Investmentmarkt

Suche nach dem neuen Gleichgewicht bei den Preisvorstellungen beginnt

Verkaufsobjekt Kaufhof an der Mönckebergstraße. Foto: Galeria Kaufhof

Bis zum 24. Februar hatten viele Akteure geglaubt, dass sich der Einzelhandelsmarkt nach Auslaufen der rigiden Corona-Regelungen 2022 erholen werde. Doch mit Ausbruch des Ukraine-Kriegs verfestigten sich die Lieferketten-Probleme aus der Corona-Pandemie, die Energiekosten explodieren und mit den steigenden Inflationsraten und den damit einhergehenden Zinserhöhungen durch die Notenbanken veränderten sich die Rahmenbedingungen im Immobilienmarkt im zweiten Quartal grundlegend.

So ist die Entwicklung auf dem Investmentmarkt für Handelsimmobilien nach dem guten Start im ersten Quartal 2022 im zweiten Quartal abgeflacht – wenn auch weniger stark als im Gewerbeimmobilienmarkt insgesamt. „Die post-pandemische Erholungsphase am deutschen Handelsimmobilienmarkt war kurz“, beschreibt Jörg Krechky, Head of Retail Investment Services Germany bei Savills, die Lage: „Die angespannte Gemengelage aus geopolitischen Unsicherheiten, Rekordinflation, nachlassender Wirtschaftsdynamik und allen voran der Zinsanstieg haben eine Zeitenwende eingeleitet und neue Belastungsfaktoren für das Handelssegment mit sich gebracht.“

Doch auch wenn der Investmentmarkt für Retail Assets in diesem Jahr unter dem langjährigen Durchschnittswert blieb, so gibt es aus Sicht von BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) zur Jahresmitte einige positive Aspekte, die das Ergebnis relativieren: Denn einerseits wurde das Transaktionsvolumen aus dem ersten Halbjahr 2021, das die Immobilienberater damals mit 2,7 Mrd. Euro bis 3,5 Mrd. Euro bezifferten, in diesem Jahr deutlich übertroffen, und andererseits wurde bei den Einzeltransaktionen mit 3 Mrd. Euro der langjährige Durchschnittswert erreicht.

Im Einzelnen ermittelten die Immobilienberater für das erste Halbjahr 2022 ein Transaktionsvolumen in der Bandbreite von 4,3 Mrd. Euro (Colliers International), über 4,0 Mrd. Euro (Savills und BNPPRE) und 3,7 Mrd. Euro (CBRE) sowie 3,5 Mrd. Euro (Cushman & Wakefield) bis hin zu 3,45 Mrd. Euro (JLL). Alle konstatierten eine mehr oder weniger deutliche Verbesserung gegenüber 2021. Bis auf die Berater von BNPPRE, die sowohl im ersten als auch im zweiten Quartal ein Volumen von 2 Mrd. Euro ermittelten, registrierten alle einen Rückgang im zweiten Quartal. Savills beispielsweise beziffert den Wert mit 1,4 Mrd. Euro und CBRE mit 1,56 Mrd. Euro.

Gemessen am gesamten deutschen Gewerbeimmobilienmarkt, in dem das Transaktionsvolumen nach einem guten Start im ersten Quartal 19,7 Mrd. Euro erreichte und im zweiten Quartal auf 10,5 Mrd. Euro absackte, präsentierte sich der Investmentmarkt mit Retail Assets laut BNPPRE noch relativ konstant. Zumal laut Jan Dirk Poppinga, Co-Head of Retail Investment bei CBRE Deutschland, noch immer Deals angebahnt und Opportunitäten ausgelotet werden. Allerdings hat die Branche ihren zweiten Platz inzwischen an den Logistikimmobilien-Bereich verloren, der mit 6,6 Mrd. Euro hinter dem Spitzenreiter Büros mit 13,1 Mrd. Euro steht.

