Deutsche Shopping Places Conference

Unklare Rechtslage bei den Mietverträgen

Einkaufen mit Warteschlange. Foto: R. Vierbuchen

Die Corona-Pandemie hat im Alltag des Einzelhandels und der Handelsimmobilienwirtschaft vieles durcheinander gewirbelt und von den Akteuren vor allem Flexibilität und Improvisation gefordert, wie die Diskussionen bei der Deutschen Shopping Places Conference (DSPC) zeigten. Besondere Impulse erhielt das Verhältnis zwischen Vermietern und Mietern.

Der Einzelhandel und die Immobilieneigentümer sitzen wie kaum zwei andere Branchen in einem Boot. Für den Händler ist die Handelsimmobilie und die Qualität ihres Standorts die Basis für den Geschäftserfolg. Und da gute Lagen knapp sind, ist der Wettbewerb um die Standorte groß, was in den vergangenen Jahren an den hohen Mietsteigerungen abzulesen war. Und genau an diesem Punkt endet die Gemeinsamkeit der Partner. Während Eigentümer und Anleger naturgemäß die maximale Miete anstreben, setzen Einzelhändler auf niedrige Mieten – auch um ihr Preisniveau niedrig zu halten und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Als zur Corona-Bekämpfung der Nonfood-Handel mit Zwangsschließungen belegt wurde, so dass die Einnahmen wegbrachen, erreichte der Zielkonflikt beim Thema Miete den Kulminationspunkt. Die unverschuldet in diese Lage gebrachten Einzelhändler sahen für sich das Recht, die Mietzahlungen auszusetzen, weil sie die Fläche nicht mehr nutzen konnten und die gleichfalls unverschuldet in Schwierigkeiten geratenen Eigentümer liefen Gefahr, ihre Kredite nicht mehr bedienen zu können.

Das Kernproblem in dieser Lage war nach den Worten von Kathrin Andres, Head of Retail Real Estate Germany bei der Nuveen Real Estate, die unklare Rechtslage. Laut Benjamin Gerken, Verantwortlicher für den Bereich Expansion bei der Mode-Kette Bestseller, gab es zwar Verträge zwischen Vermieter und Mieter, doch sei die Rechtslage zwischen Mieter und Vermieter bis heute unklar.

Deshalb war es nach Andres Worten notwendig, mit jedem einzelnen Mieter zu sprechen und zu verhandeln. Durch ausbleibende Mieten und Insolvenzen habe es bei den Investoren Ausfälle gegeben. Dabei bestand etwa für die Fachmarkt-Branche das Problem, dass der Lebensmittelhandel offenbleiben durfte und andere Mieter im Fachmarktzentrum schließen mussten, wie Susanne Klaußner, Managing Director der Deutschen Investment Retail GmbH, berichtet: „Nichts war kalkulierbar“, beklagt sie. Es sei viel Flexibilität und Improvisation notwendig gewesen.

Mit Blick auf die zahlreichen Prozesse, die meist ohne Erfolg geführt wurden – die Richter setzten den Gesundheitsschutz bei dieser Frage sehr hoch an – stellte auch Olaf Otting, Rechtsanwalt bei Otting Zinger Rechtsanwälte Part GmbH, klar, dass die Mietnachlässe zwischen Mieter und Vermieter ausgehandelt werden müssen. Doch der Schaden bleibe und wirke bei Mietern und Vermietern fort.

Mietnachlässe müssen Vermieter und Mieter aushandeln

Die unklare Situation im Nonfood-Einzelhandel durch die sich stetig wandelnden Verordnungen von Bund und Ländern, sowie die geforderte Improvisation bei den Marktakteuren war eines der beherrschenden Themen bei der Deutschen Shopping Places Conference (DSCP) im virtuellen Format. Mit Blick auf die Tatsache, dass sich etwa das Marketing in Zeiten der Pandemie auf die Begleitung von Öffnungen und Schließungen beschränkt, konstatiert Felix Moritz Lück, Head of Marketing & PR bei der MEC Metro ECE Centermanagement: „Wir sind reduziert worden auf die essenziellen Maßnahmen.

Beim Blick in die weitere Zukunft geht er davon aus, dass Planbarkeit auf absehbare Zeit nicht gegeben sein werde. In diesem Kontext haben sich nach den Worten von Christian Schröder, CEO der MEC, die Managementaktivitäten deutlich erhöht – genauso wie der Informationsbedarf bei den Geschäftspartnern. Das Problem sei die Notwendigkeit, kurzfristig reagieren zu müssen und das auf einer sehr unsicheren Grundlage, fasst Sebastian Müller, Head of Advisory Services bei Kintyre, die Lage für Einzelhandel und Handelsimmobilienwirtschaft zusammen.

In diesem Umfeld geht es laut Susanne Klaußner für die Investoren primär um den Werterhalt der Immobilie und weniger um das Thema Wertsteigerung. Zumal in Zeiten der Zwangsschließungen nach den Worten von Bestseller-Expansionsleiter Gerken niemand weiß, was kommt und was der Standort noch wert ist. Seit Ende Oktober sei die Frequenz gesunken, jeden Tag würden mehr Einzelhändler aufgeben, denn niemand habe Liquidität für sechs bis sieben Monate. Jeder wisse, dass es Insolvenzen geben werde. Und damit wird es auch vermehrt Leerstand geben.

