Infektionsschutzgesetz

Viele Händler verlieren jegliche Perspektive

Click & Collect ist für den Einzelhandel wichtig. Foto: R: Vierbuchen

rv DÜSSELDORF. Seit der zweiten Zwangsschließung von weiten Teilen des Nonfood-Einzelhandels im vergangenen Dezember hat sich die Lage durch die vereinzelten Lockerungsmaßnahmen nicht grundlegend verändert. Nach einer Umfrage unter gut 1 000 Unternehmen sehen 45% der Befragten im Laufe dieses Jahres ihre Existenz akut gefährdet. Dabei sieht die erneute Änderung des Infektionsschutzgesetzes für den Einzelhandel weitere Verschärfungen vor.

„Viele Nicht-Lebensmittelhändler verlieren aufgrund der angekündigten Veränderungen im Infektionsschutzgesetz jegliche Perspektive“, konstatiert Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), der die Umfrage jüngst vorgelegt hat. Selbst Einzelhändler, die auf Grund der neuen Regelungen nur noch Kunden mit negativem Test in ihre Verkaufsräume lassen durften, verzeichneten nach Feststellung des Einzelhandelsverbands Verbands Umsatzverluste von etwa 62%.

Und die Einzelhändler, die Kunden bislang mit Terminvereinbarung einkaufen lassen durften, verzeichneten einen Erlösrückgang von knapp 50%. Insgesamt verloren die von den Zwangsschließungen besonders betroffenen Innenstadthändler in den vergangenen Wochen laut HDE - gemessen an den Vor-Corona-Zeiten - etwa 60% ihrer Erlöse. Das Problem: Einkaufen mit Negativ-Test oder Terminvereinbarung verhindern den spontanen Einkaufsbummel in der Freizeit und den Spontaneinkauf.

Dabei war nach einem Bericht des Mittelstandsverbunds beim zweiten Wirtschaftsgipfel von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit etwa 40 beteiligten Verbänden aus der Wirtschaft und von Kulturbetrieben allgemeiner Konsens, dass der stationäre Einzelhandel kein Infektionsherd für Covid-19 ist, wie der Präsident des Verbundes, Eckhard Schwarzer, berichtete. Zudem verweist auch der HDE auf die zuletzt vorgelegten Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts sowie die aktuelle Studie der TU Berlin mit dem Titel „Abschätzung der Infektionsgefährdung durch Corona im Einzelhandel“, wonach die Wahrscheinlichkeit, sich im Einzelhandel anzustecken, eher niedrig sei.

Angesichts dieser Tatsache sind die im jüngsten Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorgesehenen zusätzlichen Beschränkungen des Einzelhandels „völlig unverhältnismäßig“, schreibt HDE-Hauptgeschäftsführer Genth deshalb in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten, die in dieser Woche über das Gesetz abstimmen mussten.

Für die von den Maßnahmen unmittelbar betroffene Branche ist es laut Genth deshalb auch in „keinster Weise nachvollziehbar, dass im aktuellen Gesetzentwurf zu § 28 b (1) Ziffer 4 für den Einzelhandel Regelungen vorgesehen sind, die weit über die Bund-Länder-Beschlüsse vom 22. März und den Status quo vor dem 7. März hinausgehen und für den Einzelhandel gravierende weitere zusätzliche Beschränkungen implizieren“. Mit Blick auf die Abstimmung im Bundestag appellierte der Hauptgeschäftsführer deshalb an die Abgeordneten, sich dafür einzusetzen, dass sich die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes nur auf „erforderliche und nachweislich geeignete Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung beschränken“. Denn weitere Verschärfungen im Einzelhandel sind aus Genths Sicht nicht erforderlich. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen zusätzlichen Beschränkungen im betroffenen Nonfood-Einzelhandel seien völlig unverhältnismäßig und unter dem Gesichtspunkt der Pandemiebekämpfung auch nicht zielführend.

