Sofortprogramm für Nordrhein-Westfalen

Warenhäuser dürfen nicht zu lange leer stehen

Kaufhof Dortmund braucht eine neue Nutzung. Foto: Galeria Karstadt Kaufhof

Seit Galeria Karstadt Kaufhof als spektakulärstes Opfer der Zwangsschließung 43 Filialen zugemacht hat und die betroffenen Mitarbeiter öffentlichkeitswirksam um ihre Häuser gekämpft haben, suchen Städte, Gemeinden und Landespolitik nach Lösungen für die Misere ihrer Innenstädte. Die Liquidation von Hertie im Jahr 2009 mit zuletzt 54 Filialen hatte deutlich gemacht, welche tiefe Spuren ein leerstehendes Warenhaus in einer Innenstadt hinterlässt.

„Die Kaufhäuser prägen die Innenstädte und Zentren von jeher sehr stark“, heißt es vor diesem Hintergrund im „Sofortprogramm zur Stärkung der Innenstädte und Zentren“ von der Landesinitiative Zukunft. Innenstadt. Nordrhein-Westfalen (NRW): „Hertie- und Horten-Immobilien benötigten Jahrzehnte für die vollständige Transformation. Dies darf sich nicht wiederholen“, schreibt Ministerin Ina Scharrenbach deshalb im Sofortprogramm des Landesministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung von NRW. Die öffentliche Hand will den aktuellen Wandel im Handel nun aktiv begleiten.

Zumal die Schließung der Kauf- und Warenhäuser – und das gilt auch für namhafte Einzelhändler aus der Mode-Branche und die Gastronomie – viele Innenstädte nach den Worten von Ministerin Scharrenbach zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt trifft. Die Frequenzverluste als Folge des Online-Booms wurden durch den Shutdown im Frühjahr und wird durch den Shutdown über Weihnachten dramatisch verstärkt.

In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung daher am 9. Juli 2020 das Sonderprogramm zur Stärkung der Innenstädte und Zentren aufgelegt, mit dem sie den betroffenen Kommunen insgesamt 70 Mio. Euro bereitstellt. Mit 90% werden davon „Interventionen gefördert, um die Handlungsfähigkeit der Akteure vor Ort zu erhalten und Zeit für neue Lösungen zu gewinnen“. Denn Städte und Gemeinden sowie die Eigentümer von Einzelhandelsimmobilien benötigen Zeit, sich auf eine gemeinsame Strategie zu verständigen. 90% der Investitionen trägt dabei das Land und 10% die betroffene Kommune.

Im Zentrum des Sofortprogramms stehen vier Maßnahmen, die helfen sollen, Leerstand möglichst schnell zu beheben, denn leerstehende Ladenflächen erzeugen einen Dominoeffekt, der sich negativ auf die benachbarten Geschäfte auswirkt:

So ist unter Punkt 1der Sofortmaßnahmen die „Anmietung leerstehender Ladenlokale für maximal 70% der Altmiete durch Städte und Gemeinden im Rahmen eines ,Verfügungsfonds‘ geplant, um neue Nutzungen anzusiedeln. Ziel ist ein möglichst großer Belebungseffekt, damit die Frequenz nicht einbricht. Die gemietete Fläche soll dann zu einer reduzierten Miete um bis zu 80% für zwei Jahre weitervermietet werden. Die gewünschten Nutzungsarten sind gemischt: Start-ups aus dem Einzelhandel mit innovativen Ideen, der Gastronomie, dem Bildungsbereich und der Kinderbetreuung sowie Stellflächen für Fahrräder oder E-Ladestationen.

Mehr Immobilien-Know-how für die Kommunen

Bei Punkt 2 des Maßnahmenkatalogs geht es darum, den kommunalen Ansprechpartnern das notwendige Immobilien-Know-how zur Verfügung zu stellen, damit sie „auf Augenhöhe“ mit den Eigentümern agieren können. Das ist auch erforderlich, wenn es darum geht, für die leerstehenden Warenhaus-Filialen eine neue Verwendung zu finden, denn geschlossene Warenhäuser schwächen die Struktur und die Substanz der zentralen Lagen. Der Leerstand darf nicht zu lange dauern.

