MEC: Handelsstandorte auf dem Prüfstand

Transformation ungeahnten Ausmaßes

Der Saarbasar ist mit der Umgebung zusammengewachsen. Foto: MEC

Mit dem Klima-Wandel und der Umweltbelastung durch die täglichen kilometerlangen Staus im Berufsverkehr gewinnt die Idee von der Stadt der kurzen Wege deutlich an Relevanz. Die geht einher mit der Auflösung der strikten Trennung von Gewerbegebieten, Wohnquartieren und reinen Einzelhandelslagen – zumal durch das Wachstum des Online-Handels weniger Handelsflächen im ohnehin überdurchschnittlich ausgestatteten deutschen Markt benötigt wird. Die zwangsläufige Antwort dieser Entwicklung ist eine Vermischung der Lebensbereiche und neue Nutzungen für überschüssige Handelsflächen – auch in Fachmarktzentren.

Vor diesem Hintergrund befasst sich der jüngste Fachmarktzentren Report (FMZ) 2023 der Düsseldorfer MEC und ihrer Partner mit den Herausforderungen, denen Handelsimmobilien in diesem Strukturwandel gegenüberstehen. „Es findet ein Transformationsprozess in bisher nicht gekanntem Ausmaß statt“, umschreibt Christian Schröder, Managing Director der MEC, die aktuelle Lage, „denn in den vergangenen Jahren haben sich die Bedingungen am Markt für Handelsimmobilien besonders rasch und tiefgreifend verändert“.

Neben der Online-Konkurrenz sind die Folgen der Zwangsschließungen während der Pandemie in Form zahlreicher Insolvenzen, die veränderten Ansprüche der Konsumenten an den stationären Einzelhandel und seinen Unterhaltungswert und schließlich das Thema Nachhaltigkeit in einer energieintensiven Branche in einem Land mit europaweit überdurchschnittlich hohen Strompreisen zu erwähnen.

Gleichzeitig verweist Schröder zusammen mit seinem Kollegen Sebastian KienertCFO der MEC, im FMZ Report 2023 mit dem Titel „Energieschub“ auf die zentrale Bedeutung der Handelsimmobilien für die Gesellschaft, da sie nicht nur Orte des Konsums sind, „sondern auch soziale Treffpunkte, die das Leben in unseren Städten und Gemeinden prägen“. Denn auch wenn gesellige Angebote wie Gastronomie, Cafés und andere Nutzungen für die Steigerung der Frequenz immer wichtiger werden, so fungiert der Handel doch immer noch als zentraler Anziehungspunkt.

Und da diese Veränderungen im Einzelhandel auch neue Anforderungen an die Handelsimmobilien selbst stellen, geht der FMZ Report, den die MEC zusammen mit Lademann & PartnerNuveenSavills und Wisag aufgelegt hat, in diesem Jahr auf die essenziellen Themen Revitalisierung und Modernisierung von Handelsimmobilien ein und auf die damit einhergehenden Herausforderungen für Immobilieneigentümer, Asset-, Property- und Facility-Manager.

Dabei steht die Branche nach Feststellung von Felix Moritz LückHead of Marketing bei der MEC, allerdings vor Zielkonflikten, wie etwa dem, einerseits bis 2045 flächendeckend Klimaneutralität zu erreichen und andererseits mit Fonds konfrontiert zu sein, die die hohen Kosten für den energetischen Umbau nicht in der Kalkulation berücksichtigt haben. Das zehrt im Zweifelsfall die Rendite auf. Die Liste der Zielkonflikte lässt sich beliebig fortführen: Erneuerung von Bestandsgebäuden versus Abriss & Neubau, Innenstadt versus Dezentralisierung, Demographische Realität versus Wohlstand oder Energiewende versus persönlichem Wohlstand. Der Strukturwandel des Handels ist laut Lück „extrem umfassend“. Vor allem brauchen Retail Assets ein schärferes Profil und die Offenheit, in Großimmobilien auch andere Nutzungen anzusiedeln.

Nicht zuletzt der zunehmende Leerstand treibt die Betreiber, bei der Vermietung über den Tellerrand zu schauen, wie Jörg Krechky, Head of Retail Investment Services Germany bei Savills, feststellt. Doch während das Thema „Mixed-Use“ bei innerstädtischen Großobjekten wie Shopping-Center oder Warenhäuser bereits seit längerem als Option diskutiert wird, zeigt sich laut Krechky nur eine Minderheit der Investoren offen für eine Mischnutzung in Fachmarktzentren. Viele dieser Objekte sind auf die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs ausgerichtet, doch haben größere Objekte mit 30 000 qm und mehr auch Mieter aus dem Textilbereich, die durch die Online-Konkurrenz unter Druck stehen.

Mischnutzung bei Fachmarktzentren noch eher selten

Vor diesem Hintergrund hat Savills die Positionierung von Fachmarktzentren-Investoren auf der Grundlage von 35 Investmentprofilen bedeutender Akteuren in Bezug auf Mixed-Use analysiert. Auch wenn die Analyse nicht repräsentativ sei, so gebe sie doch ein gutes Bild von der Einstellung der Investoren wieder: „Von insgesamt 35 haben zehn Investoren ein Mischnutzungsinteresse explizit in ihrem Ankaufsprofil erwähnt“, heißt es im Report. Für vier weitere Investoren komme der Ankauf eines gemischt genutzten Fachmarktzentrums infrage, obwohl das dem Investmentprofil nicht zu entnehmen war. Somit dürfte für 24 Investoren aus diesem Kreis der Kauf gemischt genutzter Fachmarktzentren eher nicht in Frage kommen.

