Lebensmittelhandel

Vor allem Supermärkte profitierten von der Krise

rv DÜSSELDORF. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2021, die für den stationären Nonfood-Handel von Zwangsschließungen geprägt waren, wuchs der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes nominal um 2,4%. Das Kontrastprogramm dazu bot der weitgehend geschlossene stationäre Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren mit einem Minus von nominal 37,6%. Im Jahr 2020 erzielte der deutsche Lebensmittelhandel laut EHI Retail Institute einen Umsatz von 179,8 Mrd. Euro.

Wie sehr sich die Präferenzen der Bundesbürger – auch unter dem Eindruck der diversen Lebensmittel-Skandale – bei den verschiedenen Vertriebswegen des Lebensmittelhandels in den vergangenen zehn Jahren verändert haben, zeigt der Blick auf den Zahlen-Vergleich, den das Kölner EHI Retail Institute in seinem Zahlenkompendium Handelsdaten aktuell 2021, für die verschiedenen Vertriebswege des Lebensmittelhandels vorgelegt hat.

Begünstigt vom deutschen Planungsrecht resp. der Novelle von § 11,3 Baunutzungsverordnung (BauNVO), wonach Lebensmittelmärkte mit über 1 200 qm Geschossfläche bzw. 800 qm Verkaufsfläche nur in ausgewiesenen Sondergebieten angesiedelt werden dürfen, dominierten die Discounter mit ihren kleinen Sortimenten und den kleinen Flächen mit weniger als 800 qm in den Dekaden zuvor den hiesigen Lebensmittelhandel. Mit einem Umsatzanteil von 46,1% am gesamten Lebensmittelumsatz stellten sie 2010 den bedeutendsten Vertriebsweg dar.

Auf normale Supermärkte mit Flächen zwischen 400 qm und 2 500 qm entfiel vor elf Jahren ein Umsatzanteil von 26,9%, auf große Supermärkte – darunter dürften Verbrauchermärkte mit 2 500 bis 5 000 qm fallen – von 14,1% und auf SB-Warenhäuser von 9,0%. Auf die „übrigen Lebensmittelgeschäfte“ entfiel ein Anteil von 3,8%. Dabei zeigt der Blick auf die Entwicklung in der folgenden Dekade eine deutliche Verschiebung der Marktanteile zugunsten der normalen Supermärkte und der großen Supermärkte mit ihren im Kontrast zu den Discountern – vielfältigen Sortimenten.

Das gilt vor allem für das Corona-Jahr 2020 mit den Zwangsschließungen und den vielen Homeoffice-Arbeitern. Denn während sich der Marktanteil der Supermärkte bis zum Jahr 2019 kontinuierlich auf 30,8% erhöhte und die großen Supermärkte auf 10,2% zulegten, ging der Umsatzanteil der Discounter bis auf 44,9% zurück. Den größten Umsatzschub erlebten die Vertriebswege dann 2020 als viele im Homeoffice arbeiteten und zu Hause kochen mussten, weil Restaurants und Kantinen geschlossen waren. Dabei legten sie beim Einkauf offenbar viel Wert auf Vielfalt und Ambiente und kauften beim Supermarkt um die Ecke ein.

So konnten die normalen Supermärkte laut EHI im Vorjahr um 13,1% auf insgesamt 57,9 Mrd. Euro zulegen und ihren Marktanteil um 1,4 Prozentpunkt auf 32,2% erhöhen. Die großen Supermärkte wie Verbrauchermärkte wuchsen um 11,8% auf etwa 19 Mrd. Euro und erreichten einen Marktanteil von 10,6%.

Im Gegenzug ging der Marktanteil der Discounter bis zum Jahr 2019 auf die erwähnten 44,9% zurück und sank 2020 nochmals um 1,1 Prozentpunkte auf 43,8%. Laut Marco Atzberger, Mitglied der EHI-Geschäftsleitung, hat nicht zuletzt das veränderte Einkaufsverhalten der Bundesbürger in Zeiten der Pandemie zu dieser für die Supermärkte positiven Entwicklung beigetragen. Der Blick auf die absoluten Zahlen zeigt aber auch, dass die Discounter vorerst die dominierende Vertriebsschiene in Deutschland bleiben. Sie erreichten im vergangenen Jahr zwar nur ein Umsatzplus von 5,5%, doch ist die absolut Umsatzzahl von 78,7 Mrd. Euro immer noch höher als die der normalen und der großen Supermärkte, die es zusammen auf 76,9 Mrd. Euro bringen.

In vielen Nahversorgungszentren im ländlichen Raum bilden Discounter oft den Ankermieter aus dem Lebensmittelhandel. Mit dem veränderten Einkaufsverhalten der Bundesbürger könnte die Bedeutung der Supermärkte, die an prominenten Standorten etwa in den Metropolen verstärkt auf Trading-up setzen, in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen.

Im ländlichen Raum dürften dagegen die Discounter weiter stark bleiben. Und auch die SB-Warenhäuser, die seit 2010, als ihr Umsatzanteil noch bei 14,1% lag, stetig Marktanteile verloren haben und zwischen 2019 und 2020 nochmals 0,3 Prozentpunkte von 11,1 auf 10,8% einbüßten, haben mit ihrem großen Nonfood-Sortiment im ländlichen Raum eine andere Bedeutung als in den großen Städten. Zumal es in vielen Kleinstädten viele Fachgeschäfte des Nonfood-Einzelhandels inzwischen nicht mehr gibt.

Die künftige Entwicklung auf dem Lebensmittelmarkt wird aber auch davon abhängen, ob es noch weitere Corona-Wellen gibt und wie die neue Normalität in Deutschland nach Abflauen der Pandemie aussieht. Vieles spricht dafür, dass die Menschen mit den Lockerungen wieder mehr Außer-Haus essen gehen und weniger zu Hause kochen. Dadurch könnten die Wachstumsraten schrumpfen.