Investmentmarkt

Unerwartet lebhaftes Sommergeschäft

Nachhaltige Lebensmittelmärkt sind derzeit sehr gefragt. Foto: GRR

Während das erste Halbjahr 2021 noch voll unter dem Eindruck des schier endlos scheinenden Lockdowns stand, hat sich der deutsche Investmentmarkt für Retail Assets im dritten Quartal – gegen den üblichen Trend in den ansonsten eher schwachen Sommermonaten – überraschend stark entwickelt. Damit wurde die Hoffnung der Experten auf eine Belebung in der zweiten Jahreshälfte erfüllt.

Befeuert wurde das Ergebnis im dritten Quartal 2021 nach den Worten von Christoph Scharf,Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH (BNPPRE) und Head of Retail Services, einmal mehr durch Investments in das Fachmarktsegment mit Schwerpunkt Lebensmittel und Nahversorgung. „Mit einem Portfolio aus ehemaligen Real-Märkten sowie dem Touchdown- und Power-Bowl-Portfolio haben gleich mehrere Paketverkäufe zu einem hohen Umsatz in den Monaten zwischen Juli und September beigetragen“, bestätigt Scharf die Erwartungen zur Jahresmitte, dass einige größere Paketverkäufe kurz vor dem Abschluss stünden. Er hofft, dass das gute Ergebnis des dritten Quartals Auftrieb für die Jahresendrallye gibt.

Mit einem Transaktionsvolumen, das der Immobiliendienstleister CBRE für die ersten neun Monate mit 7,3 Mrd. Euro beziffert, liegt das Ergebnis zwar noch um 23% unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums, doch zeige der Wert, dass das Interesse der Investoren an Handelsimmobilien über die Sommermonate deutlich gewachsen sei. Denn mit 3,6 Mrd. Euro floss allein im dritten Quartal fast genauso viel Geld in den Investmentmarkt für Retail Assets, wie in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres mit 3,7 Mrd. Euro zusammen. Und laut Helge Scheunemann, Head Of Research bei JLL Germany, haben fast 190 Transaktionen zu diesem Ergebnis beigetragen, auch wenn die strukturellen und pandemiebedingten Auswirkungen immer noch spürbar seien.

Insgesamt beziffern die übrigen Immobiliendienstleister das Transaktionsvolumen in der Bandbreite von 5,9 Mrd. Euro (JLL), 6,0 Mrd. Euro (Savills) sowie 6,3 Mrd. Euro von BNPPRE und Colliers International. Hinter der Anlage-Klasse Büroimmobilien mit einem Transaktionsvolumen, das JLL mit 16,4 Mrd. Euro beziffert, bleiben Retail Assets damit im Gewerbeimmobilienmarkt auf dem zweiten Rang, auch wenn der Anteil zuletzt stark geschrumpft ist.

Insgesamt wurden in den ersten neun Monaten 2021 knapp 40 Mrd. Euro in deutsche Gewerbeimmobilien investiert, wobei mit Blick auf die immer noch bestehenden Reisebeschränkungen vor allem heimische Investoren zum Zuge kamen.

Dass Einzelhandelsimmobilien nicht gleich Einzelhandelsimmobilien sind – vor allem mit Blick auf die Beeinträchtigungen durch die Corona-Maßnahmen – bestätigt einmal mehr die jüngste Entwicklung auf dem Investmentmarkt. „Die Nachfrage nach lebensmittelgeankerten Objekten ist massiv“, konstatiert Jan Schönherr, Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland: „Allein im dritten Quartal wurden Portfolios mit Lebensmittelmärkten im Volumen von über 2 Mrd. Euro verkauft.“ Laut BNPPRE entfielen im Handelsimmobilienmarkt insgesamt etwa 2,8 Mrd. Euro auf Portfolio-Transaktionen.

Das Segment Fachmärkte und Fachmarktzentren mit  Schwerpunkt Lebensmittel und Nahversorgung bildet somit auch 2021 wieder die stärkste Anlage-Klasse. Laut CBRE wurde mehr als jeder zweite Euro in Fachmärkte und Fachmarktzentren investiert. In absoluten Zahlen waren das 4,1 Mrd. Euro oder ein Anteil von 60% am  Transaktionsvolumen mit Retail Assets. Allein für das dritte Quartal ermittelte BNPPRE einen Anteil von 74%.

