation des Mieters an. Hier ist es am Vermieter, eine feine, solidarische Hand zu beweisen. Unterm Strich aber gilt: Wer seine Miete zahlen kann, der sollte – ebenfalls im Namen der Solidarität – auch zahlen.