Investmentmarkt Europa

Talfahrt der Spitzenrenditen ist gestoppt

Übernahmeobjekt Algarve Shopping Center. Foto: Sonae Sierra

In einem europäischen Investmentmarkt für Retail Assets, der sich zuletzt deutlich abgeschwächt hat, bleibt der deutsche Markt der Haupttreiber der Entwicklung, nachdem sich die Investoren im früheren Spitzenreiterland Großbritannien mit seinem hohen Online-Anteil stark zurück halten. Mit einem Transaktionsvolumen von 27 Mrd. Euro in den ersten neun Monaten 2019 blieb das Einzelhandelssegment zwar um 24% unter dem Vorjahreswert, doch verteidigt die Branche im europäischen Gewerbeimmobilienmarkt unvermindert ihren zweiten Platz hinter Büros.

Zu diesem europäischen Transaktionsvolumen in den ersten drei Quartalen trug Deutschland mit seinem starken, vom Lebensmittelhandel getriebenen Fachmarktimmobilien-Bereich und der Übernahmen von Galeria Kaufhof durch die Signa-Gruppe laut Retail-Markt Report Europa von BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) ein Volumen von 7,53 Mrd. Euro bei. Allein im dritten Quartal 2019 lag das Investitionsvolumen in europäische Handelsimmobilien bei 10,2 Mrd. Euro. Ob die 49,1 Mrd. Euro aus dem Jahr 2018 wieder erreicht werden, bleibt abzuwarten.

Beim Ausblick auf das vierte Quartal erwarten die Experten des Immobiliendienstleisters dank diverser Deals, die noch 2019 abgeschlossen werden könnten, dass das Transaktionsvolumen in Frankreich auf 4 Mrd. Euro steigen wird. In Spanien und Polen geht BNPPRE nach den hohen Investments im Jahr 2018 dagegen eher von einer Abschwächung des Jahresvolumens aus und in Großbritannien lassen die Investoren nach der gestiegenen Zahl an Insolvenzen im Einzelhandel, den strukturellen Herausforderungen auf dem britischen Shopping-Center-Markt sowie der Furcht vor dem immer noch nicht gebannten No-Deal-Brexit aus ihrer Sicht bei Retail Assets große Vorsicht walten. Das spiegeln auch die moderaten Werte von 3,9 Mrd. Euro in den ersten drei Quartalen und von 1,1 Mrd. Euro im dritten Quartal wider.

Für Deutschland prognostizieren Experten wie Jan Schönherr, Co-Head of Retail Investment bei CBRE, dagegen ein Transaktionsvolumen auf dem Niveau des Zehn-Jahres-Durchschnitts, das bei etwa 10 Mrd. Euro liegt. Denn die Dynamik der Investmentmärkte werde auf Grund der attraktiven Finanzierungsbedingungen und dem Mangel an Anlage-Alternativen mit annehmbaren Eigenkapitalrenditen und überschaubarem Risikoprofil anhalten, zeigte sich Piotr Bienkowski, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland, schon im Herbst überzeugt.

Mit einem Transaktionsvolumen von 3,0 Mrd. Euro findet sich Frankreich in der europäischen Rangliste auf dem dritten Platz, allein im dritten Quartal wurden hier 1,3 Mrd. Euro in Retail Assets investiert. Namhafte Transaktionen waren zwischen Juli und September der Verkauf des Leonardo Portfolios in Paris für 250 Mio. Euro und des Passage du Havre Shopping Centers gleichfalls in Paris für 217 Mio. Euro. Der Verkauf von Objekten wie dem Barberino Designer Outlet für 235 Mio. Euro im italienischen Florenz und des Gran Shopping Centre in Rom für 103 Mio. Euro trug dazu bei, dass sich das Volumen in Italien in den ersten neuen Monaten auf 1,7 Mrd. Euro und im dritten Quartal auf 1 Mrd. Euro summierte.

Chancen für die Investition in Retail Assets

In Spanien und Polen war das Investitionsvolumen mit 1,3 Mrd. Euro resp. 0,9 Mrd. Euro in den ersten drei Quartalen sowie 0,3 Mrd. resp. 0,4 Mrd. Euro im dritten Quartal dagegen eher moderat, wie bereits erwähnt. Gleichwohl kann Polen auf einige größere Transaktionen wie den Verkauf des Atrium Koszalin und des Atrium Felicity in Lublin und Koszalin für 298 Mio. Euro verweisen und den Verkauf eines Metro-Portfolios mit Märkten in verschiedenen Städten für 127 Mio. Euro. In Portugal gehörte der Verkauf des Algarve Shopping Centers und des Albufeira Retail Parks im dritten Quartal zu den großen Deals im europäischen Markt für Retail Assets.

Dass sich das Geschäft mit Retail Assets auf europäischer Ebene in den vergangenen Jahren etwas abgeschwächt hat, so dass die Talfahrt der Spitzenrenditen gestoppt wurde und die Werte in einigen Ländern sogar wieder zulegen, bietet aus Sicht von Patrick Delcol, Head of Pan European Retail bei BNP Paribas Real Estate, aber auch die Chance, in die Anlage-Klasse zu investieren, zumal die Preise in den Segmenten „Büro“ und „Logistik“ weiter steigen.

