Das Interview

Unser Fokus bei Shopping-Centern ist deutlich lokaler geworden

Tim Mayer

Im Gespräch mit dem Handelsimmobilien Report erläutert Tim Mayer, Head of Asset Management – Retail in Deutschland bei CBRE Global Investors, wie sich das Vermietungsgeschäft verändert hat und wie sich das Unternehmen in diesem Umfeld neu positioniert.

Handelsimmobilien Report:Herr Mayer, das Handelsimmobilien-Portfolio von CBRE Global Investors besteht aus neun Objekten. Wie beurteilen Sie die Lage dieser Einzelhandelsobjekte in der heutigen Zeit? Es ist doch eine heterogene Mischung.

Tim Mayer: Die Lage ist in der Tat sehr heterogen. Unsere nahversorgungsorientierten Center funktionieren sehr gut und zeigen sich krisenresistent. Die Frequenzen und Umsätze befinden sich wieder auf dem Niveau von 2019. Die innerstädtischen Shopping-Center liegen bei den Frequenzen noch deutlich hinter 2019. Hier fehlen die Touristen und Büromitarbeiter. Hinzu kommt der Trend, dass die Menschen verstärkt in ihrer Nachbarschaft einkaufen. Positiv ist hervorzuheben, dass der Durchschnitts-Bon der Besucher deutlich gestiegen ist und wir nur noch von einem einstelligen prozentualen Umsatzrückgang im Vergleich zu 2019 sprechen.

HIR:Wie hat sich das Vermietungsgeschäft in den vergangenen Jahren verändert? Nach der Finanzkrise hatte der deutsche (Textil)Einzelhandel stark expandiert.

Mayer: Die Vermietungen im Bereich Textil, vor allem bei den Filialisten ist deutlich zurück gegangen. Man kann sogar davon sprechen, dass viele Textilhändler ihr Portfolio bereinigen und Geschäfte geschlossen werden. Das wird allerdings aufgefangen durch neue Trends, zum Beispiel zurück zum lokalen Einzelhändler. Hier wurden in unseren Objekten ein paar tolle Konzepte ins Leben gerufen, wie beispielsweise der Sneaker-Store Spacewalk im Sevens in Düsseldorf, das Streetwear-Label Sin Decade in der Stadtgalerie Heilbronn oder der Lifestyle-Store Allike im Hanseviertel Hamburg. Hinzu kommt eine spürbare Expansion der Textil-Discounter. So haben wir im September einen NKD im Lurup Center Hamburg eröffnet und im August einen Takko im Rahlstedt Center Hamburg.

HIR:Wer expandiert besonders stark?

Mayer: Grundsätzlich findet eine bemerkenswerte Expansion im Discount-Bereich statt. So hat der Non-Food-Discounter Action im Lurup und im Rahlstedt Center in diesem Jahr zwei Geschäfte in unseren Hamburger Stadtteilzentren eröffnet. Zusätzlich findet eine starke Expansion im Bereich Nahversorgung statt. Wir eröffnen zum Beispiel im Oktober einen ELMA Supermarkt im Leine Center Laatzen und einen Bahlsen im Lurup Center Hamburg.

HIR:Wie hat CBRE Global Investors auf diese Veränderung im Vermietungsgeschäft reagiert? Haben Sie sich neu aufstellen müssen?

Mayer: Unser Fokus ist deutlich lokaler geworden. Wir versuchen an den Standorten mit den lokalen und regionalen Einzelhändlern ins Gespräch zu kommen. Diese Vorgehensweise ist sehr aufwendig, da wir es mit eher Shopping-Center-unerfahreneren Händlern zu tun haben. Dafür hilft uns die Orientierung Richtung lokaler Marken, unseren Centern einen neuen USP zu geben. Das Einkaufserlebnis ist nicht mehr nur von internationalen Marken geprägt, die man in jeder beliebigen Stadt finden kann.

HIR:Welche Händler oder Branchen haben überhaupt noch ein Interesse an der Eröffnung neuer Läden? Nach welchen Kriterien gehen diese Händler vor?

Mayer: Da sind unter anderem die bereits oben erwähnten lokalen Einzelhändler, Discounter-Konzepte und Nahversorger zu nennen. Die Kriterien haben sich auf beiden Seiten, also bei den Händlern und beim Eigentümer, stark verändert. Vor nicht allzu langer Zeit waren wir danach bestrebt, 10-Jahresmietverträge zu den höchstmöglichen Konditionen abzuschließen. Wir haben erkannt, dass diese Vorgehensweise nicht nachhaltig ist.

Die Laufzeiten der Mietverträge haben sich deutlich verkürzt, der neue Standard liegt je nach Konzept und Branche zwischen drei und sieben Jahren. Das ermöglicht beiden Seiten, flexibel auf neue Marktgegebenheiten zu reagieren. Auch für uns als Eigentümer ist es vorteilhaft, kürzere Laufzeiten zu vereinbaren. So können wir unsere Shoppingstandorte immer auf dem neuesten Stand halten und den Trends anpassen. Der Einzelhandel ist sehr schnelllebig geworden und wir können so in jeglicher Hinsicht deutlich flexibler reagieren. Eine weitere Veränderung bei den Mietverträgen ist ein neuer Fokus auf Umsatzmieten. Damit stellen wir sicher, dass die Eintrittsbarrieren für attraktive Konzepte so gering wie möglich sind.