Insgesamt ist aus Sicht der fraglichen Investoren eine Mischnutzung aus Fachmarktzentrum und – bevorzugt – Wohnen offenbar vor allem in städtischen Gebieten interessant, etwa in Städten mit über 100 000 Einwohnern, wie Krechky schreibt. Andere Nutzungsmöglichkeiten sind neben Wohnen noch Büros, Logistik, Arztpraxen oder öffentliche Einrichtungen. Aber vor allem gilt, dass der Repositionierungsbedarf der Fachmarktzentren als zentrales Thema bleibt.

Und Uwe Seidelgeschäftsführender Gesellschafter bei Dr. Lademann & Partner, sieht in der Weiterentwicklung solcher Handelsstandorte zum Wohnquartier noch großes Potenzial. Denn insgesamt habe sich die Planung und Realisierung von Wohnquartieren mit gemischt genutzten Immobilien hierzulande innerhalb eines Jahrzehnts verfünffacht. In den vergangenen drei Jahren wurde laut EHI Retail Institute mit dem Bau von 100 Quartieren mit Wohnungen, Hotellerie, Arbeiten und Einkaufen begonnen. Nach Seidels Einschätzung könnten in diesem Kontext hierzulande auch etwa 50 bis 80 Fachmarktzentren zum Quartier weiterentwickelt werden, weil bereits viele Standorte schon heute eine signifikante Nutzungsmischung erreicht hätten. Meist fehle nur noch eine „siedlungsstrukturelle Prägung oder die Anreicherung mit Wohnnutzungen“.

Ein Beispiel für Fachmarktzentren, die im Laufe der Jahrzehnte in die benachbarte Wohnbebauung regelrecht eingewachsen sind, ist für Seidel etwa der Saarbasar in Saarbrücken, der ohne eigenes Zutun durch die Wohnbauprojekte der Kommune stärker an den Siedlungskörper herangerückt und inzwischen sogar vollständig von diesem eingeschlossen wurde. Eine Ausweitung der Nutzungen ist hier nur ein logischer Schritt.

Dass Fachmarktzentren für Investoren trotz des Revitalisierungsbedarfs in die Jahre gekommener Bestandsgebäude, die so manchen Businessplan durcheinander bringen kann, interessant bleiben, liegt nach Einschätzung von Maria GrubmüllerResearch Associate bei Nuveen, an der Widerstandsfähigkeit, die diese Anlage-Klasse gerade während der Corona-Pandemie gezeigt haben. Hinzu kommt, dass der Trend zu mehr Homeoffice gerade die Wohngebiete und Stadtteile aufwertet.

Eine stabile Planungsgrundlage

Das bietet für die Repositionierung oder Revitalisierung eine stabile Planungsgrundlage, auch wenn es ein Patentrezept für die richtige Neupositionierung nicht gibt. Da jeder Standort mit Blick auf die Makro- und die Mikrofaktoren sowie das lokale Marktumfeld individuell ist, kommt es bei der Neuausrichtung auf die richtige Dosis bei Breite und Tiefe des Handels- und Gastronomieangebots, der Dienstleistungen und auf die Architektur und Aufenthaltsqualität des Fachmarktzentrums an. „Für solche individuellen Revitalisierungsstrategien ist ein partnerschaftlicher Dialog mit Mietern, Kunden und auch mit den Verwaltungen unverzichtbar“, so Grubmüller.

Dass bei der Revitalisierung von Handelsstandorten heute mehr denn je auch das Thema Nachhaltigkeit im Fokus steht, wie Joaquin Jimenez ZabalaGeschäftsführer bei Wisag Facility Management Retail, feststellt, liegt auf der Hand. Für immer mehr Investoren ist die Einhaltung von ESG-Kriterien ein wichtiges Kaufkriterium. Und mit der EU-Taxonomie, der Offenlegungsverordnung (SFDR) und der CSR-Richtlinie gibt es laut Jimenez Zabala verbindliche Vorgaben für nachhaltiges Wirtschaften. Damit die Branche in diesem Punkt ihre Unsicherheit überwindet ist es nach seiner Einschätzung wichtig, dass der Gesetzgeber seine Vorgaben konkret und praxistauglich formuliert, so dass die Umsetzung leichter fällt. Ein zweiter Baustein ist nach seinen Erfahrungen die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Akteure.

Da die umfassende Modernisierung von Handelsimmobilien zu den komplexesten Aufgabenstellungen beim Umgang mit Bestandsimmobilien gehören, muss laut Jörg WegeHead of Strategic Development bei der MEC, mit einem weiten Fokus gearbeitet werden. Eine solche Anpassung wirke sich nämlich nicht nur auf das Kerngeschäft von Handelsstandorten aus, „sondern auch auf die gesamte Wertschöpfungskette dieser Assets“, als Investitionsobjekt, für die private Altersvorsorge als Bestandteil von Fonds und als Arbeitsplatz für Arbeitnehmer.