Der mit etwa 1 Mrd. Euro auch Assetklassen-übergreifend größte Paketverkauf dieses Jahres war laut Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers, die Veräußerung von34 ehemalige Real-SB-Warenhäusern, die nach der Revitalisierung und der langfristigen Neuvermietung an deutsche Lebensmittelhändler vom russischen Eigentümer SCP Group an X+Bricks weitergegeben wurden.

Renditen bei Lebensmittelmärkten stark unter Druck

Verkäufer der beiden anderen großen lebensmittelgeankerte Portfolien ist der Investmentmanager Patrizia, der mit dem Touchdown-Portfolio zwölf Fachmarktzentren, die neben Lebensmittelhändlern auch Ankermieter aus dem Wachstums-starken Bau- und Heimwerkersegment, dem Drogeriemarkt-Bereich und Anbieter von Tierbedarf sowie Freizeit- und Sportartikel beherbergen, für 400 Mio. Euro an die Meag für Munich Re und zwei Spezialfonds verkaufte. Im Rahmen der zweiten Transaktion veräußerte Patrizia 51 Lebensmittelmärkte aus dem Powerbowl-Portfolio an die GPEP.

Das nun schon seit Jahren währende Interesse der Investoren an lebensmittelgeankerten Fachmarktimmobilien und Fachmarktzentren hinterlässt inzwischen aber auch Spuren bei den Renditen in diesem Markt-Segment. So gingen die Spitzenrenditen für Fachmarktzentren und vor allem für Lebensmittelmärkte im dritten Quartal – gemessen am Vorjahresquartal – laut CBRE um 35 Basispunkte bzw. 120 Basispunkte auf jeweils 3,8% zurück. JLL sieht den Wert inzwischen sogar schon bei 3,75% für Fachmarktprodukte und Savills bei 3,7% für Lebensmittelmärkte. Das ist aber immer noch deutlich mehr als für Büroimmobilien in den Top 7-Städten, die laut JLL im Schnitt bei 2,69% liegen und für Logistikimmobilien mit 3,11% bei weiter sinkender Tendenz.

Nach den Worten von Sebastian Gerhardt, Senior Director Valuation Advisory Services bei CBRE, sind die Renditen bei Lebensmittelmärkten und Fachmarktzentren aber auch gemessen am zweiten Quartal 2021 nochmals leicht zurückgegangen und er geht davon aus, dass dieser Trend anhalten wird. Denn gerade die Pandemie hat die Konjunkturresistenz des Lebensmittelhandels nochmals unterstrichen und so das Interesse auch institutioneller Investoren geweckt.

BNP Paribas Real Estate sieht die Spitzenrenditen bei „gut funktionierenden und verkehrsgünstig angebundenen Fachmarktzentren“ mit 3,90% und bei einzelnen Fachmärkten mit 4,60% noch etwas höher als CBRE und JLL, weist aber auch darauf hin, dass diese beiden Objektarten in der Spitze inzwischen sogar teurer seien als die Stars früherer Jahre, die Shopping-Center.

So weist Jörg Krechky, Head of Retail Investment Services Germany bei Savills, darauf hin, dass es mit Blick auf das Transaktionsgeschehen in den vergangenen zwölf Monaten im Markt für Retail Assets zwei Gewinner – wie oben erwähnt – und zwei Verlierer gibt. Dazu zählt er Kauf- und Warenhäuser sowie Shopping-Center, die in den vergangenen zwölf Monaten gegenüber dem 5-Jahres-Mittel stark an Umsatzanteil eingebüßt haben: Erstere verloren demnach 16% auf 4% und Einkaufszentren um 15% auf 6%. BNPPRE sieht den Umsatzanteil von Shopping-Centern mit 9% und den von Waren- und Kaufhäusern mit 8% noch etwas höher.