Investoren müssen Anlagestrategie justieren

Mit Blick auf die gravierenden geopolitischen Verwerfungen sowie die Zins- und Zykluswende nach dem Ende der lockeren Geldpolitik sind die Investoren laut BNPPRE inzwischen jedoch in allen Bereichen mehr oder weniger stark gezwungen, ihre Anlagestrategie zu justieren und zum Teil neu zu denken. „Der deutsche Immobilienmarkt sucht derzeit ein neues Gleichgewicht“, bestätigt auch Fabian Klein, Head of Investment bei CBRE in Deutschland: „Das größte Hemmnis der Marktdynamik sind momentan divergierende Preisvorstellungen bei Käufern und Verkäufern.“ Klein geht aber davon aus, dass sich das Repricing – nach einer Phase der Zurückhaltung und der Verzögerung – im Jahresverlauf wieder einpendeln wird. Auch wenn es gegenwärtig für belastbare Aussagen noch zu früh ist, so konnte Savills in diesem Kontext bereits im vergangenen Quartal für einige Handelssegmente anfängliche Preiskorrekturen verzeichnen, „wenngleich sich das tatsächliche Ausmaß des Renditeanstiegs wohl erst im Herbst zeigen dürfte“, wie der Immobilienberater schreibt. Zudem gibt Anne Gimpel, Team Leader Valuation Advisory Services bei CBRE zu bedenken, dass Einzelhandel gemessen an anderen Immobilienklassen preislich nie direkt am Limit war, „sodass nun auch die Auswirkungen der Zinswende weniger deutlich ausfallen dürften“.

Auch in diesem Punkt unterscheidet sich das Handelsimmobilien-Segment derzeit von anderen Asset-Klassen. Laut Matthias Leube, CEO bei Colliers International, waren bei den stark gehandelten Assetklassen Büro und Industrie/Logistik im unsicheren Umfeld des zweiten Quartals „zum Teil deutliche Preiskorrekturen“ festzustellen. So stiegen die Netto-Spitzenrenditen bei Büros laut Nico Keller, Deputy CEO der BNP Paribas Real Estate GmbH, in den Metropolen um rund 15 Basispunkte – nur in München waren es 10 Basispunkte – und bei Logistikimmobilien um 10 Basispunkte. JLL beziffert die durchschnittlichen Spitzenrenditen in den Big 7 im zweiten Quartal für Büros mit 2,72% – nach 2,62% im ersten Quartal – und mit 3,11% im Logistikmarkt, nach 2,96% zu Jahresbeginn. Dagegen war die Renditeentwicklung im Einzelhandelsbereich „vergleichsweise moderat“, wie Leube feststellt. Bei Geschäftshäusern sei bereits 2019 das Ende der Renditekompression erreicht worden.

Laut JLL lag der Durchschnittswert der Spitzenrenditen bei Objekten in den 1A-Lagen der großen Einkaufsstädte seit dem zweiten Quartal 2021 unverändert bei 2,91% (CBRE: 3,19%) und bei Shopping-Centern konstant bei 4,85%. Durch den Strukturwandel, den der innerstädtische Nonfood-Handel – insbesondere der Mode-Handel – durch die starke Konkurrenz des Online-Handels durchläuft, steht dieser Vermietungsmarkt bei Retail Assets schon länger unter Druck, was sich auch auf die Kaufpreise und die Renditen ausgewirkt hat.

Bei Center sind die Renditen schon stark gestiegen

Zudem gibt Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers, zu bedenken, dass „im Segment innerstädtischer Geschäftshäuser vor allem eigenkapitalstarke Eigentümer aktiv sind, die von steigenden Fremdfinanzierungskosten weniger betroffen sind“. Deshalb würden sich die Preise auch künftig nicht allzu stark nach unten bewegen. Bei Top-Shopping-Centern sowie bei Centern an B-Standorten sieht Savills die Spitzenrendite mit 5% bzw. 7% über dem JLL-Wert. Krechky geht davon aus, dass anstehende Transaktionen im Center-Bereich noch genauer zeigen werden, „wie der Markt hier tickt und ob es zu weiteren Preisanpassungen kommen wird“.

Aber auch bei Fachmarktzentren, die bei Investoren hoch im Kurs stehen, blieben die Spitzenrenditen laut JLL mit 3,5% seit dem vierten Quartal 2021 stabil. Savills differenziert hier nach Objekten mit Schwerpunkt Nahversorgung, die sich recht konjunkturresistent gezeigt haben, und sieht die Spitzenrenditen in der Bandbreite von 3,6% (Verkäufersicht) und 3,9% (Käufersicht). Fachmarktzentren ohne Schwerpunkt Nahversorgung würden dagegen näher bei den Shopping-Center-Werten liegen.

