Vermietungsmarkt Retail

Viel Licht, aber auch Schatten

Esprit verabschiedet sich vom Markt. Foto: R. Vierbuchen

Im Vermietungsmarkt ist viel in Bewegung. Repositionierungen bei namhaften Handelsmarken, Filialschließungen kurz nach der Neuanmietung und auch die Neuausrichtung von Shopping-Centern prägten hierzulande das Vermietungsgeschäft für Retail Assets in den ersten neun Monaten 2024. Für das vierte Quartal herrscht überwiegend Zuversicht.

Angesichts der vielen Krisen von den Folgen der Pandemie für den Nonfood-Handel über die Kaufkraftverluste durch die deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten bis hin zu den moderaten konjunkturellen Aussichten für die deutsche Wirtschaft lagen nach Feststellung der Immobilienberaters BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) im dritten Quartal dieses Jahres auch im innerstädtischen Vermietungsmarkt für Handelsimmobilien gute und schlechte Nachrichten dicht beieinander. Dazu gehört, dass das zur TEH Textilhandel GmbH gehörende Modehaus Aachener, das im vergangenen Jahr noch mit Großanmietungen in leerstehenden Galeria-Warenhäusern von insgesamt 100 000 qm zur Marktbelebung beigetagen hatte, inzwischen selbst insolvent ist und die Flächen wieder freigesetzt werden.

Ein weiteres Beispiel für die laufenden Restrukturierungen ist auch der Herrenausstatter Wormland, der aus der Insolvenz heraus von dem Osnabrücker Modehaus L & T (Lengermann & Trieschmann) übernommen und mit neun Filialen weitergeführt wird, oder die Ankündigung des Handelskonzerns Bluestar Alliance, dem die Markenrechte an der niederländischen Mode-Kette Scotch & Soda gehören, dass er nach der Schließungswelle das Filialnetz in deutschen Einkaufsstraßen wieder aufbauen will. Auch die erneute Insolvenz der Mode-Kette Sinn und die Schließung aller Esprit-Läden wird auf dem Vermietungsmarkt Spuren hinterlassen.

„Nicht zuletzt diese Beispiele großer Einzelhandelsunternehmen spiegeln die Schnelllebigkeit und den Wandel in der Retail-Sparte wider, die auf dem Vermietungsmarkt in einer weiterhin hohen Dynamik bei den aufgebenden aber auch den neu startenden Konzepten in Innenstadtlagen zum Ausdruck kommt“, schreibt BNPPRE in seiner Marktanalyse. Dieses „Auf und Ab“ bei Neuanmietungen und Filialschließungen spiegelt sich auch im Vermietungsvolumen der ersten neun Monate wider. Bereinigt um den Flächenumsatz des Modehauses Aachener ermittelte BNPPRE ein Vermietungsvolumen, das mit etwa 360 000 qm knapp über dem Vorjahresvolumen von etwa 350 000 qm lag. Der Immobilienberater JLL liegt mit 350 600 qm (+4%) in etwa in der gleichen Größenordnung. Für das dritte Quartal allein ermittelte er einen Flächenumsatz von insgesamt 104 700 qm.

Als Indiz für den dennoch bestehenden Aufwärtstrend auf dem Vermietungsmarkt wertet Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services, dass mit fast 650 registrierten Vermietungen und Eröffnungen in den ersten neun Monaten fast 10% mehr Abschlüsse verzeichnet werden konnten als noch zum Ende des dritten Quartals 2023 – damals belebten vor allem die großen Flächenvolumina den Markt. JLL registrierte sogar 697 Abschlüsse bei 236 Neuanmietungen allein im dritten Quartal. 

Dass aber Großflächen mit mehr als 1 000 qm auch jetzt noch das Geschäft prägen, zeigt ihr hoher Anteil von 55% am Gesamtvolumen. Die Chancen für großflächige Anmietungen sind derzeit offenbar günstig – zumal die Spitzenmieten laut JJL bundesweit im zweiten Quartal im Schnitt um 1% gesunken waren.