Investoren halten sich bei Shopping-Centern zurück

Ablesen lässt sich diese Zurückhaltung der Investoren bei Shopping-Centern auch an den Spitzenrenditen, die Krechky bei 5% sieht. Dieser Einschätzung schließt sich auch CBRE bei Einkaufszentren in A-Lagen an und beziffert die Renditen für Objekte in B-Lagen sogar mit 6%. BNPPRE sieht den Wert mit 4,7% noch etwas niedriger. Nach Krechkys Erkenntnis liegt aber auch das Renditeniveau von stärker auf den Textileinzelhandel fokussierten Fachmarktzentren näher bei dem Niveau von Shopping-Centern. Zudem beobachtet er bei Logistikinvestoren ein wachsendes Interesse an außerstädtischen Fachmarktzentren: „Insgesamt wurden 7% aller in diesem Jahr gehandelten Objekte mit dem erklärten Ziel einer Konversion erworben“, so der Experte.

Auch bei innerstädtischen Geschäftshäusern, die in den Jahren 2020 und 2021 vielfach im Mittelpunkt der pandemie-bedingten Zwangsschließungen standen, sind die Renditen laut CBRE auf durchschnittlich 3,29% gestiegen. BNPPRE beobachtete dagegen bei den in den ersten neun Monaten abgeschlossenen Verkäufen von Geschäftshäusern in A-Lagen bei den Spitzenrenditen eher eine Seitwärtsbewegung und sieht die Bandbreite in den Top 7-Städten bei 2,8% in München und Berlin über 3,00% in Hamburg, 3,10% in Frankfurt, 3,20% in Düsseldorf und Stuttgart sowie 3,30% in Köln.

Mit Blick auf die immer noch bestehenden Reisebeschränkungen sind internationale Investoren mit einem Umsatzanteil von 24% laut Colliers International derzeit in der Minderheit. Allerdings weiß Hoenig-Ohnesorg aus aktuellen Beratungsmandaten, „dass der deutsche Nahversorgungseinzelhandel ganz klar in den Fokus internationaler Investoren gerückt ist“.

Augenfällig sind nach Beobachtung von Matthias Pink, Head of Research Germany bei Savills, die zahlreichen Ankäufe von Bestandsgebäuden durch Projektentwickler, die auf den Repositionierungsbedarf vieler Einzelhandelsobjekte hindeuten. Manche würden danach als Einzelhandelsimmobilien weiterbestehen können, bei vielen werde die Einzelhandelsnutzung aber nur noch eine untergeordnete oder gar keine Rolle mehr spielen.

Beim Blick auf das Jahresende konstatiert Helge Scheunemann, dass der Immobilien-Investmentmarkt in Deutschland sehr liquide ist, da die Europäische Zentralbank (EZB) die Geldmarktschleusen wegen der ungewissen Ertragsperspektiven bei den Banken offenlassen werde. Und auch die Folgen der Pandemie für die Unternehmen seien noch unklar. Da die aktuelle Inflationsrate als temporäres Problem gesehen wird, erwartet Scheunemann, dass die Zinsen auf historisch niedrigem Niveau bleiben.

Beim Blick auf das Gesamtjahr 2021 erwartet Jan Dirk Poppinga,Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, „eine dynamische Jahresendrallye“ und erneut ein Transaktionsvolumen von mehr als 10 Mrd. Euro. Die 12,3 Mrd. Euro von 2020 hält er aber nicht mehr für erreichbar, da die geeigneten Produkte und Portfolien fehlten. Das limitierte Angebot von Core-Produkten, vor allem im Fachmarktsegment, wird auch aus Sicht von Hoenig-Ohnesorg das Transaktionsvolumen begrenzen. Er kann sich sogar vorstellen, dass die 10 Milliarden-Euro-Marke unterboten wird.

Für das Jahr 2022 erwartet Jan Schönherr aber eine Marktbelebung bei Shopping-Centern, nachdem viele – bedingt durch die Zwangsschließungen – die notwendigen Neu- und Nachverhandlungen mit ihren Mietern inzwischen abgeschlossen hätten. Damit seien die Einkaufszentren langfristig stabil aufgestellt und das Risiko-Rendite-Verhältnis werde wieder attraktiv, so der Experte.