Differenziert fällt auch die Einschätzung bei den Spitzenrenditen von Supermärkten und Discountern aus, die laut Savills bei 3,2% (Vorstellung des Verkäufers) und 3,5% nach Vorstellung des Käufers liegen. JLL beziffert die Spitzenrenditen generell für Fachmärkten mit 4,5%, BNPPRE liegt bei 4,4%. „In dem resilienten Nahversorgungssegment rechnen wir mit einer moderaten Kaufpreiskorrektur gegenüber den Preisspitzen der vergangenen 12 Monate", blickt Hoenig-Ohnsorg in die Zukunft. Anne Gimpel geht davon aus, dass „Lebensmittelfokussierte Objekte relativ teuer bleiben, während Fachmärkte sowie Fachmarktzentren gewisse Renditesteigerungen sehen werden.

Wie schon in den vergangenen Quartalen entfällt wieder der größte Teil des Transaktionsvolumens auf (lebensmittelgeankerte) Fachmärkte und Fachmarktzentren. Colliers kommt hier auf einen Anteil von 46%, der Berater Savills sieht allein bei Fachmarktzentren einen Anteil von 28% und bei Supermärkten sowie Discountern bei 20%.

Für den Bereich innerstädtische Geschäftshäuser ermittelte Savills ein Transaktionsvolumen von 1,3 Mrd. Euro bzw. einen Anteil von 33% am Gesamtvolumen. Zu den großen Transkationen gehörten im ersten Halbjahr 2022 der Verkauf der ehemaligen Kaufhof-Filiale auf der Mönckebergstraße in Hamburg, die auch als Klöpperhaus bekannt ist, an Tishman Speyer, der Verkauf des als „Rosi“ bekannten Büro- und Geschäftshauses in Berlin und der Gera-Arcaden im April durch Unibail-Rodamco-Westfield an Redos. Insgesamt spielen Shopping-Center mit einem Anteil, den CBRE bei 7% sieht, aber immer noch eine untergeordnete Rolle im Handelsimmobilienmarkt.

Reicht der Schwung fürs dritte Quartal

Geprägt wird der Markt für Handelsimmobilien auf der Käuferseite laut BNPPRE von Spezialfonds (27%), die sich vor allem auf Fachmarktprodukte fokussieren und Investment/Asset Manager mit Schwerpunkt Geschäftshäuser.

Insgesamt, so stellt Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services, fest, blickt der Retail-Investmentmarkt auf ein „zufriedenstellendes erstes Halbjahr“ zurück, wobei vor allem das Food- bzw. das Food-Portfolio-Segment und vereinzelte größere Highstreet-Investments den Markt angetrieben haben: „Ob und inwieweit dieser Schwung in das dritte Quartal transportiert werden kann, bleibt jedoch aufgrund des veränderten Finanzierungsumfelds vorerst abzuwarten.“ Zumal, wie Jan Schönherr, Co-Head of Retail Investment bei CBRE, anmerkt, sich „die Auswirkungen der Zinssteigerungen vermutlich erst im dritten Quartal deutlicher im Transaktionsgeschehen widerspiegeln“ werden.

Hinzu kommt laut Hoenig-Ohnesorg auch die schwierige Lage des Nonfood-Handels, der schon unter den Zwangsschließungen zur Pandemie-Bekämpfung gelitten hatte und der jetzt weiter verlieren könnte, wenn insbesondere die Energiepreise so stark steigen, dass sich die Bundesbürger in diesem Bereich einschränken müssten. Das dürfte den Vermietungsmarkt belasten. Unter den heutigen Bedingungen erwartet er für 2022 ein Transaktionsvolumen von 8 Mrd. Euro. Damit würde das Vorjahresniveau von knapp 9 Mrd. Euro unterboten.

Sofern sich die Verkäufer an die veränderten Marktbedingungen und das neue Preisniveau anpassen, erwartet Krechky mit Blick auf den großen Kapitaldruck der Anleger im zweiten Halbjahr vermehrt Verkaufsprozesse – auch bei Value-Add-Projekten: „Hierunter fallen insbesondere großflächige Handelsimmobilien wie Shopping-Center und Fachmarktzentren, die Repositionierungs-Bedarf haben.“