Vermietungsmarkt Europa

Viele Aktivitäten im Luxussegment

Viel Bewegung in Europas Einkaufsstraßen. Bild: Fotolia

Nachdem die Post-Pandemieerholung im Laufe des ersten Halbjahres 2023 mit den  steigenden Zinsen, der Inflation und den Krisen abgeklungen ist, erwarten die Experten von BNP Paribas Real Estate (BNPPRE), dass der Einzelhandelsumsatz in diesem Jahr mit den steigenden Lebenshaltungskosten schrumpfen wird, wie sie in ihrem Marktbericht über den europäischen Einzelhandelsmarkt „At a glance – auf einen Blick“, schreiben. In diesem Umfeld zeigt der europäische Vermietungsmarkt für Retail Assets ein zweigeteiltes Bild – je nachdem, wie stark die Kunden vom Kaufkraftschwund betroffen sind.

Dass der inflationsbedingte Kaufkraftschwund dem Premium- und Luxus-Handel auch in dieser Krise wenig anhaben kann, liegt auf der Hand. Seine Klientel reagiert unsensibel auf steigenden Preise. Im Gegenteil: Für viele gehört es zum Prestige, sich in diesen Zeiten Luxus leisten zu können. Im Kontrast dazu verzeichnen die Handelsmarken des Massenkonsums niedrigere Handelsspannen und sind deshalb gezwungen, ihre höheren Material- und Logistik-Kosten auf die Preise aufzuschlagen. Das treibt die Verbraucher – um die Inflation auszugleichen – zu den Discountern, die mit ihrem niedrigen Preisniveau gerade in Krisenzeiten profitieren.

Während also die beiden extremen Ränder des europäischen Einzelhandels – das Luxussegment auf der einen und der Discountbereich auf der anderen Seite – im ersten Halbjahr eine sehr starke Entwicklung verzeichneten, müssen die Handelsmarken im mittelpreisigen Segment ihre Geschäftsmodelle überarbeiten und verfeinern, um ihre Kosten im Griff zu behalten und ihre Gewinnspanne zu sichern, wie der Immobilienberater BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) in seinem Marktbericht über den europäischen Einzelhandelsmarkt „At a glance“ schreibt.

So dominierten im ersten Halbjahr vor allem Premium- und Luxus-Marken in Europas Innenstädten den Vermietungsmarkt. Gleichzeitig setzen innovative Marken aus dem konsumigen Bereich mit den Schwerpunkten Gesundheit und Wellness, Kosmetik, Parfümerie und Straßenbekleidung laut Report in stetigem Tempo auf die Eröffnung neuer Läden, die den neuesten Standards entsprechen. Vor allem die Modemarken aus dem konsumigen Bereich zeichnen sich demnach durch ihr ultra personalisiertes Kauferlebnis aus.

Die Folgen der gestiegenen Lebenshaltungskosten decken gleichzeitig die Schwächen der Marken aus diesem Segment auf, vor allem bei den Unternehmen, die bei ihren Omnichannel-Strategien noch nicht die richtige Balance zwischen „online“ und „offline“ gefunden haben, was laut BNPPRE zu zahlreichen Insolvenzverfahren, Liquidationen oder der Restrukturierung von Traditionsunternehmen geführt hat.

Gestiegene Lebenshaltungskosten belasten die Einkaufsstraßen

In diesem Umfeld bleiben die innerstädtischen Top-Einkaufsstraßen nach Feststellung des Beraters zwar attraktiv, doch können sie sich dem schwierigen und turbulenten wirtschaftlichen Umfeld nicht entziehen. In weiten Teilen der europäischen Bevölkerung ist der Kaufkraftverlust spürbar. So registrieren die Forscher von BNPPRE in einigen europäischen Einkaufsstraßen einen Abwärtstrend bei den Mieten. Dazu zählen die Oxford Street in London, für die sie eine durchschnittlich Spitzenmiete von 516 Euro je qm und Monat ermitteln, die Kalverstraat in Amsterdam, für die eine Spitzenmiete von durchschnittlich 167 Euro ermittelt wurde und die Aleksanterinkatuin in Helsinki mit 120 Euro je qm und Monat. Für die Avenue des Champs Elysées in Paris ermittelten die Berater den europaweiten Spitzenwert von 1 133 Euro. Im Durchschnitt gaben die Mieten in den konsumigen europäischen Einkaufsstraßen um 5% nach.

Zu den günstigen Faktoren für den stationären Einzelhandel in den namhaften europäischen Einkaufsstraßen gehört indessen, dass sich der Tourismus nach Abklingen der Pandemie inzwischen wieder spürbar erholt hat. Abzulesen ist das laut Marktbericht an der Zahl der Übernachtungen in der EU, die im ersten Quartal 2023 fast schon wieder das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2029 erreichte, das mit -1% nur knapp unterboten wurde. Europaweit berichtete die Hotelbranche demnach von einem Wachstum um 20% gegenüber Mai 2019.

Ähnlich wie in Deutschland registrierte der Immobilienberater auch europaweit eine Normalisierung im eCommerce. Nach zwei Rekordjahren 2020 and 2021 dürfte das Wachstum im Online-Handel auf den langfristigen Vor-Corona-Trend zurückkehren. Die starke Beschleunigung des Internet-Handels, die in der heißen Phase der Zwangsschließungen während der Pandemie im stationären Nonfood-Handel zu übermäßigen Investitionen in Online-Strategien geführt hat, dürfte laut Marktbericht wieder von einem langfristigeren Denken abgelöst werden. So steht heute im Verkaufsprozess die bessere Integration von Online-Präsenz und stationären Geschäften im Vordergrund.

Wettstreit um die Top-Lagen in den Luxuslagen

Sehr aktiv zeigten sich seit Jahresbeginn 2023 die Handelsmarken aus dem Luxussegment, die laut Marktbericht massiv daran arbeiten, ihre Präsenz in den renommierten europäischen Luxuslagen auszubauen. Ein Beispiel dafür sei der seit 2022 zu beobachtende Wettbewerb zwischen den französischen Luxusmarken LVMH und Kering um die besten Standorte in Paris. Auch in London kämpfen die Luxus-Mode-Marken um jeden verfügbaren Standort, wie laut BNPPRE die rekordverdächtige Anmietung eines Ladens an der Ecke Bond Street und Grafton Street durch Yves Saint Laurent zeige.

Andere Luxus-Marken gaben ihr Debüt in neuen Märkten wie Dior in der Avenida de la Liberdade in Lissabon oder die Haute Couture-Marke Schiaparelli im Harrods in London. Diese beständige Nachfrage nach Verkaufsflächen in europäischen Top-Lagen mündete im zweiten Quartal in einigen Einkaufsstraßen in steigende Mieten. In Lagen wie der New Bond Street in London, der Via Montenapoleone in Mailand, der Via dei Condotti in Rom oder dem Kohlmarkt in Wien, die schon recht teuer waren, verzeichneten im ersten Halbjahr 2023 laut BNPPRE weiter steigende Mieten.

Für die New Bond Street in London ermittelte der Berater eine Spitzenmiete von durchschnittlich 2 166 Euro je qm und Monat, für die Via Montenapoleone von 760 Euro, für die Via dei Condotti von 600 Euro und für den Kohlmarkt von 425 Euro. In der Avenue Montaigne in Paris liegt die durchschnittliche Spitzenmiete bei 1 167 Euro. Im europäischen Durchschnitt stiegen die Mieten in den Luxuslagen um 1%.