„Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ – treffender könnte man die Stimmung am Immobilieninvestmentmarkt vor und nach der Zinswende wohl kaum beschreiben. Jahrelang konnte kommen, was wollte – Brexit, Trump-Wahl, ja sogar eine globale Pandemie – von alledem ließ sich zumindest der deutsche Markt nicht beeindrucken. Mit jeder Krise schien er nur noch mehr Geld anzulocken. Dann kam die Zinswende und der Geldstrom versiegte recht abrupt. 2023 wird das Transaktionsvolumen wohl so niedrig ausfallen wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Ein Aufschwung, der diesem Abschwung zweifellos folgen wird, ist noch nicht in Sicht.*)
So stellt sich in aller Kürze die Gemengelage dar, die auch für den Investmentmarkt für Nahversorgungsimmobilien den Rahmen absteckt. Hier mag sich der „Aufprall“ für den einen oder anderen Marktteilnehmer sogar noch härter darstellen als in anderen Segmenten, weil die Pandemie den Markt 2020 und 2021 in neue Sphären katapultierte, die nun unerreichbar scheinen. Kaum waren Nahversorgungsobjekte dabei, sich als Core-Anlageklasse zu etablieren, hat ihnen die Zinswende einen Strich durch die Rechnung gemacht. So könnte man meinen. Aber es ist auch eine Frage der Perspektive.
Natürlich ist der Sektor gemessen am Transaktionsvolumen der Jahre 2020/21 tief gefallen – tiefer als viele andere Segmente. Einerseits. Andererseits legte er gemessen am langjährigen Durchschnitt eine recht weiche Landung hin. Das Zwölf-Monats-Transaktionsvolumen bis einschließlich April 2023 lag bei knapp 1 Mrd. Euro und damit kaum niedriger als in den Jahren vor dem Schub durch die Pandemie und um ein Vielfaches höher als in den meisten Jahren zu Beginn des Investmentzyklus ab dem Jahr 2009 (siehe Grafik).
Zudem könnte das Marktsegment das Transaktionstal bereits durchschritten haben. Zumindest hat sich der Handel mit Nahversorgungsimmobilien schon Anfang 2023 stabilisiert und nahm im Jahresverlauf wieder zu. Verfestigt sich diese Entwicklung – und dafür sehen wir mit Blick auf laufende Verkaufsprozesse durchaus Indizien – wäre der Abschwung ein vergleichsweise kurzer. Das Transaktionsvolumen für Gewerbeimmobilien insgesamt tendierte bis zuletzt deutlich nach unten und mit einer Erholung rechnen wir frühestens zur Jahreswende 2023/24.
Spitzenrenditen noch unter Vor-Corona-Niveau
Ausgerechnet der durch die Pandemie initiierte steile Beliebtheitsanstieg von Nahversorgungsimmobilien bei institutionellen Investoren könnte eine entscheidende Voraussetzung für die schnelle Erholung sein. Dieser Pandemie-Boom sorgte zwar für eine außergewöhnlich starke Renditekompression, sie war aber auf einen kurzen Zeitraum begrenzt. Die Abbildung Spitzenrenditen im Vergleich illustriert diese Entwicklung am Beispiel der Supermärkte. Zwischen 2013 und 2019 gingen deren Spitzenrenditen nur allmählich zurück. Erst 2020 und insbesondere 2021 beschleunigte sich der Rückgang massiv. Damit unterscheidet sich die Entwicklung deutlich von der in anderen Sektoren, zum Beispiel bei Büro- und Logistikimmobilien, bei denen die Renditekompression gleichmäßiger verlief.
Das Ergebnis: Obwohl der Renditeanstieg infolge der Zinswende bei Supermärkten sogar stärker ausfiel als bei den beiden Vergleichssegmenten, lagen die Spitzenrenditen zuletzt immer noch auf dem Niveau von 2020. Bei Büro- und Logistikimmobilien entsprechen die zuletzt erreichten Niveaus dem der Jahre 2016 bzw. 2018/19. Mit anderen Worten: Ein Investor, der vor fünf Jahren eine Büroimmobilie erworben hat, müsste bei einem heutigen Verkauf im Durchschnitt einen deutlich niedrigeren Vervielfacher akzeptieren, als er selbst bezahlt hat.