Vor allem Großflächen prägen das Geschäft

Dieser Trend spiegelt sich auch bei den Vermietungen im innerstädtischen Shopping-Center-Markt wider. Laut BNPPRE erzielte die Branche im Zuge ihrer Repositionierungsaktivitäten mit einem Flächenumsatz von bislang etwa 110 000 qm das höchste Volumen seit 2019 und einen Anteil von knapp 31% am innerstädtischen Flächenumsatz. Beispielhaft ist die Anmietung von 6 400 qm durch Peek & Cloppenburg im Einkaufszentrum Limbecker Platz auf der ehemaligen Karstadt-Fläche. Nicht viel weniger (6 000 qm) mietet Modepark Röther im Stadtquartier Agnes in Göppingen. H&M Home sicherte sich 3 000 qm im Boulevard Berlin und die Mode-Kette Only 2 000 qm im Shopping-Center Loom in Bielefeld. „Dies ist als klares Indiz dafür zu werten, dass nicht nur im High-Street-Segment, sondern auch im Shopping-Center-Sektor die Transformation in vollem Gange ist, wobei zugkräftige Ankermieter eine tragende Rolle spielen“, schreibt BNPPRE und stellt gleichzeitig fest, dass sich das Vermietungsgeschäft inzwischen auf sehr unterschiedliche Städtekategorien verteilt.

Das sieht JLL ähnlich, wenn der Immobilienberater registriert, dass sich der Fokus der Expansion inzwischen wieder mehr auf die Städte jenseits der Top 10 Metropolen verschoben hat, denn deren Flächenumsatz ist von 180 900 qm und einem Anteil von 54% im Jahr 2023 inzwischen auf 139 400 qm und 40% gesunken. Laut Aniko Korsos, Head of Retail Leasing bei JLL Germany, erreichten die deutschen Metropolen im vergangenen Jahr vor allem deshalb einen so hohen Anteil, weil hier nicht nur zahlenmäßig viel angemietet wurde, sondern auch mehr große Flächen mit über 2 000 qm.

Nicht nachgelassen hat auch das Interesse internationaler Konzepte am deutschen Markt, wie BNPPRE mit Blick auf die deutlich gestiegene Zahl der Markteintritte in den ersten neun Monaten feststellt. Allein im dritten Quartal sind Beispiele wie Guess Jeans mit einem neuen Laden in der Neue Schönhauser Straße in Berlin, zu nennen. Die Mode-Marke Marella, ein Schwesterlabel der italienischen Modemarke Max & Co, hat laut Aniko Korsos für ihren ersten deutschen Laden die Theatiner Straße in München gewählt und einer der führenden Modeanbieter aus Italien, OVS, mietete in Essen 1 100 qm. Die schwedische Modemarke Lager 157 wählte das Einkaufszentrum Waterfront in Bremen für den Einstieg in den deutschen Markt, während die Parfümerie Creed Berlin als Standort für das erste eigene Geschäft wählte. Auch hier zeigt sich bei den Städtekategorien ein gemischtes Bild.

Der detaillierte Blick auf die vielen Neuanmietungen lässt schon vermuten, dass vor allem der expansive Textilhandel – national wie international – wieder stärker auf den stationären Handel setzt und mit 36% den höchsten Anteil am Flächenumsatz erreicht hat – auch wenn er damit unter dem Vorjahreswert von 46% zurückbleibt. Dabei stechen laut Aniko Korsos Bekleidungshäuser wie C&A mit fünf Anmietungen sowie im Young-Fashion-Bereich die Inditex-Gruppe mit elf neuen Flächen für Zara, Bershka, Pull & Bear und Stradivarius hervor. Auf 14 Anmietungen kommt Bestseller mit seinen Marken Only, Only+Sons, Vero Moda sowie Jack Jones.

