Shopping-Center-Markt

Vor dem großen Transformationsprozess?

Verkaufsobjekt Gera Arcaden. Foto: Unibail-Rodamco-Westfield

Um die Ex-Lieblinge der Investoren, die Shopping-Center, die sich mit ihren zahlreichen Mietern aus unterschiedlichen Branchen lange durch eine hohe Risikostreuung auszeichneten, ist es in den vergangenen Jahren ruhiger geworden. Auf dem Investmentmarkt für Handelsimmobilien fielen sie wegen der geringen Zahl an Transaktionen kaum ins Gewicht. Mit Blick auf den Wandel in diesem Markt stellt das EHI Retail Institute in seinem Shopping-Center Report 2022 deshalb die provokante Frage in den Raum: Hat das Modell Shopping-Center noch eine Zukunft?

Um diese Frage für Deutschland zu beantworten, hilft oft der Blick über den Atlantik in die USA, wo viele Zukunftstrends bereits erkennbar sind – auch wenn diese meist nicht „eins-zu-eins“ übertragbar sind. „In den Vereinigten Staaten hat der Wettbewerb mit den Online-Anbietern längst die Lebensfähigkeit vieler Shopping-Center in Frage gestellt“, schreibt Rainer Pittroff, Projektleiter Shopping-Center beim EHI Retail Institute in Köln, im EHI Shopping-Center Report 2022.

Denn der tiefgreifende Strukturwandel durch die Online-Konkurrenz hat der Expansion des stationären Einzelhandels in den vergangenen Jahren – auch hierzulande – einen spürbaren Dämpfer versetzt – nicht zuletzt, weil die Branche das Geld für den Aufbau eines eigenen Online-Shops sowie einer Multichannel- oder Cross-Channel-Strategie benötigte. Die langen Shutdowns zur Pandemie-Bekämpfung 2020 und 2021 haben diesen Trend nochmals verstärkt, da „Online“ die einzige Möglichkeit bot, die Kunden noch zu erreichen.

Dass viele namhafte Handelsunternehmen im Rahmen von Schutzschirm- oder Insolvenzverfahren ihr Filialnetz verkleinert haben, hat zusätzlich dazu beigetragen, dass die Nachfrage nach Handelsflächen zurück geht, wie auch Marcus Eggers, Geschäftsführer der IPH Centermanagement GmbH, anmerkt, das Trading down sei vielerorts Realität.

In den USA stehen laut EHI-Report schon viele Einkaufszentren auf Grund höherer Leerstandsquoten und der mit Blick auf die aktuelle Lage zu hohen Mieten zunehmend unter Druck: Erschwerend kommt hinzu, dass die klassischen und renommierten Ankermieter früherer Jahre, die Department Stores wie Sears, JC Penney und Macy‘s in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind.

So rechnen Experten bis 2025 damit, dass in den USA etwa ein Viertel der Einkaufszentren schließen muss. Beim Vergleich mit Deutschland muss man aber berücksichtigen, dass die Verkaufsfläche in den USA etwa dreimal so hoch ist wie in Deutschland mit seinen 1,45 qm pro Kopf. Entsprechend ist auch der Druck auf die Branche in den Vereinigten Staaten viel höher.

Vor diesem Hintergrund weist auch Eggers darauf hin, dass wir in Deutschland zwar noch weit von solchen amerikanischen Verhältnissen entfernt sind, doch seien neue Nutzungskonzepte auch hier dringend gefragt, „sonst könnte es auch hierzulande vereinzelt so weit kommen“. In den USA setzen große Betreiber in diesem Kontext laut Pittroff auf spektakuläre Unterhaltungsformate wie Cyber Sport Arenen, Basketball-Plätze und große Aquarien, um eine reale Alternative zum Online-Shopping zu schaffen. In Deutschland, wo die meisten Center kleiner sind als in den USA und 232 der 493 Center in den Innenstädten angesiedelt wurden, sehen Experten andere Wege, erwarten aber auch – genauso wie bei den Warenhäusern – einen „erheblichen Transformationsprozess mit vielen Umstrukturierungen“.

Auseinandersetzen muss sich die Branche in diesem Kontext auch hierzulande mit der Tatsache, dass die Nachfrage vieler Handelskonzepte nach neuen Flächen in Einkaufszentren – und Einkaufsstraßen – auf Grund der oben aufgezeigten Probleme laut EHI-Report inzwischen deutlich geringer ausfällt. Nur an wenigen Standorten sei es möglich, dass ein Refurbishment allein aus dem Handel entwickelt werden könne, schreibt Pittroff. Hier kommt auch der Wandel im wichtigen Mode-Handel zum Tragen, der auch unabhängig von der Online-Konkurrenz für sich noch nicht den richtigen Weg aus der Struktur-Krise gefunden hat und unter der Kaufzurückhaltung der Kunden leidet.

Im Umkehrschluss bedeutet die Zurückhaltung bei der Flächennachfrage, dass es zu viel Verkaufsfläche gibt, was der Einzelhandel schon vor Jahrzehnten kritisiert hat. Diese Erkenntnis treibt derzeit die Diskussion über das Thema Mischnutzung auch in Shopping-Centern voran. In Anlehnung an Quartiere, die bei Investoren derzeit hoch im Kurs stehen, führt laut Report auch bei Shopping-Centern „am Verschmelzen der unterschiedlichen Asset-Klassen“ oft kein Weg vorbei.

„Shopping-Center müssen zukünftig – wenn sie überleben wollen – viel mehr sein als nur ein Ort zum Shoppen und Essen“, schreibt Pittroff: „Genau wie im urbanen Quartier können Shopping-Center neben dem üblichen Einkaufs- und Gastronomie-Angebot auch Theater, Ärzte, Büchereien oder andere Bildungs- oder Gesundheitsangebote beherbergen.“ Das trägt zur Risikostreuung des Investments bei und könnte die Frequenz am Standort steigern.

