Einzelhandel 2021

Überleben in der andauernden Corona-Krise

Der digitale Zugang zum Kunden. Foto: Messe Düsseldorf

rv DÜSSELDORF. Untermalt von Winterwetter haben Bundesregierung und Ministerpräsidenten den Shutdown in Deutschland immer wieder verlängert. Lockerungen gibt es nur in kleinen Dosen. Die Kunden werden immer mehr gezwungen, ihr Einkaufsverhalten grundlegend zu ändern. Die Düsseldorfer Messe Euro Shop hat Experten aus dem Einzelhandel nach ihrer Einschätzung befragt, wie es mit der Branche 2021 weiter geht und vor welchen Herausforderungen sie steht.

Dabei zieht Prof. Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein und Leiter des eWeb Research Centers einen direkten Vergleich zwischen der Covid-19-Pandemie und ihrer Gefährlichkeit für ältere Menschen und dem stationären Einzelhandel, wenn er anmerkt: „Covid-19 ist tödlich für den stationären Non-Food-Handel. Insofern wird 2021 das wichtigste Thema für die Retail-Branche: das Überleben in der andauernden Coronakrise.“ Denn die Zwangsschließungen verbauen den stationären Händlern nachhaltig den persönlichen Zugang zum Kunden.

Allerdings auch mit direkten Folgen für Deutschlands Innenstädte. Bezugnehmend auf die Prognose des Handelsverbands Deutschland (HDE), wonach angesichts der Zwangsschließungen 2021 mit 50 000 Geschäftsaufgaben zu rechnen sei, fürchtet Heinemann neue Leerstände für alle Innenstädte: „Diese werden weder mit Einzelhandel noch mit Gastronomie oder Büroflächen zu füllen sein“, so seine Sorge. Dabei haben strukturschwache Mittelzentren aus seiner Sicht nur dann eine Zukunft, „wenn sie sich zu schönen Lebensräumen mit hoher Aufenthaltsqualität wandeln“. Damit sind vor allem die Städte und Gemeinden gefordert, den öffentlichen Raum zu gestalten.

Gleichzeitig hat die Pandemie aus Sicht von Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE, den Druck auf den stationären Einzelhandel verschärft, die Zeit der Zwangspause zu nutzen und via Internet einen neuen Zugang zum Kunden zu schaffen. So hat die Corona-Pandemie die Digitalisierung beschleunigt, lautet seine Einschätzung. Dieser Trend wird den Handel in diesem Jahr begleiten. „Gefragt sind kreative Lösungen, mit denen stationärer Handel und Online-Handel erfolgreich Hand in Hand gehen“, plädiert der HDE-Hauptgeschäftsführer für eine Multi- resp. Omnichannel-Strategie. „Dazu zählen etwa Online-Shops lokaler Händler oder Shopping-Events in den sozialen Medien.“

Diese Entwicklung bestätigt auch Daniel Prüser, Experte Omni Channel Services bei der neu formierten Buchhandels-Kette Thalia Mayersche, die zu den ersten Branchen gehörte, die die Konkurrenz von Amazon zu spüren bekamen und schon früh auf eine Online-Strategie setzten. „Wir werden 2021 eine noch stärkere Verzahnung der Kanäle erleben“, ist er überzeugt: „Neben innovativen Services wie Scan & Go, wird für Thalia Mayersche eine spielerisch einfache Omnichannel-Customer Journey, wie bei der Filialabholung, noch wichtiger.“

Bedeutsam ist dabei aus seiner Sicht, dass Merkmale und Vorteile des stationären Einkaufs online noch konsequenter abgebildet und die Buchhandlungen um zusätzliche digitale Services erweitert werden. Kurz gesagt, die Vorteile aus zwei Welten müssen miteinander verknüpft werden.

Aus Sicht von Thomas Rausch, Sales Director vom Anbieter von Bargeldmanagementlösungen, Glory Deutschland, muss der stationäre Handel mit Blick auf den wachsenden Online-Verkauf mit innovativen Konzepten überzeugen. Dazu gehören für ihn etwa SB-Terminals, Shop-in-Shop-Lösungen oder SCO-Stationen (Self Checkout). Ziel sind mehr Flexibilität bei der Bezahlung und mehr Einkaufserlebnis.

Der stationäre Handel muss mit innovativen Konzepten überzeugen

Das sieht auch Christoph von Lingen, Country Sales Leader für Retail-Lösungen bei Toshiba Deutschland, so, der die Aufgabe der Einzelhändler darin sieht, den Kunden mit Blick auf Veränderungen beim Einkaufsverhalten mehrere Optionen anzubieten. Dazu zählen Click & Collect oder eben auch Selbstbedienungs-Lösungen, um das Bezahlen zu beschleunigen - mit Abstand zu den Mitmenschen.

Matthias Hofmann, Area Sales Manager DACH, des Digital-Signage-Marktführers Scala, glaubt, dass der Trend in Richtung „Erlebnis-Shopping“ gehen wird, „der am Smartphone beginnt und zuhause nicht endet“. Er sieht 2021 als Jahr der „interaktiven PoS-Kommunikation“ in Form von Displays, die beispielsweise Fragen des Kunden beantworten können, die zur Stärkung der Beziehung zwischen Händler und Kunden beitragen und die Markenbildung intensivieren.

Der Trend zum Online-Vertrieb im stationären Einzelhandel dürfte nach den Worten von Florian Lange, Referent Logistik & Handel bei Bitkom e. V. zu einem Innovationsschub im Online-Marketing führen: „Immer mehr Händler haben in der Corona-Pandemie ihr Geschäft fit für den Online-Handel machen müssen, sodass eine extreme Marktdichte entstanden ist“, so seine Beobachtung. Deshalb wird es aus seiner Sicht zu einem Ausleseprozess kommen, bei dem eine kreative Ansprache der Kunden und eigene Innovationen wichtig sind, wenn sie im Markt bleiben wollen.

Bernhard Bötscher, Produktmanager beim Komplett-Anbieter für Kühlmöbel und Kältetechnik, Hauser GmbH, sieht aber auch die typischen Eigenschaften des stationären Einzelhandels als günstige Basis für Erfolg im Jahr 2021. So schätzt er, dass im Lebensmitteleinzelhandel „Wohlfühl-Atmosphäre“ und „Erlebnischarakter“ an Bedeutung gewinnen werden. Dazu trägt alles bei, was für ein stimmiges Gesamtkonzept in den Märkten wichtig ist wie das richtige Licht, Holzdekore, ein angenehmer Geruch und die Akustik – um nur einige zu nennen. Laut Bötscher gehören dazu aber auch „multifunktionale Kühlmöbel oder Plug-In-Kühlmöbel, die den Betreibern eine große Flexibilität bei der Warenpräsentation bieten.

Dass es in herausfordernden Zeiten wichtig ist, den Kunden in den Innenstädten Verlässlichkeit zu bieten, stellte Lennart Wehrmeier, Geschäftsführer Expansion bei der Woolworth GmbH, in seinem Ausblick fest. Für ihn bedeutet dies, dass viele Menschen den Anspruch haben, ihren Bedarf mit einem einzigen Einkauf zu decken – Stichwort: One Stopp-Shopping. Dafür sieht er die Kleinkaufhäuser von Woolworth mit ihren über 450 Standorte gut aufgestellt.