Handelsimmobilien-Gipfel: Stadterneuerung

Strukturelle Schieflage belastet die Cities

Einkaufen geht heute überall. Foto: Hystreet.de

Der innerstädtische Vermietungsmarkt für Retail Assets steht schon seit geraumer Zeit unter Druck. Seit die Zwangsschließungen zur Corona-Bekämpfung die Lage im innerstädtischen Einzelhandel – insbesondere im Modehandel – nochmals verschärft haben, nimmt die Diskussion über die erforderlichen Veränderungen in Deutschlands Innenstädten immer breiteren Raum ein, auch beim 13. Deutschen Handelsimmobilien-Gipfel in Düsseldorf.

Im Rahmen seines Einführungsvortrags zum Handelsimmobilien-Gipfel mit dem Untertitel Mit Geranien, Modenschau und Osteraktion die Innenstadt retten?“ wollte Manuel Jahn, Head of Business Development bei der Habona Invest Consulting GmbH, gleich zu Beginn mit dem Glauben aufräumen, dass die Stadt schon immer ein Ort des Handels war. Die Römer hätten hier in erster Linie die Administration angesiedelt, wirft er den Blick weit zurück. Dass sich an wichtigen Verkehrsachsen und Knotenpunkten Händler und Handwerker ansiedelten und sich später Agglomerationen wie Märkte bildeten, liegt in der Natur des Handels. Menschenansammlungen sind die Grundlage seines Geschäfts.

Im Laufe der Jahrhunderte und gemäß den kulturellen Gepflogenheiten haben sich auch die Innenstädte in ihrem Bestand grundlegend verändert. Im Mittelalter bildeten die Fachwerkhäuser die kleinteilige innerstädtische Idylle ab, die in gut erhaltenen Stadtkernen noch heute zu bewundern sind. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts wurden jedoch viele kleinteilige Gebäude durch die großen Warenhäuser verdrängt, den Flaggschiffen der Branche, die gleich den gesamten Einzelhandel unter ihrem Dach abbildeten. In der Hansestadt Hamburg mussten viele kleinteilige Gebäude den Kontorhäusern weichen.

Wenn Städte so das Spiegelbild einer Gesellschaft sind, dann spiegeln die Innenstädte aus Jahns Sicht das Elend der heutigen Gesellschaft wider. Dass inzwischen der Punkt erreicht ist, an dem es so nicht mehr weiter gehen kann, hat die jüngste Pandemie mit ihren Folgen eindrücklich vor Augen geführt. Und das zeigen auch die vielen Diskussionen in Städten und Einzelhandel.

Dabei sind die Ursachen, die zur heutigen Misere der Innenstädte führten, vielschichtig und Gründe lassen sich in den gesellschaftlichen Veränderungen, im Konsumverhalten und in den Verwerfungen auf dem Handelsimmobilienmarkt finden. So registrierte Jahn eine „Aufspaltung des Einkaufsvorgangs“. In den vergangenen 10 bis 15 Jahren habe sich der zentrale Punkt des Einkaufens aufgelöst. Durch Digitalisierung und die Einführung der Smartphones kann der Einkauf überall und zu jeder Zeit stattfinden, was zu einem Auflösungsprozess führte. Die Kunden müssen nicht mehr in die City, so dass deren Bedeutung für den Einkauf abgenommen hat.

In diesem Kontext ist in den Innenstädten auch ein „Rückgang der Zentralität“ zu verzeichnen, denn aus der Umgebung kommen die Kunden weniger häufig und nehmen auch nur noch kürzere Wege in Kauf. Zumal auch die Benzinpreise immer weiter steigen. Und wenn es ums Wohnen geht, zieht es die Menschen eher in die Stadtteile oder in die Speckgürtel. Stichwort: Suburbanisierung. Nach Jahns Beobachtung nehmen viele Menschen heute den Weg in die Innenstadt nur noch auf sich, wenn die City etwas Einmaliges bietet. Oder wenn der Gang in die Innenstadt in den Lebensablauf eingebaut werden kann, wie bei Menschen, die hier arbeiten.