Highstreet-Investments profitieren aus seiner Sicht zudem von „der hohen Attraktivität der Top-Büroimmobilien, wodurch die Yield Compression von Premium-Immobilien in den bedeutendsten Metropolen teilweise noch nicht gänzlich abgeschlossen ist“. Die Beimischung von Büroflächen in die Geschäftshäuser von Top-Innenstadtlagen sind derzeit ein aktuelles Thema.

Zu den Ländern, in denen die Spitzenrenditen aber sogar bei den Highstreet-Objekten zum Ende des dritten Quartals gestiegen sind, gehört Großbritannien. Hier stiegen die Renditen laut BNP Paribas Real Estate um 25 Basispunkte auf durchschnittlich 2,85%. Bei Shopping-Centern ermittelte der Retail-Markt Report Europa sogar einen Wert von 6%, womit die Renditen in Deutschland und Frankreich inzwischen deutlich überschritten werden. Hierzulande beziffern Immobilien-Dienstleister wie JLL die Spitzenrenditen für namhafte Einkaufszentren an A-Standorten mit etwa 4% mit steigender Tendenz, verweisen aber auch darauf, dass es kaum Transaktionen gab.

Für Frankreich, wo die Spitzenrenditen für Shopping-Center gleichfalls bei 4% liegen, kann BNPPRE dagegen nicht ausschließen, dass sie noch weiter auf den niedrigsten Wert seit 10 Jahren fallen könnten: „Aktuell notieren sie bei 4,00%, womit Shopping-Center in Frankreich in der Spitze inzwischen teurer sind als in Deutschland“, heißt es im Retail-Report. Dagegen haben sich die Spitzenrenditen in den meisten europäischen Ländern seit Beginn des Jahres 2019 „stabil bis leicht steigend entwickelt“, wie der Immobiliendienstleister schreibt.

Zum Teil steigende Renditen bei Shopping-Centern

Unter Druck bleiben dagegen die Spitzenrenditen bei Premium-Hightstreet-Objekten, die für Frankreich mit durchschnittlich 2,50%, für Spanien mit 3,00% und für Italien mit 3,10% beziffert werden. Während die Experten in den Top-Lagen der größten deutschen Metropolen bis zum Jahresende keine weiteren Rückgänge mehr erwarten, können sie das für Frankreich nicht ausschließen und rechnen mit einem Durchbrechen der 2,50%-Marke nach unten.

Geprägt wird die Entwicklung auf dem Investmentmarkt für europäische Retail Assets  von der wachsenden Dynamik des Online-Handels in der Region, wobei es regionale Unterschiede gibt. Besonders ausgeprägt ist der Online-Kauf in Großbritannien, was auch die Verunsicherung der Investoren erklärt. Laut BNPPRE-Report entfielen Ende 2018 im Schnitt 8,4% der europäischen Einzelhandelsumsätze auf das Online-Geschäft, wobei davon auch stationäre Händler mit Multichannel-Strategie profitieren dürften, die als Folge dessen womöglich die Fläche verkleinern.

Die E-Commerce Foundation prognostiziert dem europäischen Online-Handel 2019 ein Wachstum von 14%, eine Rate, die damit auf dem Niveau des Fünf-Jahres-Durchschnitts liegt. Das Wachstum des stationären Handels, der aus Sicht von BNP Paribas Real Estate auch künftig der Erfolgsfaktor bleibt, egal ob ein Anbieter online oder offline unterwegs ist, wird demnach 2019 um 2,4% und in den nächsten beiden Jahren bei einer deutlich höheren Ausgangsbasis als im Online-Handel um 2% wachsen. Für den stationären Handel ist laut BNPPRE aber eine Online-Präsenz oder ein Omnichannel-Ansatz unabdingbar.

Wie sich einzelne Einkaufslagen in europäischen Metropolen mit Blick auf den Wandel im Einzelhandel entwickeln, hat der Immobiliendienstleister gleichfalls untersucht. Laut Report zeigt sich bei den europäischen Luxus-Lagen kein Nachfragerückgang. So bleiben die Old Bond Street in London mit 2 283 Euro je qm und Monat und die Avenue des Champs-Elysées in Paris mit 1 833 Euro je qm die teuersten Einzelhandelslagen in Europa. In der Pariser Pracht-Meile eröffneten jüngst Dior, Chanel Beauté und Galeries Lafayette  Flagship Stores. Positiv entwickelt sich laut Delcol auch die Rue St. Honoré in Paris.

Im „konsumigen“ Segment ist die Gran Via in Madrid mit einem Plus von 17% gegenüber 2018 auf 280 Euro je qm bei internationalen Händlern besonders gefragt, wie der Dienstleister mit Blick auf den größten außerhalb Chinas eröffneten Flagship-Store von Huawei im Juli berichtet. Ein Flagship-Store in Paris soll in diesem Dezember folgen.

Im Discount-Bekleidungssegment, das auch in Deutschland noch auf Flächensuche ist, sorgte laut BNP Paribas Real Estate die Expansion der irischen Mode-Kette Primark nach Mittel- und Osteuropa für Aufmerksamkeit. Den Anfang machte die Eröffnung der ersten Filiale in Slowenien im Juni dieses Jahres. Der Schritt nach Polen mit einer eigenen Fläche in der Galeria Młociny in Warschau und in die Tschechische Republik am Wenzelsplatz in Prag soll in diesem Herbst beziehungsweise im Frühjahr nächsten Jahres folgen.