Unter Punkt 3 der Maßnahmen ist der Zwischenerwerb von Gebäuden, die das Stadtbild der Cities maßgeblich prägen, für die Dauer von drei Jahren vorgesehen, um hier neue Konzepte zur (Zwischen-)Nutzung zu erproben. „Damit soll verhindert werden, dass Spekulanten die Objekte erwerben“, heißt es, „deren Interessen nicht mit denen von Städten und Gemeinden im Einklang sind“. Die Kommunen sollen allerdings nicht dauerhaft zu Immobilieneigentümern werden. Mittelfristig soll es - abhängig vom Standort - zu einer Reprivatisierung mit Umnutzung oder einer dauerhaften Weitervermietung oder zum Abriss der Immobilie kommen.

Unter Punkt 4 geht es um Beratungs- und Planungsunterstützung für das Zentren-Management in den Städten und Gemeinden und die mögliche Verkleinerung von Handelslagen, die angesichts der Verlagerung eines Teils der Handelsumsätze in den Online-Handel mancherorts zu groß geworden sind. Die Flächennachfrage sinkt, sodass auch die Mieten unter Druck geraten.

Konkret sollte mit Blick auf den massiven Leerstand in einigen Innenstädten geprüft werden, ob eine Verkleinerung von Handelslagen erforderlich ist und, wenn ja, wo verkleinert werden soll. „Hier sollen Beratungs- und Planungsunterstützung helfen, den Boden für ein Zentren-Management und den Aufbau eines Verfügungsfonds nach den Förderrichtlinien Stadterneuerung 2008 zu bereiten“, heißt es im Sofortprogramm. Wie sich die Bereiche für Lebendigkeit, Attraktivität und Einkaufen oder zum Ausspannen, planerisch abgrenzen lassen, ist noch offen.

Wichtig ist der Landespolitik vor allem, dass Städte und Gemeinden über die Kompetenz für die Steuerung der (Immobilien-)Prozesse verfügen und den fachkundigen, lokalen Blick für diese Spezialimmobilien haben, so dass sie den Investoren Investitionssicherheit geben können. Hier können die Kommunen im Rahmen des Programms Spezialisten für die Planung und Steuerung zu Rate ziehen. Für Machbarkeitsstudien, Beratung, Gutachten, städtebauliche Planungen, Klärungsprozesse etwa dürfen bis zu 250 000 Euro ausgegeben werden.

Die größte Fördersumme geht bislang an Bochum

Mit 129 Kommunen, die noch in diesem Jahr 40 Mio. Euro aus dem Sofortprogramm  erhalten, ist das Projekt nach Mitteilung des Landesministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellunggestartet. Da noch weitere 30 Mio. Euro aus dem 70-Mio-Euro-Programm vergeben werden können, wurde die Frist für die Vorlage der Förderanträge laut Ministerium bis zum 30. April 2021 verlängert.

Mit 1,8 Mio. Euro erhält Bochum für seine Innenstadt bislang die höchste Summe. Die Stadt will das Geld ausgeben, um ein Zentrenmanagement zu aktivieren, leerstehende Ladenlokale anzumieten und für Nachnutzungskonzepte für großer Einzelhandelsimmobilien verwenden. Auch in Solingen und in Warendorf soll das Geld in leerstehende Geschäfte in der Innenstadt resp. in der Altstadt fließen, es soll ein Zentrenmanagement eingerichtet werden und Immobilien „zwischenerworben“ werden. Dafür erhalten die Städte jeweils 1,3 Mio. Euro.

Auch für das Zentrum von Mönchengladbach-Rheydt gibt es laut Ministerin Scharrenbach rund 1 Mio. Euro, um die Innenstadt wieder zu beleben. Hier gebe es wirklich schöne Plätze, aber zu viel Leerstand. „In Rheydt drängt es besonders, davon habe ich mich vor Ort überzeugen können.“ Das soll sich nun ändern.

Die Anmietung leerstehender Flächen und die Aktivierung eines Zentrenmanagements sind auch die Schwerpunktthemen in geförderten Städten wie Duisburg, Lünen oder Gladbeck - um nur einige zu nennen. Duisburg etwa will die Wirtschaftsförderung um einen Geschäftsimmobilienberater ergänzen, der sich kompetent um die Eigentümer der Immobilien kümmert. Im Fokus stehen dabei Themen wie die Modernisierung der Ladenflächen, Vermietungs- und Nachnutzungschancen sowie die Inanspruchnahme von Förderprogrammen und Finanzierungsmöglichkeiten. Für ihre Innenstadt erhält die Duisburg 195 000 Euro.