Auch die Geimpften müssen berücksichtigt werden

Deshalb fordert der Verband unter Punkt 1 seiner Liste, „keine weiteren Beschränkungen des Einzelhandels im „Notbremsfall“ gegenüber dem Status quo oder sogar gegenüber dem Regelungszustand vor dem 7. März 2021. Das bedeutet, dass die Begrenzung von einem Kunden je 10 qm Verkaufsfläche bestehen bleibt.

Des Weiteren fordert der HDE die von Inzidenzen unabhängige Öffnung der sogenannten privilegierten Geschäfte wie den Lebensmittelhandel sowie Direktvermarktung, Getränkemärkte, Reformhäuser, Apotheken, Babyfachmärkte, Drogerien, Tankstellen, Buchhandlungen, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, Blumenfachgeschäfte und Gartenmärkte.

Es sollten zudem Öffnungsmöglichkeiten für alle Geschäfte in Abhängigkeit der Intensivbettenauslastung und der Inzidenzwerte nach RKI-Empfehlung eingeräumt werden, heißt es weiter: „In jedem Falle muss unabhängig von Inzidenzen die Abholung bestellter Waren auch im Falle der Schließung von Geschäften möglich bleiben (Click & Collect)“, mahnt der Hauptgeschäftsführer. Denn beim Abholen von Ware ist die Infektionsgefahr sehr gering. Zudem würde dem stationären Nonfood-Handel dadurch ein wichtiger Absatzweg verbaut. Das Thema ist aber auch vom Tisch.

Unter Punkt 2 der Liste fordert der Verband eine „Öffnungsklausel für länderspezifische Regelungen, die im nicht privilegierten Handel Einkauf nach Terminvereinbarung bei Vorlage eines tagesaktuellen negativen Tests vorsehen“. Und unter Punkt 3 bezieht er auch die Kunden ein, die inzwischen geimpft sind und die eine Impfbescheinigung vorlegen können, und die dann den gesamten Einzelhandel ohne Einschränkungen nutzen können.

Kein Verbot von „Click & Collect“

Und sofern im Verlauf der Pandemiebekämpfung tatsächlich „strengere Beschränkungen auch im wirtschaftlichen Leben erfolgen“ müssten, so fordert Genth, dass sich diese dann nicht mehr nur auf die bisher betroffenen Branchen wie eben den Einzelhandel, die Gastronomie, Hotellerie, Messen, Veranstalter, Kunst und Kultur erstrecken sollten, sondern alle Bereiche erfassen, „die nachweislich einen Beitrag zum Infektionsgeschehen leisten“.

„Sollte es dennoch zu weiteren Schließungen des Handels kommen“, so schreibt der HDE-Hauptgeschäftsführer weiter, „ist eine angemessene finanzielle Entschädigung erforderlich, die über die bisherigen Wirtschaftshilfen hinausgeht“. Denn andernfalls dürften tausende von Unternehmenspleiten mit dem Verlust von hunderttausenden von Arbeitsplätzen drohen.

Mit Blick auf die von der Bundesregierung früher angekündigten Staatshilfen ergab die HDE-Umfrage unter 1 000 Unternehmen, dass bereits drei Viertel der von den Zwangsschließungen betroffenen Einzelhändler staatliche Hilfe erhalten haben. Fast zwei Drittel würden aber auch noch auf ausstehende Zahlungen warten, heißt es weiter. In diesem Kontext setzt sich der Einzelhandelsverband nochmals dafür ein, dass auf Bundesebene genauso wie auf EU-Ebene bei den Hilfen die Obergrenze abgeschafft wird, damit auch größere Handelsunternehmen, die genauso unter den nun schon seit Monaten anhaltenden Zwangsmaßnahmen leiden, genügend Hilfsgelder erhalten können. Und auch für die Zahlung eines „Unternehmerlohns“ für die inhabergeführten Geschäfte, die aus ihren Umsatzeinnahmen auch ihre Lebenshaltungskosten bestreiten, setzte er sich erneut ein.