Innenstädte werde als soziale Treffpunkte geschätzt

Vor diesem Hintergrund zitiert der Head of Business Development eine aktuelle Studie von Statista und Simon Kucher Beratung, wonach die Innenstadt für das Gros der Befragten (60% der Nennungen) „wichtig“ ist, um sich mit Freunden oder Familie zu treffen. Allerdings ist es auch für einen erheblichen Teil der Befragten (über 55% der Nennungen) wichtig, in die City zu gehen, um den lokalen Einzelhandel zu unterstützen. Für den gezielten Einkauf ist sie dagegen weniger wichtig.

Des Weiteren ist ein Teil der Wertschöpfung in dezentrale Lagen abgewandert. Gerade in den 1970er- und den 1980er-Jahren sind mit dem Siegeszug des Autos auch viele Lebensmittelhändler mit großflächigen Verbrauchermärkten sowie Baufachmärkte, Elektrofachmärkte und Möbelhändler auf die grüne Wiese gezogen. Und last not least ist im innerstädtischen Handelsimmobilienmarkt der Druck auf die Standortkosten in den vergangenen Jahren stark gestiegen und durch die Umsatzausfälle im Handel im Zuge der Zwangsschließungen nochmals gewachsen. Dem großen Bauboom auf der einen Seite stand laut Jahn der Umsatzrückgang im innerstädtischen Nonfood-Handel – insbesondere im Modehandel – auf der anderen Seite gegenüber, sodass sich eine strukturelle Schieflage entwickelt hat.

Hinzu kommt, dass viele stationäre Einzelhändler im Zuge ihrer Multichannel-Strategie und mit Blick auf den Ausbau des Online-Geschäfts kleinere und weniger Flächen benötigen. Mit den sinkenden Mieten werde es aber schwierig, das Wertsteigerungspotenzial der Immobilien zu realisieren, so der Experte. Die zentrale Frage, die sich vor diesem Hintergrund stellt, ist, wie die Städte diesen grundlegenden Trends entgegenwirken und wieder von selbst funktionieren können.

Mehr Urbanität in die Städte

Jahn sieht hier drei Lösungsansätze mit unterschiedlicher Gewichtung. Dazu gehört zum einen die Eventisierung – das heißt, man müsse die Innenstadt etwa durch Veranstaltungen unterstützen, die einen Anreiz bieten, in die Zentren zu kommen. Der Nutzen einer solchen Eventisierung: mehr Frequenz, Vielfalt und Erlebnis, was wiederum gut für die Umsätze im Einzelhandel ist und die Stabilisierung des Mietniveaus sowie der Immobilienwerte. Wichtig sind dabei auch Themen wie Inklusion und Nachhaltigkeit. Mit sogenannten Konsumfreien Zonen – Punkt zwei der Lösungsansätze – schafft die Stadt zugleich mehr Atmosphäre und Aufenthaltsqualität und bietet Menschen einen Anlass, sich auch ohne triftigen Grund in der City aufzuhalten und sie damit zu beleben.

Als tragfähigste der drei Lösungsansätze wertet Jahn das Thema Nutzungsmischung mit dem Ziel, mehr Urbanität in die Innenstädte zu bringen – sprich: mehr Nutzungen, Kultur und Baukultur, sozialräumliche Strukturen, unterschiedliche Milieus und Gemeinschaften. Wichtig ist dabei auch der menschliche Maßstab. In punkto Baukultur gilt es aus Sicht des Experten aber die Parzellierung zu beachten. Denn kleinteilige Immobilienstrukturen mit vielen verschiedenen Eigentümern und unterschiedlichen Nutzungen eröffnen mehr Lebendigkeit.

In seinem Fazit kommt Jahn zu dem Schluss, dass die Mieten in den Innenstädten angepasst werden müssen und er ist überzeugt, dass sie sich anpassen werden. Nach seiner Beobachtung gibt es auch schon viele Asset Manager, die auf diese veränderte Situation reagieren und den Mietern entgegenkommen. Da der Gap zwischen Umsatz und Miete noch hoch sei, werde das Mietniveau wohl sinken. Bei den Diskussionen über neue Nutzungsmischungen in reinen Handelsimmobilien muss man laut Jahn aber auch bedenken, dass es keine Nutzungsart gib, die etwa die Mieten des Modehandels bezahlen kann. „Wir haben ein Riesen-Mieten-Thema“, so der Experte. Wenn das gelöst sei, könne man weiter rechnen und weiter planen.