HIR: Die Verkaufsfläche hat sich in Deutschland seit 1980 verdoppelt. Rechnen Sie damit, dass das Gesamtvolumen schrumpfen wird?

Mayer: Ja, es findet eine Konsolidierung und Umwandlung der Flächen statt. Wir wollen nicht mehr reine Shoppingstandorte konzipieren, sondern attraktive Quartiere schaffen, die einen Mix aus Einkauf, Freizeit, Arbeit und Wohnen abbilden. Unser Hanseviertel in Hamburg ist dafür ein Paradebeispiel: 30% der Fläche besteht aus Einzelhandel, 25% aus Hotel, 35% aus Büro, 5% aus Parken und 5% aus Wohnen.

HIR:Welche Chancen sehen Sie für die Objekte von CBRE Global Investors, insbesondere die Shopping-Center im aktuellen Umfeld?

Mayer: Durch diverse Umstrukturierungsmaßnahmen haben wir die Möglichkeit, eine natürliche Frequenz zu generieren. Im LIVING BERLIN werden wir durch die Umwandlung von 4 000 qm Einzelhandel im vierten Obergeschoss zu Büroflächen eine ganz neue Besucherfrequenz generieren, die zwangsläufig auch ihren Weg in die Einzelhandelsgeschäfte finden wird.

Wir haben außerdem die Chance, unsere Immobilien auf die sich verändernden Bedürfnisse der Menschen auszurichten. Der Faktor Freizeitbeschäftigung hat deutlich an Stellenwert hinzugewonnen und die Aufenthaltsqualität unserer Objekte muss deutlich gestärkt werden. Beispielsweise werden wir bisher ungenutzte Fläche im Untergeschoß des Hanseviertels zu einer Food Hall umwandeln. Auf 2 000 qm werden unsere Besucher die besten lokalen Gastronomen finden. Dieses Konzept ist gepaart mit einem sehr starken Fokus auf Events, da der Entertainment-Faktor für Shoppingstandorte ein essentieller Bestandteil geworden ist.

HIR:Welche Veränderungen sind beim Sevens in Düsseldorf geplant? Mit Blick auf den Ausbau des Online-Geschäfts dürfte die Fläche für den Ankermieter Saturn inzwischen zu groß sein, oder?

Mayer: Wir arbeiten seit dem vergangenen Jahr an der Rekonfiguration der Flächen im Sevens. Das Projekt sieht Flächenumwandlungen, eine Erweiterung und nachhaltige Sanierung vor. Die Stockwerke drei bis sechs werden aktuell von Einzelhandels- in Bürofläche umgewandelt. Das erste und zweite Obergeschoß wird renoviert. Dort bleibt 3 660 qm Einzelhandelsfläche erhalten, die bereits voll vermietet ist. Saturn bleibt als Ankermieter erhalten, auch wenn das Unternehmen seine Flächen verkleinert. Die Flächenveränderung entspricht den aktuellen Anforderungen im Einzelhandel und hilft uns, unsere Mietflächen zu optimieren und den Nutzungsmix auf breitere Schultern zu stellen.

Die Gesamtmietfläche der Immobilie wird zudem durch eine Aufstockung um ein Teilgeschoß um rund 800 qm vergrößert. Daneben entstehen mehrere Dachterrassen mit insgesamt 280 qm. Der Büroteil wird über einen neuen Eingang in der Steinstraße erschlossen. Ein neues Dach, neue Fenster und Fassadenteile sorgen für mehr Tageslicht. Gepaart mit einer neuen Haustechnik wird das Gebäude insgesamt energieeffizienter und nachhaltiger. Die Ladengalerie im Erdgeschoß ist von den Bauarbeiten nicht betroffen.

HIR:Wenn Sie auf den Herbst und den Winter 2022/23 schauen. Glauben Sie, dass die Handels- und die Handelsimmobilien-Szene dafür gewappnet sind?

Mayer: Die gesamtwirtschaftliche Situation im Herbst und Winter wird herausfordernd. Wir gehen davon aus, dass es kurzfristig zu Verwerfungen in fast allen Sektoren kommen wird. Wir sind ein langfristiger Investor und entsprechend auf das Auf-und-Ab über die einzelnen Marktzyklen eingestellt. Für die nächsten Monate haben wir unsere Vorhersagen für die Immobilienwirtschaft heruntergestuft, langfristig gesehen aber erhöht. Auf Transaktionsseite sehen wir weiterhin vereinzelt Chancen im Einzelhandelssektor und werden sie selektiv nutzen.

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg unserer Einzelhandelsstrategie in den letzten Jahren war vor allem unsere Nähe zu den Nutzern – also sowohl zu Mietern als auch Kunden. So können wir uns auch in schwierigen Zeiten schnell auf die sich verändernden Marktbegebenheiten einstellen.