Hätte er zur selben Zeit einen Supermarkt oder eine andere Nahversorgungsimmobilie zur marktüblichen Anfangsrendite gekauft, könnte er diese heute – verglichen mit seinem Einstandsfaktor – zu einem höheren Faktor verkaufen. Das macht einen Verkauf in vielerlei Hinsicht leichter und könnte erklären, warum der Markt schneller als bei anderen Nutzungen wieder liquide geworden ist. Die jüngst abgeschlossenen Transaktionen sowie die Gebote in laufenden Prozessen deuten zudem darauf hin, dass die Anfangsrenditen nur noch geringfügig steigen oder sich sogar auf dem im Frühjahr erreichten Niveau stabilisieren könnten. In vielen anderen Marktsegmenten wie etwa bei Büros sehen wir das noch nicht. Gut möglich also, dass diese Preisanalyse in einem Jahr noch deutlicher zugunsten der Nahversorgungsimmobilien ausfällt als heute.
Nur wenige verzeichnen Kapitalwertverluste
Berücksichtigt man dann noch das Mietwachstum, wird die Ausgangslage für die Eigentümer noch komfortabler. Schließlich sind die Mieten in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich stark gewachsen. Das hat die steigenden Anfangsrenditen zumindest teilweise kompensiert. Die Abbildung Kapitalwertentwicklung von Supermärkten (siehe Grafik Seite 14) zeigt, dass der Kapitalwert für Supermärkte zwar trotz Mietwachstums seit dem Gipfel im vierten Quartal 2022 um mehr als ein Viertel gefallen ist, zugleich aber auch noch höher liegt als Ende 2020. Alle Investoren, die bis dahin gekauft haben, sind also daran gemessen Kapitalwertgewinner. Lediglich die Käufer der Jahre 2021 und 2022 haben einen Wertverlust ihrer Objekte zu verbuchen, wobei auch das nur ein Verlust auf dem Papier ist, da ein Verkauf ja zumeist erst in einigen Jahren anstehen dürfte.
Doch selbst die Gipfel-Käufer profitieren von der fundamentalen Robustheit des Nahversorgungssegments, mit der auch in den nächsten Jahren recht sichere und stetig wachsende Cashflows einhergehen dürften. Ob die Kapitalwerte in absehbarer Zukunft wieder auf ihr zur Jahreswende 2021/22 erreichtes Niveau steigen, steht auf einem anderen Blatt. Voraussetzung dafür wäre wohl eine Rückkehr in das Nullzinsumfeld, das wir gerade verlassen haben. Der Rückgang der Zinsen mag bei Nahversorgungsimmobilien – wie bei allen anderen Immobilien auch – der maßgebliche Treiber für die massive Renditekompression und das damit verbundene Kapitalwertwachstum gewesen sein, er war aber nicht der einzige.
Eine weitere wichtige Rolle spielt, dass Nahversorgungsimmobilien als Anlageklasse, nicht zuletzt bei institutionellen Investoren, einen enormen Bedeutungsgewinn erfahren haben, und das auch schon vor der Pandemie. Entfielen in den Jahren 2009 bis 2015 gut 40% des gesamten Transaktionsvolumens auf institutionelle Käufer, waren es in den Jahren 2016 bis 2022 knapp 80%.
In den Portfolios vieler institutioneller Investoren haben sich Nahversorgungsimmobilien in den vergangenen Jahren also einen festen Platz erobert und das wiederum hat dazu beigetragen, dass sie in der Immobilienwirtschaft ein Thema geworden sind, das Aufmerksamkeit bekommt (vielleicht war es auch umgekehrt) Davon zeugt die im Laufe der Jahre deutlich gestiegene Zahl der Artikel in den Medien der Immobilienwirtschaft. Sie ist auch Ausdruck des strukturellen Wachstums dieses Sektors, das am Investmentmarkt zwar temporär von der Zinswende und ihren Folgen überlagert, früher oder später aber wieder in den Vordergrund treten wird.
Insofern ist der starke Kapitalwertrückgang zwar schmerzhaft für die Käufer der vergangenen beiden Jahre, eröffnet aber umgekehrt Einstiegschancen für alte und neue Investoren in einen Sektor mit langfristigem Wachstumscharakter. Sie müssen sich dabei aber auch dem Wettbewerb mit den Lebensmitteleinzelhändlern selbst stellen, von denen wir einige zunehmend als Bieter in Verkaufsprozessen sehen. Für diese Unternehmen geht es unter anderem darum, sich ihre Standorte langfristig zu sichern. Dass sie überhaupt willens und in der Lage sind, in ihre Objekte zu investieren, ist ein weiterer Ausdruck der fundamentalen Robustheit des Nahversorgungssegments.
*) Der Artikel ist dem jüngsten GRR Basic Retail Report entnommen