Textilhandel dominiert wieder das Geschäft

Auf dem zweiten Platz findet sich laut JLL der Bereich Gastronomie/Food (inkl. Lebensmittelmärkte) mit konstant 20% Flächenanteil, vor dem Bereich Gesundheit/Beauty, der auf dem dritten Rang nur noch einen Flächenanteil von 7% erreichte. Hier zeigt sich, dass die Drogeriemärkte ihre vor allem  auf die Innenstädte ausgerichtete Expansion zurückgefahren haben. Nach einem früheren Bericht von JLL waren die Anmietungsaktivitäten der Drogeriemarktketten von 33 200 qm im Jahr 2019 auf 3 390 qm im Jahr 2023 gesunken. Das dürfte darauf hindeuten, dass die Branche ihre Expansionsziele im Bereich Innenstadt und 1A-Lage offenbar erreicht hat.

Auch wenn sich die Vermietungsaktivitäten inzwischen wieder stärker auf unterschiedliche Städtekategorien verteilen, so ändert das nichts daran, dass Berlin mit einem Flächenumsatz von 26 200 qm laut JLL das Feld nach drei Quartalen anführt, allerdings dicht gefolgt von Hamburg mit 25 200 qm. Dass die Hansestadt damit um 47% unter dem Vorjahresniveau zurückbleibt, ist allerdings dem außergewöhnlichen Sondereffekt durch die vielen Vermietungen im Westfield Hamburg-Überseequartiers geschuldet.

Die Überraschung des bisherigen Jahres 2024 ist aus Sicht des Immobilienberaters der gute Platz von Leipzig mit 35 Anmietungen und einem Flächenumsatz von 15 600 qm auf Platz drei, ganz knapp vor München mit 15 300 qm auf Platz vier. Mit 14 700 qm folgt Düsseldorf vor Stuttgart mit 14 300 qm. Köln schaffte mit 10 000 qm den Anschluss an das Vorjahresniveau, während Frankfurt am Main mit 8 600 qm deutlich unter Vorjahr lag. Auf den hinteren Plätzen der Top 10 finden sich Hannover mit 5 500 qm und Nürnberg mit 4 100 qm.

Nachdem die Mieten im Zuge der diversen Krisen und Insolvenzen im Einzelhandel in den vergangenen Jahren unter Druck geraten waren, registrierte JLL zuletzt nahezu unveränderte Spitzenmieten. Eine Ausnahme bildete wie bereits im zweiten Quartal die Spitalerstraße in Hamburg mit einem leichten Rückgang um -2% von 255 auf 250 Euro und die Top-Lage von Nürnberg mit -7% auf 170 Euro. München bleibt mit 340 Euro je qm und Monat in der Kaufingerstraße-Marienplatz an der Spitze vor dem Berliner Tauentzien mit 290 Euro und der Frankfurter Zeil sowie der Düsseldorfer Königsallee mit jeweils 270 Euro an. 

Kaum Veränderungen bei den Spitzenmieten

Bis zum Jahresende erwartet Aniko Korsos bei den Spitzenmieten „keine weitere Veränderung, denn die Nachfrage nach attraktiven Ladenlokalen in hochfrquentierten Einkaufslagen ist nach wie vor sehr hoch und es drängen weiterhin neue Konzepte auf den deutschen Markt“. Deshalb kann sie sich vorstellen, dass der Vermietungsmarkt mit Blick auf die in den ersten neun Monaten verlässliche Flächennachfrage auf ein Jahresendergebnis von 450 000 bis 460 000 qm zusteuert – das wäre in etwa auf Vorjahresniveau.

In diesem Kontext hofft Christoph Scharf nach den jüngsten Erfahrungen mit neu angemieteten Großflächen, die kurzfristig wieder freigesetzt wurden, „dass sich die im Jahr 2024 getätigten Vermietungen als nachhaltiger erweisen werden“ – vor allem für die Nachvermietungsprozesse in den leerstehenden Galeria-Warenhäusern, die für die Einzelhandelslandschaft in den kleineren Städten von großer Bedeutung sind. Aus seiner Sicht kann der Retail-Sektor insgesamt jedoch zuversichtlich in das Schlussquartal blicken, das gerade durch das Weihnachtsgeschäft besonders wichtig ist.