Gerken hofft deshalb, dass sich die Lage jetzt möglichst schnell normalisiert. Ein negativer Nebeneffekt ist nach den Worten von Wolfgang Lux, Inhaber der Lux Unternehmensberatung, dass viele Mittelständler auf Grund von Geldmangel ihre Digitalisierung zurückfahren mussten. Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung ist das kontraproduktiv.

Die gravierenden Veränderungen eröffnen aus Sicht von MEC-Marketing-Leiter Lück dem stationären Handel andererseits aber auch die Chance, die Neupositionierung anzugehen. Zumal Steffen Hofmann, Geschäftsführer der IMallInvest Europe beobachtet hat, dass die Kunden inzwischen eine stärkere emotionale Bindung zum stationären Handel aufgebaut haben und deshalb sicherlich in die Geschäfte zurückkehren werden. Für viele Menschen sei im Zuge der Zwangsisolierung das Persönliche wieder wichtiger geworden, ist auch Lück überzeugt.

Als positiven Nebeneffekt der Zwangsmaßnahmen beschrieben die Referenten fast unisono die Tatsache, dass womöglich auch gerade auf Grund der unklaren Rechtslage Mieter und Vermieter enger zusammengerückt sind, wie Dirk Hünerbein, Director Development Germany bei Unibail-Rodamco-Westfield, berichtet: „Man sitzt an einem Tisch, das hat mir gut gefallen.“ Durch die notwendigen Gespräche zwischen Vermietern und Mietern ist laut Kathrin Andres mehr Verständnis für den jeweils anderen entstanden. Und Susanne Klaußner sieht nun auch mehr Gemeinsamkeiten bei der Langfriststrategie.

Die Vertragsstrukturen müssen teilweise neu geordnet werden

Laut Rechtsanwalt Otting müssten teilweise aber auch die Vertragsstrukturen zwischen den Mietpartnern neu geordnet werden. In der Krise zeigte sich aber auch, wer verlässlich und kompromissbereit ist, und wer nicht. So erlebte Wilhelm Josten, Geschäftsführer des Heim-Accessoires-Anbieters Butlers, einige Vermieter, die gar kein Verständnis für die Lage ihrer Mieter zeigten. Die Zusammenarbeit mit solchen Partnern werde auf Dauer sicher nicht funktionieren.

Zumal Vermieter und Mieter mit Blick auf die anstehenden Hausforderungen für die Innenstädte und ihre eigenen Interessen laut Josten neue Konzepte entwickeln müssten, damit die innerstädtischen Einzelhandelslagen wieder spannender werden. Und dabei müssen aus seiner Sicht auch die Verantwortlichen in den Stadtverwaltungen mitmachen. Ein wichtiger Schritt bei der Beseitigung von Leerstand und der Ansiedlung weiterer Nutzungen zur Wiederbelebung der Innenstädte ist laut Otting, dass baurechtliche Fesseln abgestreift werden, wenn es beispielsweise um die zu restriktiven Vorgaben bei Sortimenten und Produkten geht.

Beim Blick auf die Fokussierung der Investoren auf die Anlage-Klasse „Lebensmittel“ gibt Susanne Klaußner zu bedenken, dass die Einzelhandelsstandorte nicht allein von den Lebensmittelhändlern leben könnten. Auch Mode-Händler und viele weitere Nonfood-Anbieter decken den Grundbedarf der Bevölkerung. Hinzu kommt der Erlebnis-Aspekt. Die wesentlichen Bereiche einer Handels-Lage bilden laut Hünerbein Angebote für Freizeit, Food, soziale Treffpunkte, Gesundheit und Wellness, die vom Einzelhandel als „schönste Freizeitbeschäftigung“ abgerundet werden.

Auch Jonathan Doughty, Global Head of Foodservice, Leisure and Placemaking bei der ECE Marketplaces, gibt mit Blick auf seine Erfahrungen mit der Neupositionierung der Handelslagen im Quartier Potsdamer Platz Arkaden (Foto: Potsdamer Platz Arkaden) in Berlin zu bedenken, dass es über Shopping hinaus um die Schaffung von Treffpunkten geht und das Angebot von Erlebnis. Bei der kompletten Erneuerung des Einzelhandelsbereichs, der als Ladenstraße unter einem Dach konzipiert wird, ist es laut Doughty notwendig, zuzuhören, was der Gast will und bei der Mischung der Angebote in „Marktplätzen“ zu denken.

Mit Blick auf das große Angebot und viele standardisierte Filialisten und Produkte geht es laut Klaus Striebich, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens RaRE Advise heute darum, beim Kunden „Begehrlichkeiten“ zu wecken mit neuen Projekten und ihm zu zeigen, was er braucht. Innovative Ideen aus dem Ausland sind dabei – je nach lokaler Mentalität – aber nicht immer eins zu eins übertragbar.