Analog zur Zurückhaltung des Einzelhandels bei der Expansion agieren auch Investoren und Entwickler wesentlich vorsichtiger, so dass auch die Zahl der Shopping-Center mit mehr als 10 000 qm Fläche in diesem Jahr bei 493 konstant blieb. Daran änderte auch die Eröffnung des Flair in Fürth nichts, da dadurch nur das City Center an gleicher Stelle ersetzt wurde. Und das Wiesencenter in Jena, das die Schiller-Passage ersetzte und im November eröffnete, ist nur 8 000 qm groß und liegt damit unter der Grenze, ab der Shopping-Center in die EHI-Liste aufgenommen werden.

Derzeit sind etwa 15 Objekte in der Pipeline

Sofern sich die Zahlen des Kölner Instituts bestätigen, sind derzeit 15 Center-Projekte und Mischobjekte in Planung und 2022 könnte sich die Zahl der Center um zwei oder drei erhöhen. Laut Shopping-Center-Report gehören dazu das Märkische Quartier und die Fußgängerzone Gorkistraße/Tegel-Quartier, die in Berlin auf dem Areal des ehemaligen Märkischen Zentrums und des Tegel-Centers entstehen.

Des Weiteren sind vier neue Center in Baden-Württemberg in Planung, drei weitere in Nordrhein-Westfalen wie das Viktoria Karree oder das neue Forum in Herten, die Ende 2022 oder 2023 auf den Markt kommen könnten. Das prominenteste Projekt, das Westfield Überseequartier in Hamburg, soll laut Liste 2023 an den Start gehen. Die Vermietung ist jedenfalls in vollem Gange.

Zurückhaltung auch bei Revitalisierungsprojekten

Aber auch beim derzeit wichtigen Thema Revitalisierung, registriert das EHI Zurückhaltung: „Die Corona-Pandemie hat zur Folge, dass über viele Refurbishment-Vorhaben erst einmal weiter nachgedacht wird, auch wenn klar ist, dass für die nächste Zukunft und den langfristigen Erfolg natürlich das geeignete Konzept für den geeigneten Standort gefunden werden muss“, schreibt Pittroff. Zum ersten Quartal 2022 führt er in der Revitalisierungsliste immerhin 20 Einkaufszentren, die meist in den 1990er-Jahren oder zu Beginn dieses Jahrhunderts eröffnet wurden.

Im Jahr 2021 waren 15 Revitalisierungsmaßnahmen abgeschlossen worden. Nicht selten hätten die erneuerten Center mit ihrem ursprünglichen Erscheinungsbilde nichts mehr gemeinsam, heißt es im Report. Das zeigt, wie sehr sich die Ansprüche in den vergangenen beiden Dekaden geändert haben. An Renovierungen führt – gerade angesichts der angespannten Lage in der Branche – kein Weg vorbei.

Kurzfristigen Anlass zur Hoffnung für die Branche sieht Pittroff in der Tatsache, dass sich das Vermietungsvolumen im Corona-Jahr 2021 mit 465 000 qm laut BNP Paribas Real Estate gegenüber 2020 um 12% verbessert hat – auch wenn das Vor-Corona-Jahr 2019 damit nicht erreicht wurde. Und im ersten Quartal 2022 hat nach Feststellung des Immobilienberaters JLL der Modehandel vor allem mit Großanmietungen dazu beigetragen, dass sich der Flächenumsatz gegenüber 2021 um 10% erhöht hat. Davon dürften auch die Shopping-Center profitieren.

Beim Blick auf den Investmentmarkt und die Investoren, die derzeit vor allem auf Fachmärkte und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgungsangebote fokussiert sind, konstatiert Jan Schönherr, Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, das viele Eigentümer ihre Shopping-Center in den vergangenen Monaten durch ein aktives Asset-Management neu aufgestellt und mit ihren Mietern nachhaltige Verträge abgeschlossen hätten. Diese Stabilisierung in Verbindung mit einem – gemessen an anderen Anlage-Klassen – attraktiveren Renditeniveau sollten aus seiner Sicht den Transaktionsmarkt für dieses Segment wiederbeleben.

So beobachtet Jan Dirk Poppinga, Co-Head of Retail Investment bei CBRE Deutschland, wieder ein wachsendes Interesse an erstklassigen Shopping-Centern, die aber „makellos“ sein müssten wie die Gera Arcaden, die Unibail-Rodamco-Westfield jüngst an die Redos-Gruppe verkauft hat. Dagegen erwartet Jörg Krechky, Head of Retail Investment Services Germany bei Savills, dass vermehrt Center mit Repositionierungsbedarf gehandelt werden, was er als erstes Indiz für eine Wiederbelebung dieses Markts sieht. Der anhaltende Restrukturierungsdruck im Handel könnte aus seiner Sicht dazu führen, dass solche Objekte vermehrt auf den Markt kommen. Allerdings müssen die Preisvorstellungen zusammenpassen.

Und auch Fabian Klein, Head of Investment bei CBRE in Deutschland, sieht bei den Investoren wieder mehr Zuversicht mit Blick auf die Performance von Shopping-Centern. Ein Beispiel dafür könnte der Verkauf des Boulevard Berlin mit 76 000 qm in der Schloßstraße durch die französische Klépierre an York Capital Management, Dunman Capital Partners und Castlelake im vierten Quartal 2021 sein, die laut Cushman & Wakefield größte Einzeltransaktion zum Ende des vergangenen Jahres.