rv DÜSSELDORF: Angesichts der immer wiederkehrenden Klimakatastrophen gewinnt das Thema Energieeffizienz bei Immobilien zusätzlich an Bedeutung. Doch bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsinvestitionen prägen immer noch Zurückhaltung und Unsicherheit das Bild, wie die Umfrage „ESG – Expertise, Steuerung und Gesetze als zentrale Herausforderungen für Investoren“ des Immobilienberaters JLL ergab. Das gilt vor allem bei Artikel-8- und Artikel-9-Fonds.
Zumindest herrscht laut Studie unter den Marktakteuren aber Klarheit über die Relevanz des Themas und die Zusammenhänge zwischen Kredit- und Liquiditätsrisiken sowie ESG-Faktoren. Es sind aber vor allem die fehlenden Daten und die fehlende Planbarkeit, durch die die Dekarbonisierung des Gebäudebestands für die 40 von JLL befragten Investoren und Asset-Managern zur echten Herausforderung wird. Hilfreich wäre aus ihrer Sicht auch, wenn die Europäischen Union (EU) eindeutigere regulatorische Leitlinien zu ESG-Faktoren und Immobilien geben würde. Die Befragung zur JLL-Studie „ESG – Expertise, Steuerung und Gesetze als zentrale Herausforderungen für Investoren“ erfolgte zwischen März und Juli 2024.
Besonders deutlich lässt sich diese Verunsicherung an den Antworten auf die Frage ablesen, wie die Teilnehmer die Vorgaben aus der EU-Taxonomieverordnung zu Artikel-8- und Artikel-9-Fonds beurteilen. Denn laut Studie sind für keinen der befragten Investoren und Asset-Manager die Vorgaben „sehr klar“. Und nur für 8% sind sie zumindest „klar“. 43% der Befragungsteilnehmer stehen ihnen „neutral“ gegenüber und fast genauso viele (44%) äußerten die Ansicht, dass die Regelungen „undeutlich“ sind und für 5% sind sie sogar „sehr undeutlich“. Kurz gesagt: Allen ist klar, dass Energieeffizienz bei Bestandsimmobilien sehr wichtig ist, aber wie das umgesetzt werden soll, ist kaum klar. Hier gibt es für die EU-Kommission noch viel zu tun.
Nach den Worten von Hendrik Wetzke, Team Leader Project & Development Services Energy & Sustainability Solutions bei JLL Germany, wurde die Offenlegungsverordnung zwar um die EU-Taxonomie ergänzt, „um einheitliche und klare Definitionen von Nachhaltigkeitskriterien zu bieten“, doch seien die Vorgaben für nachhaltige Fonds nur für wenige Investoren und Asset-Manager leicht zu verstehen und dann auch noch umzusetzen. Dies ist aus Sicht des Experten umso bedauerlicher, als es für rund zwei Drittel der Befragten „wichtig“ oder „sehr wichtig“ ist, dass ihr Angebot mit der Taxonomie übereinstimmt. „Sie wissen, dass die Marktgängigkeit ihrer Objekte zunehmend von der Einhaltung der ESG-Kriterien abhängt, nicht zuletzt auf Grund drohender Risiken wie Leerstand, mangelnder Finanzierungsoptionen oder Abwertungen“, so Wetzke. Umso wichtiger ist es deshalb, dass die EU hier endlich nachlegt – vor allem mit Blick auf den Green Deal, wonach Europa bis 2050 CO2-neutral werden soll. Ohne klare Vorgaben dürfte das Ziel kaum erreichbar sein.
Ein weiterer Kritikpunkt der Investoren und Asset-Manager ist laut JLL der enorme Beratungsaufwand bei der Bewertung von ESG-Risiken. So gehört es zu den großen Herausforderungen, Objekte zu identifizieren oder die erforderlichen Daten zu sammeln und/oder zu ergänzen. Dabei sind auch die dafür erforderlichen Fachkräfte schwer zu finden, weshalb 90% externe Berater in Anspruch nehmen wollen.
Mit Blick auf die Tatsache, dass die Befragten ungeachtet der bestehenden Unklarheiten der Meinung sind, dass für sie ein unternehmerisches Risiko besteht, wenn sie die regulatorischen Vorgaben nicht erfüllen, rät Helge Scheunemann, Head of Research bei JLL Germany, ihnen, auf ESG-Strategien zu setzen, klare Vorgaben umzusetzen, die größten Herausforderungen zuerst anzugehen, die Sammlung von Daten voranzutreiben und ihren Fokus auf die Reduktion von Energie und CO2-Emissionen zu legen. Denn das spielt bei den bisherigen Vorgaben eine herausragende Rolle. Allerdings dürfen laut Scheunemann mit Blick auf künftige Vorgaben die beiden Aspekte ‚Social‘ und ‚Governance‘ nicht vernachlässigt werden. Allerdings müsste auch hier noch weiter abgeklärt werden, was genau zur Erfüllung dieser Kriterien gehört.